Im Februar haben wir mit dir Kontakt aufgenommen und dich gefragt, ob du Lust hättest, uns nach Ecuador auf eine Projektreise zu begleiten, um dir ein eigenes Bild von unserer Arbeit zu machen. Kanntest du Plan International, bevor wir dich angeschrieben haben?
Enissa Amani: Ich möchte da ganz ehrlich sein: Ich kannte Plan International vorher nicht. Was sehr schade ist, weil Plan eine sehr nachhaltige Organisation ist, die weltweit unfassbar viel Hilfe für Kinder leistet. Deswegen war es eine wahnsinnig tolle Möglichkeit mitreisen zu können. Inzwischen weiß ich, was für eine unglaublich gute Arbeit Plan International macht. Der Fokus der Arbeit liegt auf Mädchen, aber es geht generell um alle Kinder, und auch um Erwachsene ehrlich gesagt. Ich habe auf meiner Reise transparente Einsicht in alles bekommen.
Welchen Eindruck hast du von Plan International während der Reise bekommen?
Ich habe einen Einblick in die Ehrlichkeit, Herzlichkeit und Authentizität der Menschen hier bei Plan Ecuador, aber auch bei Plan Deutschland bekommen – ich durfte wirklich alles sehen! Und da möchte ich gern persönlich sagen, dass es bei Plan International nicht darum geht, einmal irgendwo Geld hinzuschicken, sondern es geht darum, dass die Organisation daran arbeitet, dass sie sich hier wieder abschaffen kann. Dass sie nicht gebraucht wird, dass die Menschen lernen, sich selbst zu helfen und dass die Gemeinden unabhängig werden – und da ist schon ganz viel passiert: Von Gesetzen, die von Teenagern durchgebracht wurden, bis hin zu Gemeinschaften, in denen Männer gelernt haben, Vaterrollen zu übernehmen, obwohl es traditionell bis dahin nicht üblich war.
Hattest du Erwartungen an diese Reise oder an Plan International, bevor du mit uns los bist?
Natürlich hatte ich eine Idee davon, was Kinderhilfswerke leisten. Ich glaube, es gibt keinen Menschen auf der Welt, der das nicht gut findet, dass es Organisationen wie Plan International gibt, die den Fokus darauf haben, Kindern auf der Welt eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Aber ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht gedacht hätte, dass man die Fortschritte der vielfältigen Projektarbeit in den Gemeinden so genau sehen kann.
Was ist dir diesbezüglich besonders im Gedächtnis geblieben?
Zum Beispiel, dass diese eine Gemeinschaft bis vor einiger Zeit noch mit Mangelernährung zu kämpfen hatte. Diese aber jetzt durch Schulungen von Plan International gelernt hat, wie sie sich wirtschaftlich selbst auf den Beinen hält, wie die Frauen unabhängig werden und wie sie Mangelernährung vorbeugen. Am Ende hängt da auch mit drin, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu Bildung bekommen. Dass das so breitgefächert ist und in den Projekten so genau geschaut wird, wie man am nachhaltigsten arbeiten kann, das wusste ich nicht. Da habe ich wahrscheinlich wie viele von außen noch die Vorstellung gehabt, dass man einfach einen Geldbetrag sammelt und dann schaut, wo die Not gerade am größten ist. Aber das macht Plan International so nicht. Es geht hauptsächlich darum, wie arbeitet man nachhaltig, wie leistet man Hilfe zur Selbsthilfe, wie hält man sich zurück.
Was hat dich besonders begeistert?
Für mich war eines der schönsten Dinge, zu sehen, dass innerhalb der Plan-Projektländer nur mit Locals gearbeitet wird. Dass das nur die Ecuadorianer:innen oder die Indigenen selber sind, die dann für Plan International hier arbeiten. Ich finde es großartig, dass genau auf sowas geachtet wird!
Gibt es ein Projekt, was dich in der Woche in Ecuador am meisten beeindruckt hat?
Ehrlich gesagt waren alle Projekte gleich schön! Mich hat in der Woche einiges beeindruckt: Von der Kultur der indigenen Gemeinschaften, über die Landschaft bis hin zu dem harmonischen Zusammenleben von Tieren und Menschen. Aber am meisten beeindruckt haben mich die Teenager aus Guamote, weil sie auf eigene Faust einen Gesetzesentwurf und später ein lokales Gesetz gegen Teenagerschwangerschaften implementiert haben. Und weil sie sehr viel aufklären gegen häusliche und sexuelle Gewalt. Besonders stark finde ich, wie viele junge Männer beziehungsweise Teenager dabei sind, die auch noch aus solchen traditionellen Strukturen kommen, wo man denkt, häusliche Gewalt wäre normal und richtig. Durch verschiedene Plan-Workshops haben sie angefangen, umzudenken. Sie lernen: Wie gehe ich mit Frauen um, warum wende ich keine Gewalt an, was bedeutet sexuelle Selbstbestimmung, warum darf ein Teenagermädchen nicht schwanger werden und was bedeutet das Trauma eines Missbrauchs psychologisch für sie? Also sie lernen das einfach so nuanciert, dass ich dachte, vielleicht könnte man davon auch ein paar Schulungen in Deutschland machen (lacht).
Hast du etwas anderes erwartet?
