40 Jahre nach der verheerenden Hungersnot in Äthiopien steckt das Land noch immer in einer Krise. Anhaltende Konflikte, Inflation und wiederkehrende Naturkatastrophen – wie Dürren, Überschwemmungen oder Heuschreckenplagen – erschweren den Zugang zu Nahrung. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sowie das Welternährungsprogramm (WFP) stufen das ostafrikanische Land deshalb in einem gemeinsamen Bericht als „Hunger Hot Spot 2024“ ein.
„Manchmal haben wir nicht einmal eine Mahlzeit am Tag.“
„Früher hatten wir Tierfett und Milch. Früher waren wir unabhängig und haben anderen geholfen“, sagt die 37-jährige Tume. Die sechsfache Mutter musste ihr Zuhause verlassen, nachdem die Dürre ihre Tiere und Ernte vernichtet hatte. Jetzt kämpft sie mit ihrer Familie in einer Gastgemeinde in der südlich gelegenen Borena Zone ums Überleben.
Da die Kosten für Lebensmittel in den letzten drei Jahren – nicht zuletzt auch durch die Corona-Krise – stark gestiegen sind, kann sich Tume kaum noch Essen leisten. „Wir können weder arbeiten noch Landwirtschaft betreiben. Manchmal haben wir nicht einmal eine Mahlzeit am Tag“, schildert die Mutter ihre Lage. „Wenn die eigenen Kinder hungrig ins Bett gehen müssen, denkt man nur noch negativ.“
Die Gastgemeinde hat sich der Notlage der Familie angenommen und Plan International um Unterstützung gebeten. „Meine Älteste hat eine Schultasche, Stifte, Bücher und eine Taschenlampe bekommen, damit sie lernen und zur Schule gehen kann“, freut sich Tume. „Für mich gab es Haushaltsgegenstände wie Eimer, Kanister, Töpfe, Waschbecken und Decken.“ Außerdem erhielten sie je vier Schafe und Ziegen sowie 5.000 Birr (das entspricht etwa 38 Euro), um Lebensmittel und Medikamente zu kaufen. All das gibt Tume Hoffnung für die Zukunft. „Die Ziegen sind inzwischen trächtig und werden uns bald schon Milch geben können“, sagt sie stolz.
Die Situation in Äthiopien ist seit Jahrzehnten angespannt. Das liegt nicht nur an Naturkatastrophen, sondern auch an inneren Konflikten. Insgesamt 80 Kulturgruppen beheimatet das Land, unter denen es immer wieder Bemühungen zur Unabhängigkeit gibt, wie die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) erklärt.
Auch kriegerische Auseinandersetzungen in den Nachbarstaaten Somalia, Südsudan und Jemen schaden der Landwirtschaft, indem sie verhindern, dass Felder bestellt werden können oder Ernten zerstören. Besonders Menschen, die von Viehzucht leben, leiden unter dem Status quo, da sie für ihre Herden immer weniger sichere Wasserstellen haben. Streitigkeiten um Gebiete sind die Konsequenz, was gerade die ländlichen Regionen anfällig für Hungersnöte macht.
„Meine Eltern konnten sich meine Schulsachen nicht leisten.“
Wie viele Mädchen in der Borena Zone musste auch die 11-jährige Dabo aufgrund der Dürre die Schule verlassen. Damals war sie gerade in der ersten Klasse. Jetzt lebt sie mit ihrer Familie in einem Lager für Binnenvertriebene. Ihre Rinder haben sie während der Dürre verloren. Ihren Eltern fehlt das Geld für Lebensmittel. „Hunger verändert das Leben der Menschen“, erzählt sie. „Ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen. Ich fühle mich schwach, müde und traurig.“
Dabo wünscht sich eine gute Bildung, um damit das Leben ihrer Familie zu verbessern. „Meine Eltern konnten es sich nicht leisten, mir Schulsachen zu kaufen. Es tut mir so weh, dass ich nicht zur Schule gehen und mit meinen Freunden spielen kann“, sagt sie.
Ostafrika ist besonders anfällig für die Folgen der Klimakrise, denn die Savannen und Berglandschaften reagieren sehr empfindlich auf Wetterextreme. Der dicht besiedelte Landstrich ist außerdem stark von der Landwirtschaft abhängig und hat nur begrenzte Ressourcen, um auf den Klimawandel zu reagieren. Zuletzt plagte eine mehrjährige Dürre die Region, begleitet von einer ebenfalls mehrjährigen Heuschreckenplage.
Die Folgen: Lebensmittelmangel und große Fluchtbewegungen. Schlechte Wasserqualität und fehlender Zugang zu Sanitäranlagen oder ärztlicher Versorgung verschlechtern die Lage zudem. Laut dem Bericht von FAO und WFP brauchen 2024 etwa 13 Millionen Menschen in Äthiopien, darunter vier Millionen Binnenvertriebene, dringend humanitäre Nahrungsmittelhilfe. Vor allem Kinder und schwangere oder stillende Frauen laufen Gefahr, ernsthaft krank zu werden oder sogar zu sterben.
„Vor der Dürre war unser Leben sehr gut.“
Plan International setzt sich dafür ein, dass Millionen Kinder in Äthiopien wieder regelmäßig zur Schule gehen können. Dafür erhalten sie Lernmaterialien für den täglichen Unterricht. Wie Dabo lebt auch die 10-jährige Tume in einem Lager für Binnenvertriebene. „Vor der Dürre war unser Leben sehr gut“, erzählt sie. „Aber unser Vater ist krank und wir Kinder haben niemanden, der sich um uns kümmert.“
Als sie im Lager ankam, konnte Tume nicht zur Schule gehen. Dann bekam ihre Familie Unterstützung von Plan International. „Mit den Büchern kann ich endlich meine Schulbildung fortsetzen. Außerdem haben wir Kinder nun einen Raum, um regelmäßig mit unseren Freunden spielen zu können. Das gibt mir meine Hoffnung zurück“, fasst sie zusammen.
Die Geschichte der drei Frauen und Mädchen aus der Borena-Zone wurde mit Material aus dem Plan-Büro Äthiopien aufgeschrieben.