„Ich frage mich bis heute, warum ich mit 17 Jahren schwanger wurde“, sagt die 22-jährige Dina nachdenklich. „Mein Freund und ich haben zwar ständig miteinander geredet, aber als ich ihm erzählte, dass er Vater wird, hat er mich einfach verlassen.“ Ihr Sohn Dawens ist inzwischen fünf Jahre alt. Sie leben zusammen bei Dinas Eltern und ihrer jüngeren Schwester im südöstlichen Departement von Haiti.
Etwa 14 Prozent der haitianischen Mädchen bekommen ein Kind, bevor sie 18 Jahre alt sind, zeigen Statistiken der Vereinten Nationen. Komplikationen bei der Schwangerschaft sind die häufigste Todesursache für Mädchen in dieser Altersgruppe, da ihre Körper oft noch nicht bereit sind, ein Kind auszutragen. Wenn Kinder Kinder bekommen, besteht das Risiko, dass diese Babys zu früh geboren werden, ein zu geringes Geburtsgewicht und dadurch insgesamt schlechtere Überlebenschancen haben.
Dina arbeitet als Friseurin und bei der Maniküre, wodurch sie ein wenig zum Einkommen der Familie beitragen kann. Aber insgesamt sind ihre Lebensumstände schwierig: „Es ist nicht leicht für uns, dreimal am Tag zu essen. Normalerweise essen wir nur noch morgens und abends.“ Eine akute Versorgungskrise in dem Karibikstaat hat die Preise für Lebensmittel und Treibstoff in die Höhe getrieben und zu wachsenden Unruhen geführt, die das Land ins Chaos gestürzt haben. „Unsere Familie ist davon stark betroffen. Wir können nicht so leben, wie wir es gerne möchten. Für arme Familien wie unsere ist es noch schwieriger – wir kämpfen einfach ums Überleben“.
„Arme Familien wie unsere kämpfen ums Überleben.“
Fast fünf Millionen Menschen in Haiti haben nicht genug zu essen. Das ist fast die Hälfte der Bevölkerung, haben internationale Hilfsorganisationen analysiert. Ihren Schätzungen zufolge befinden sich mindestens 1,8 Millionen Menschen in einer Notlage, während es im September 2022 noch 1,7 Millionen waren.
Für Dina beginnt der Tag um vier Uhr früh, um sich um ihren Sohn zu kümmern und die Hausarbeit zu erledigen. Ihre Mutter und ihre Schwester kümmern sich um den kleinen Jungen, während sie in der Schule ist. „Zum Glück kann ich wieder zur Schule gehen“, sagt Dina. Erst unterbrach ihre Schwagerschaft den Schulbesuch, dann die Corona-Pandemie mit Lockdown und Ausgangsbeschränkungen. Nun hofft sie, in den nächsten zwei Jahren die Oberschule abschließen zu können.
Eine Herausforderung für Dina und ihre Familie ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser, das sie mit Chlor und Wasserreinigungstabletten aufbereiten müssen. Der Mangel an sauberem Trinkwasser hat die Choleraausbrüche im Land verschlimmert. Die politischen Unruhen beeinträchtigen das Wasserversorgungsnetz, was zu einer Zunahme der Cholera-Fälle führt und die Kapazitäten zur Behandlung der Krankheit beeinträchtigt.
„Die Zukunft meines Sohnes in Haiti ist mein Traum. Das ist mein Zuhause, und ich liebe es.“
Plan International hat auf die Krise in Haiti mit lebensrettender Hilfe für die Bedürftigsten reagiert. Mit Bargeldtransfers für Familien wie die von Dina können sie das Nötigste besorgen – und so wieder gesichert Mahlzeiten zubereiten. Außerdem werden Waschsets zur Vorbeugung von ansteckenden Krankheiten wie Cholera verteilt. Dazu dienen auch Schulungen in den Bereichen Ernährung und Schutz.
Trotz der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, blickt Dina optimistisch in die Zukunft. Sie will auf jeden Fall weiterlernen und hofft, eines Tages Krankenschwester zu werden. Sie möchte dabei helfen, Menschenleben zu retten. Ihr größtes Ziel ist es jedoch, ihrem Kind ein glückliches Leben zu ermöglichen: „Die Zukunft meines Sohnes in Haiti ist mein Traum. Das ist mein Zuhause, und ich liebe es“, sagt sie abschließend.
Marc Tornow hat Haiti bereist und die Geschichte von Dina und Dawens mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.