Mit 14 zum ersten Mal in die Schule

Foto: Lilian Mmbaga

Wie andere Mädchen in ihrer Gemeinde wurde auch Hellen ein Leben lang darauf vorbereitet, verheiratet und Mutter zu werden. Die Mitgift, die ihre Ehe einbringen könnte, schien wichtiger als Bildung. Was bleibt von den Träumen eines Mädchens in Tansania?

Jahrelang träumte Hellen davon, Lehrerin zu werden – obwohl sie noch nie in ihrem Leben ein Klassenzimmer betreten hatte. Bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr verbrachte sie die meiste Zeit damit, ihrer Mutter im Haushalt zu helfen oder auf dem Feld zu arbeiten. Schulbildung hielt ihre Familie nicht für wichtig, sondern eher für Zeit- und Geldverschwendung. Denn Mädchen werden in Tansania oft schon in der Pubertät verheiratet – und bald darauf Mütter. „Ich stand jeden Morgen am Straßenrand und sah zu, wie meine Brüder und ihre Freunde zur Schule gingen“, erzählt Hellen. „Ich wollte auch gehen, aber ich dachte: ,Die Schule sei nichts für Mädchen wie mich.' Meine Mutter wollte mich auf die Ehe vorbereiten und darauf, mich um meine Familie zu kümmern.“

Die junge Hellen steht mit ihrer Mutter vor einem Haus
Hellen (14) mit ihrer Mutter Lilian Mmbaga

Armut ist ein häufiger Grund, warum Mädchen nicht zur Schule gehen

Hellen ist eines von mehr als 1.400 Mädchen im Alter von neun bis 15 Jahren in den tansanischen Regionen Geita und Kigoma, die nicht zur Schule gehen. Sie werden im Rahmen des Projekts „Keeping Adolescent Girls in School“ („Mädchen in der Schule halten“) von Plan International gefördert. Das Projekt wird mit Unterstützung lokaler Behörden und in Zusammenarbeit mit der „Rafiki Social Development “-Organisation durchgeführt. Es bietet den Mädchen unter anderem finanzielle Hilfe, um ihnen die Teilnahme an Bildungsangeboten und den Zugang zu Aufklärung über ihre sexuellen und reproduktiven Rechte zu ermöglichen.

Ein Mädchen läuft durch grüne Felder in Tansania
Dorflandschaft in der Region Geita in Tansania Erik Thallaug

Armut ist in Tansania oft dafür verantwortlich, dass Mädchen nicht zur Schule gehen. Nur 27 Prozent der tansanischen Mädchen schließen die Sekundarstufe II ab – und unter den ärmsten Kindern sind es sogar nur sechs Prozent. Das Projekt schärft das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung insbesondere für Mädchen; durch Gemeindetreffen und Aufklärungsgespräche mit den Projektteilnehmerinnen wie Hellen sowie ihren Familien.

„Ich hätte nie gedacht, dass meine Eltern ihre Meinung über meine Verheiratung ändern würden.“

Hellen (14), Projektteilnehmerin in Tansania

Ein Sinneswandel der Eltern verändert ein Leben

Nachdem sie an einer der Gemeindeversammlungen teilgenommen und die Botschaften der Projektmitarbeiter:innen gehört hatten, begannen Hellens Eltern zu verstehen, wie wichtig die Schule auch für ihre Tochter ist. Mit der Zeit zeigten sie sich offener für die Idee und stimmten schließlich zu, dass Hellen eingeschult werden konnte. „Ich hätte nie gedacht, dass meine Eltern ihre Meinung über meine Verheiratung ändern würden“, sagt Hellen. „Aber sie haben es mir schließlich erlaubt. Jetzt gehe ich genau wie die Jungen zur Schule.“

Das junge Schulmädchen Hellen fährt Fahrrad
Mit dem Fahrrad kommt Hellen (14) zur weit entfernten Schule Lilian Mmbaga
Hellen sitzt in einer Schulbank in Tansania
Mit 14 Jahren nimmt Hellen erstmals in einer Schulbank Platz Lilian Mmbaga

Hellen nahm an einem Programm teil, das nicht nur für ein Umdenken beim Thema Bildung sorgt, es eröffnet für Kinder zwischen acht und 18 Jahren, die bislang nicht zur Schule gehen, neue Perspektiven. Ihnen wird eine Grundausbildung angeboten und dadurch ein Weg zurück in das formale Bildungssystem eröffnet.

Den Auftakt für einen gleichberechtigten Schulbesuch unterstützt Plan International und stellt den Projektteilnehmenden eine Schuluniform, Lernmaterial und ein Fahrrad für den viele Kilometer weiten Schulweg zur Verfügung. „Ich bin froh, dass ich endlich zum ersten Mal in meinem Leben eine Schule besuchen kann“, sagt die 14-Jährige. „So lang habe ich davon geträumt, in ein Klassenzimmer zu gehen und zu lernen, aber ich hätte nie gedacht, dass es für mich möglich sein würde. Jetzt habe ich die Chance, Lehrerin zu werden“, freut sich Hellen.

Hellens Geschichte ist eine Inspiration für andere Familien

Hellens Eltern sagen, dass sie seit der Einschulung eine positive Veränderung bei ihrer Tochter festgestellt haben und stolz auf ihre Leistungen sind. Ihre Geschichte ist zu einer Inspiration für andere in ihrem Dorf geworden: 13 weitere Familien erlauben ihren Töchtern inzwischen, zur Schule zu gehen. Im Januar 2023 wurden insgesamt 521 Mädchen in den kostenlosen Grundbildungszentren in Geita und Kigoma eingeschrieben.

„Viele Jahre lang wurden die Mädchen in unserer Gemeinde vernachlässigt, weil ihre Bildung als weniger wichtig angesehen wurde als die Mitgift, die sie ihren Familien einbringen kann“, sagt der örtliche Bildungsbeauftragte Masayi. „Doch mit der zunehmenden Sensibilisierung beginnt sich die Einstellung zu ändern. Dass wir weitere Mädchen einschulen konnten, ist ein vielversprechendes Zeichen. Wir haben etwas bewirkt! Aber wir haben noch einen weiten Weg für eine bessere Zukunft aller Mädchen vor uns.“

Hellens Geschichte wurde mit Material aus dem tansanischen Plan-Büro aufgeschrieben.

Das Mädchen Hellen lehnt selbstbewusst an einer Tür
Hellen (14) hat Selbstvertrauen gewonnen Lilian Mmbaga

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