„Bevor der Krieg eskalierte, war alles gut, es war friedlich. Wir sind mit den Kindern am Strand entlang spaziert, das Leben war ruhig. Doch dann brach das Chaos los. Es ist hart und schmerzhaft, denn ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Die Explosionen. Es war sehr beängstigend und dauerte einen Monat lang an …
Am 24. Februar um 5 Uhr morgens hörte ich drei Explosionen, dann hörte ich ein Flugzeug und eine gewaltige Explosion. Mir wurde klar, das ist der Krieg. Ich habe einen Monat lang mit meinen Kindern gelitten. Die Menschen um mich herum haben mir zugeredet, dass ich gehen muss. Ein Freund sagte: ,Du musst gehen. Du musst deine Kinder mitnehmen.‘
Mein ältester Sohn sagte zu mir: ,Mama, in Mariupol ist es wirklich beängstigend. Es gibt dort keine Stadt mehr, es gibt dort keine Menschen. In Odessa wird es genauso sein.‘ Man war immer nervös. Immer. Kein Schlaf in der Nacht, die Kinder in Panik, ich war ständig in Panik. Als der Krieg ausbrach, habe ich unsere Sachen in 15 Minuten gepackt. Ich wollte weg, doch ich wusste nicht wohin. Die Menschen waren in Panik. Explosionen. Es gab keine Busse. Taxis, um zur Grenze zu fahren, waren extrem teuer. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht weggehen, also nahm ich meine Kinder und ging nach Hause.
„Als die Raketen Richtung Odessa flogen, mussten wir fliehen.“
Doch als die Raketen anfingen, auch Richtung Odessa zu fliegen, und das Feuer kam – es ist so beängstigend, dieses Feuer – war der Zeitpunkt gekommen, an dem ich wusste, dass wir fliehen mussten, weil wir vielleicht keine andere Chance mehr hatten. Mein ältester Sohn fragte mich: ,Mama, gehst du weg? Machst du Witze?‘ Es war der 1. April. Er dachte, es sei ein Aprilscherz. Mir war nicht nach Scherzen zumute und ich sagte: ,Nein, ich gehe nach Moldau.‘
Drei meiner Kinder nahm ich mit. Zwei sind in Odessa geblieben, weil sie nicht mitkommen durften. Der Älteste von denen, die mit mir geflohen sind, ist 16 Jahre. Die anderen beiden sind acht und sechs Jahre alt. Es war schwierig. Als wir die Grenze überquerten, wurde mir klar, dass ich in Sicherheit bin. Das war’s. Meine Kinder und ich sind in Sicherheit! Es war ein langer Weg und spät in der Nacht. Wir kamen um 23:30 Uhr in einem Auffangzentrum an. Wir wurden sehr freundlich behandelt.
Eine Aktivität im Auffangzentrum ist Pidtrymka (Ukrainisch für „Unterstützung“, Anm. d. Red.). Ich mag die Art und Weise, wie die Mitarbeitenden mit uns arbeiten. Ich bin sehr froh, dass es Menschen gibt, die Zeit für uns haben, die mit uns reden wollen und uns Rat geben, denn es ist schwierig für uns. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit einer Psychologin sprechen könnte. Ich kam nach Moldau und hatte ein schweres Herz.
Am Anfang kamen die Frauen von Pidtrymka einfach zu mir und fragten: ,Brauchst du unsere Hilfe?‘ Ich dachte: ,Welche Hilfe? Sind wir krank?‘ Ich dachte, ich bräuchte keine psychologische Hilfe. Doch als ich anfing, mit einer Psychologin zu sprechen, ging es mir besser.
Die Dinge wurden leichter für mich. Ich begann, die Welt anders zu sehen. Ich fing an, wieder öfter zu lächeln. Ich fing an, anders zu reden, mit den Menschen um uns herum zu kommunizieren. Diese Sitzungen helfen mir so sehr im Leben. Es ist wie Balsam für die Seele.
Für die Kinder ist es dasselbe. Die Kinder haben sich verändert, sie sind geselliger geworden. Es gibt verschiedene Clubs, zum Beispiel einen Zeichenclub, zu denen sie gehen können. Am Anfang waren meine Kinder traurig. Mein Sohn wurde sehr introvertiert, spielte nur noch am Handy, ging nicht mehr nach draußen, sprach mit niemandem. Mir wurde klar, dass das nicht normal war. Meine Kinder fingen an, mit den Leuten von Pidtrymka zu sprechen. Mein Sohn ging wieder nach draußen, um Fußball zu spielen.
Meine Tochter kam zu den Sitzungen und man lud sie ein, etwas zu zeichnen. Früher malte sie gern Blumen und solche Sachen, aber dann fing sie an, Panzer und Flugzeuge zu zeichnen. Es war, als würde sie sagen: ,Wir sind im Krieg. Wir werden getötet. Es wird geschossen. Ukraine ist im Krieg. Unsere älteren Brüder sind noch dort.‘ Sie war psychisch sehr angeschlagen, aber jetzt nicht mehr so sehr. Jetzt malt sie wieder Blumen.
„Es ist schwierig, über diese Dinge zu sprechen und alles wieder in Erinnerung zu rufen.“
Es ist schwierig, über diese Dinge zu sprechen und alles wieder in Erinnerung zu rufen. Sie können sich nicht vorstellen, wie es war. Wir hatten keine Kleidung zum Anziehen, wir hatten nur ein paar Sachen mitgenommen. Als wir erfuhren, dass jemand warme Kleidung für uns mitgebracht hatte, schämte ich mich sehr, aber dann dachte ich: ,Es gibt wunderbare Menschen da draußen, die uns diese Dinge geben, die wir brauchen.‘ Ich bin so dankbar, dass es solche Menschen auf der Welt gibt, die mit uns fühlen, die ein Herz haben und unsere Situation verstehen.
Solange Krieg herrscht, bleibe ich hier. Wenn der Krieg beendet ist, gehe ich zurück nach Odessa. Ich möchte, dass es Frieden auf der Erde gibt. Wir wollen keinen Krieg.“