Vor einem Jahr noch stand die Schulbildung der 17-jährigen Tamenech auf der Kippe: Ihre körperliche Behinderung erschwerte ihr das Gehen, sodass sie häufig nicht den Unterricht besuchen konnte. Sie wurde von ihren Mitschüler:innen ausgegrenzt und das Lehrpersonal war nicht bereit, bei schulischen Aktivitäten auf ihre Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.
Die Dinge änderten sich, als Plan International an ihrer Schule das „Yene Raey“-Projekt (deutsch: Meine Zukunft) ins Leben rief, das allen Kindern den gleichen Zugang zu Bildung ermöglichen soll. Ein besonderer Fokus liegt auf der Gleichstellung heranwachsender Mädchen, Menschen mit Behinderung und Jugendlichen aus abgelegenen Dörfern, denn für sie gibt es in Äthiopien besonders viele Hürden, wenn es um Schulbildung geht.
„Das Lehrpersonal hat erkannt, dass es wichtig ist, das Thema Behinderung nicht zu stigmatisieren, sondern offen darüber zu reden.“
Das Projekt baut diese Hürden durch verschiedene Maßnahmen ab. Tamenech beobachtet, wie sich das Verhalten der Lehrer:innen verändert hat, nachdem sie im Rahmen des Projektes geschult wurden: „Das Lehrpersonal hat erkannt, dass es wichtig ist, das Thema Behinderung nicht zu stigmatisieren, sondern offen darüber zu reden. Sie stellen auch sicher, dass ich an allen Aspekten des Schullebens teilhaben kann und schauen nicht mehr weg, wenn ich gehänselt werde.“
Neben den Erwachsenen werden auch die Jugendlichen in das Projekt miteinbezogen: Jugendclubs und Workshops adressieren die zugrundeliegenden Faktoren, die Mädchen davon abhalten, den Unterricht zu besuchen, zum Beispiel Menstruationsmanagement und frühe Schwangerschaft. Aus diesem Grund gibt es viele Aktionen rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (SRHR), und die Projektteilnehmer:innen werden selbst ermutigt, ihr Wissen weiterzugeben.
„Mir wurde so oft vermittelt, dass ich nicht normal bin. Damit ist jetzt Schluss!“
Dafür trainieren sie in Workshops, sich auszudrücken, frei zu sprechen und zu debattieren. Das hat vor allem Tamenech sehr geholfen: „Als Jugendliche mit einer Behinderung war es für mich immer schwer, meine Gedanken zu äußern und für meine Bedürfnisse einzustehen. Mir wurde so oft vermittelt, dass ich nicht normal bin. Damit ist jetzt Schluss!“
Als junges Mädchen fühlte sich Tamenech oft von ihren Freund:innen und Gemeindemitgliedern isoliert. Es gab in ihrem Umfeld kaum Menschen mit Behinderungen, die ihr als Vorbilder oder Verbündete dienen konnten. „Ich habe mir so sehr gewünscht, wie alle anderen zu sein. Es gab auch Zeiten, in denen ich ausgegrenzt wurde.“
Ein weiterer Faktor, der Mädchen häufig den Zugang zu Bildung verwehrt, ist Geld. Wenn Familien finanzielle Probleme haben, werden die Töchter eher aus dem Unterricht geholt als die Söhne, weil ihrer Bildung nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wird. Also hat das Zukunfts-Projekt vulnerable Familien identifiziert und den jungen Frauen – darunter auch Tamenech – Schafe geschenkt, die eine finanzielle Absicherung bedeuten.
Inzwischen ist die 17-Jährige Mitglied der Schüler:innenvertretung. Früher hätte sie das niemals für möglich gehalten, aber heute setzt sie sich wie selbstverständlich für marginalisierte Jugendliche an ihrer Schule ein. „Die Mitglieder der Vertretung hören mir zu und schätzen meine Perspektive. Es ist schön, Teil dieser Gemeinschaft zu sein.“
Tamenechs Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Äthiopien erstellt.