Einen solchen Alltag hat sich niemand gewünscht. Hier oben im Nordosten Nigerias, im Bundesstaat Borno, wo islamistische Gruppen aktiv sind. Es kommt zu Entführungen, ganze Schulklassen verschwinden – wie auch anderenorts im Land – plötzlich spurlos. Überfälle und Gewalt greifen um sich, die meisten Schulen sind deshalb geschlossen.
Seit nunmehr zehn Jahren dauert diese sozioökonomische Krise an. Sie beeinträchtigt das Leben und die Zukunftsaussichten von 7,7 Millionen Menschen, 60 Prozent davon Kinder. Da es für sie kaum Bildungschancen gibt, sind auch ihre Möglichkeiten für Jobs und einen einträglichen Lebensunterhalt dürftig. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und insbesondere Frauen sind davon betroffen. Viele junge Menschen entscheiden sich deshalb dafür, abzuwandern, um anderswo ihre Chancen zu suchen. Nicht so die 26-jährige Falmata.
„Eine Frau kann alles tun, was ein Mann tun kann.“
Jeden Morgen öffnet Falmata ihren kleinen Laden und beginnt mit ihrer Arbeit. Vor der jungen Frau liegen feinste Schräubchen und Drähte auf einer Arbeitsplatte, an der sie Mobiltelefone repariert. „Ich glaube, wenn eine Frau die richtige Leidenschaft hat, kann sie alles tun, was ein Mann tun kann. Meine Entschlossenheit hat alle überrascht“, sagt Falmata mit Stolz, denn sie ist die erste weibliche Mobilfunktechnikerin in ihrer Gemeinde.
In dieser für Jugendliche scheinbar so aussichtslosen Lage engagiert sich Plan International mit finanzieller Unterstützung öffentlicher Geber für deren berufliche Ausbildung sowie Beschäftigungsmöglichkeiten. Das Vorhaben richtet sich an die vom Konflikt betroffenen Mädchen, Jungen und Jugendlichen in Borno – der Bundesstaat, in dem auch Falmata lebt.
„Als das Plan-Projekt begann, hatte ich nichts zu tun“, erklärt Falmata. Es wurden diverse Ausbildungskurse angeboten, und die 26-Jährige entschied sich zur großen Überraschung ihrer Familie und Freundinnen dafür, die Reparatur von Mobiltelefonen zu erlernen.
„Diejenigen, die mich entmutigen wollten, bringen jetzt ihre Handys zum Reparieren zu mir.“
„Zuerst fragten sich die Leute in meiner Gemeinde, warum eine Frau wie ich eine Männerarbeit machen wollte. Aber es macht mir nichts aus, die erste Frau zu sein, die das kann“, sagt Falmata. „Jetzt bringen mir diejenigen, die mir von dieser Berufswahl abrieten und mich entmutigen wollten, ihre Handys zum Reparieren zu mir. Die gleichen Leute, die mir sagten, dass ich als Frau besser Schneiderin oder Gastronomin hätte werden sollen.“
Nach einem sechsmonatigen Lehrgang erhielt Falmata Werkzeug für Feinmechanik und Messgeräte, um ihr eigenes kleines Reparaturunternehmen zu gründen und dadurch finanziell unabhängig zu werden. Die junge Frau ist unter anderem in der Lage, Handy-Bildschirme und Ladeanschlüsse zu reparieren sowie Mikrophone zu wechseln. Mit ihrem Einkommen kann sie ihre elfköpfige Familie selbst versorgen. Falmata ist dadurch auch zu einem Vorbild für andere junge Frauen in ihrer Gemeinde geworden, von denen sie inzwischen zehn als Lehrlinge eingestellt hat.
„Ich lerne von Falmata und weiß jetzt, wie man einen Telefonbildschirm oder einen Ohrhörer auswechselt“, berichtet die 17-jährige Aisha, eine ihrer Auszubildenden. „Einige Leute in der Gemeinde sagten, dass Frauen diese Art von Arbeit nicht machen könnten, aber zu meinem Erstaunen mache ich es doch.“
„Die Männer werden es nicht besser machen können als ich.“
Obwohl einige von Falmatas Kunden anfangs an ihren technischen Fähigkeiten zweifelten, haben sie und ihre Auszubildenden sich bald einen guten Ruf für ihren ausgezeichneten Service erworben. „Sie helfen uns, indem sie unsere Telefone reparieren. Ihre Arbeit ist wirklich gut“, sagt Bulama, einer von Falmatas Kunden. „Selbst die Männer, die meistens solche Reparaturen erledigen, werden es nicht besser machen können als ich“, sagt Falmata selbstbewusst, und hofft, eine langfristige Karriere mit ihrer Handy-Werkstatt aufzubauen. „Denn ich weiß, dass ich es gut mache.“