Ich war ehrlich überrascht, wie durchdacht und erwachsen die Teenager sind. Wie sehr sie für Veränderung und Selbstbestimmung kämpfen. Ich war in dieser Projektwoche bei Workshops dabei, in denen über Intersektionalität, Diversität und sexuelle Selbstbestimmung in einem Vokabular und einer solchen Präzession gesprochen wurde, das wirklich bemerkenswert ist. Und das liegt daran, dass hier schon jahrelang gearbeitet wird und diese Teenager dadurch auch schon sehr viel mitnehmen durften. Sie wirken sehr aufgeklärt und selbstsicher. Und deswegen haben sie mich unfassbar beeindruckt – und dann kam noch dieser für mich hoch emotional Moment, weil sie mir den originalen Gesetzentwurf geschenkt haben! Und dazu sagten: Ein Zeichen unseres Kampfes für Selbstbestimmung, das war so unglaublich schön. Das ist so unfassbar mutig und groß einfach im Alleingang ein Gesetz durchzubringen. Ein parlamentarischer und demokratischer Schritt, dieses Gesetz für sich zu erarbeiten und es dann lokal zu verankern. Das ist großartig!
Was hast du auf deiner Reise gelernt?
Wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Also zum Beispiel durch Patenschaften. Das fand ich so interessant. Für viele Menschen sind 28 Euro im Monat sicherlich zu teuer, aber ich fand die Idee schön, dass man sich in einem Freundeskreis zu siebt oder acht eine Patenschaft teilen könnte und jeder zahlt dann seine drei bis vier Euro. Diese gemeinsame Patenschaft ändert das Leben eines Kindes und dadurch auch wieder das Leben der gesamten Gemeinde. Und ich glaube, das ist etwas, was mich am meisten überrascht hat. Das natürlich auch Geld gebraucht wird, aber durch die Patenschaft langfristig die gesamte Gemeinde verändert wird.
Hat die Reise deinen Blick auf humanitäre Hilfe verändert?
Absolut. Und ich habe mir auch ein bisschen zur Aufgabe gemacht, dass Plan International mehr Aufmerksamkeit bekommt. Ich wünsche mir, dass man eine so große Organisation, die weltweit so viel hilft, kennt! Und mir hat diese Reise gezeigt, wie man Hilfe leistet. Es reicht nicht, nur zu spenden – Chapeau an alle Menschen, die das machen, großartig! Man braucht auch die Organisationen, die vor Ort sind und wissen, wie man das Geld nachhaltig einsetzt.
Ich glaube meine Vorstellung von Hilfe und Spenden war sehr viel einfacher gestrickt. Ich habe nicht gewusst, wie komplex das ist. Ich habe die Mitarbeitenden von Plan Ecuador hier gefragt, wie lange sie schon dabei sind, und das waren immer rund 20 Jahre oder mehr. Die Männer, die für Plan arbeiten kommen aus einer ganz anderen Generation, in der man es vielleicht nicht gut findet, Frauen zu empowern. Und alle haben mir so großartige Antworten gegeben und gesagt, Frauen und Mädchen sind die Zukunft. Die Jungs auch. Aber wenn die Kinder keine Zukunft haben, hat das Land keine Zukunft. Und das hat mich sehr beeindruckt, mit wie viel Herzblut sie ihre Arbeit machen und selbst immer noch Tränen in den Augen haben, wenn sie über ihre Motivation und Arbeit in den Gemeinden sprechen. Und einfach dankbar sind, dass es Plan International gibt und die Patenschaften diese ganzen Projekte finanzieren. Das war alles unfassbar beeindruckend!
Das heißt, du würdest nochmal mit Plan International auf eine Projektreise fahren?
Auf jeden Fall! Ich bin jetzt Plan International Stalker und stehe ab jetzt immer vor dem Büro und Hamburg und frage: „Wohin geht’s als nächstes?“. Ich habe einfach gemerkt, wie authentisch die Menschen von Plan hier sind und du siehst in ihren Gesichtern, dass sie was verändern wollen, du siehst die Ehrlichkeit, du siehst ihr Engagement, wie sie drei Stunden in die Highlands der Anden hochfahren, um den Menschen in der Gemeinde zu zeigen: Wir sind noch da, wir unterstützen euch! Und alle Plan-Büros weltweit gucken, was können wir denn machen vor Ort, ohne in ein White Savior-Ding reinzurutschen. Damit habe ich mich vorher auch auseinandergesetzt, mich informiert und mich beraten lassen, damit ich selbst nicht in White Saviorisim verfalle. Und das kann ich nur, indem ich erkläre, wie beeindruckt ich von den Projekten bin und zeige, dass ich auch einiges gar nicht gewusst habe. Aber eigentlich hoffe ich, dass ihr euch so schnell wie möglich abbaut. Wenn ihr weiterhin so gute Arbeit leistet, haben wir dann in 30 Jahren kein Plan International mehr. Das ist das Ziel! (lacht)
Möchtest du dich nach dieser Reise noch weiterhin für Plan International engagieren?
Ich möchte gerne weiter involviert sein und wissen, was ihr so macht. Auch in Deutschland. Und ich glaube, viele da draußen haben noch nicht von Plan International gehört und ich hoffe, dass die Organisation jetzt mehr Reichweite bekommt.
Glaubst du, dass wir irgendwann in einer gleichberechtigten und armutsfreien Welt leben?
Ich habe da eine utopische Meinung. Aber ich bin überzeugt davon, dass der Mensch grundsätzlich immer Unmögliches möglich macht. Und es eigentlich viel einfacher wäre, Armut, Ungleichheiten oder Ungerechtigkeiten abzuschaffen, als zum Beispiel Flugzeuge oder Telefone zu erfinden. Aber ich glaube, dass dahinter einfach andere Interessen und Geld stecken, als zu sagen, wie lösen wir die Armut der Welt. Es gibt leider ein stärkeres Interesse an Dingen, die man verkaufen kann, als an einer kriegsbefreiten Welt. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir es irgendwann schaffen – Inschallah! Und daher danke, dass es Plan International gibt. Denn eure Arbeit ist ja Teil davon, dass wir es schaffen, dies zu erreichen.