Mit dem Schweißgerät für Frauenrechte

Foto: Plan International

In Honduras können viele Mädchen nicht selbst über ihre Zukunft bestimmen. Doch Lizzy ist eine der jungen Frauen, die für ihre Rechte einstehen.

Lizzy stammt aus einfachen Verhältnissen. Die 21-Jährige lebt in einer ländlichen Gemeinde im honduranischen Bezirk Choluteca, eingesäumt von Kiefern, die in dem angenehm kühlen Klima ideale Wachstumsbedingungen genießen. Die Region liegt ganz im Süden, direkt am Pazifik und grenzt im Süden und Osten an das Nachbarland Nicaragua. Das Choluteca-Flusssystem ist die Lebensader der Gegend, die sich besonders durch ihre florierende Landwirtschaft auszeichnet. Zuckerrohr, Melonen, Süßkartoffeln und die Garnelenzucht spielen eine wichtige Rolle für die lokale Wirtschaft.

Eingeschränkter Zugang zu Bildung

Diese natürliche Schönheit mag auf den ersten Blick über die großen Herausforderungen des mittelamerikanischen Landes hinwegtäuschen. Doch für Lizzy waren sie schon in ihrer Kindheit deutlich spürbar. Vor allem das Thema Bildung bereitet vielen Mädchen und Jungen Probleme, da ihre Familien nicht über die notwendigen Mittel verfügen, um die Schul- und Materialkosten zu decken.

Gerade auf dem Land erschweren große Entfernungen gepaart mit schlechter Infrastruktur für viele Kinder und Jugendliche den Zugang zu Bildung. Wenn die Straßen in mangelhaftem Zustand sind, müssen die Schüler:innen die weiten Wege oft zu Fuß zurücklegen, wie Lizzy erzählt. In ihrer Heimatgemeinde gibt es beispielsweise nur eine einzige Schule, die bis zur sechsten Klasse unterrichtet. Wer eine weiterführende Schule besuchen will, muss entweder online lernen oder in eine andere Stadt ziehen.

Ein Portrait einer jungen Frau in pinkem Shirt, die nachdenklich in Richtung Kamera blickt
Als junge Frau hat Lizzy es in einer von Gewalt und Diskriminierung geprägten Gesellschaft nicht leicht Plan International
Choluteca Brücke in Honduras
Die Choluteca-Brücke ist heute ein Wahrzeichen der Region und erlangte Berühmtheit, als sie 1998 als einziges Bauwerk den Hurrikan Mitch überstand Carmen Amaya

„Mein Vater sagte mir, dass die Arbeit als Mechanikerin zu hart für Frauen sei.“

Lizzy (21), arbeitet heute als Industriemechanikerin

Der Traum der Industriemechanikerin

Im Fall von Lizzy war es so, dass sie nur an den Wochenenden zur Schule gehen konnte. „Das lag zum einen daran, weil für mehr das Geld nicht gereicht hat, und zum anderen, weil ich unter der Woche keine Möglichkeit hatte, zur Schule zu kommen“, erklärt sie. Doch davon ließ sich das zielstrebige Mädchen nicht beirren. Durch ihre Entschlossenheit und harte Arbeit hat sie schließlich ihr Fachabitur in Informatik geschafft.

Allerdings war ihr großer Traum schon immer, später Mechanikerin zu werden. Deshalb beschloss sie kurzerhand, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und sich nochmal weiterzubilden. Jetzt macht sie ihr technisches Abitur in Mechanik, was ihr sichtlich Freude bereitet: „Ich arbeite viel im Bereich Industriemechanik. Dazu gehört Schweißen, Schleifen, Metallteile herstellen und sie an der Drehbank in Form bringen“, sagt sie voller Begeisterung.

Brennpunkt Honduras

Die honduranische Wirtschaft stagniert seit Jahrzehnten auf niedrigem Niveau, mehr als 60 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze. Diese Perspektivlosigkeit setzt vor allem den Jugendlichen zu und treibt sie in die Arme von kriminellen und gewalttätigen Straßenbanden, die Honduras fest im Griff haben. Die Folge: Seit Jahren führt das Land die weltweite Kriminalitätsstatistik an. Die Mordrate ist eine der höchsten in ganz Lateinamerika – vor allem, was die Femizide, also die Morde an Frauen, betrifft.

Junge Frau in Jeans und blauer Arbeitsjacke sitzt an einer Drehbank zur Bearbeitung von Metall
Lizzy an der Drehbank, mit der sie verschiedene Metallteile bearbeitet Plan International
Junge Frau mit blauer Arbeitsjacke hinter einem Hochdruckreiniger und dessen Verpackungskarton
Auch den Hochdruckreiniger hat Lizzy inzwischen voll im Griff Plan International

Leicht wurde Lizzy die Entscheidung zur Weiterbildung jedoch nicht gemacht. Bei ihrer Familie stieß die Karrierevorstellung der jungen Frau auf kategorische Ablehnung. „Es hat mich viel gekostet, diesen Weg einzuschlagen, denn meine Familie wollte nicht, dass ich Mechanik studiere“, gibt sie zu. „Mein Vater sagte mir, dass das für Frauen eine zu harte Arbeit sei.“ Aber Lizzy hat an ihrem Traum festgehalten und sich am Ende durchgesetzt.

Die Situation für Frauen in Honduras 

In Honduras erschweren Diskriminierung und Ungleichheit Frauen häufig den Zugang zu einem menschenwürdigen Leben. Von Kindheit an wird ihnen das Recht verweigert, eigene Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen. Die zusätzliche Belastung der Hausarbeit schränkt außerdem ihre Möglichkeiten auf Bildung massiv ein und hindert sie daran, später einen gesicherten Beruf zu ergreifen. 

Die Folge: Sie haben kaum Chancen auf ein existenzsicherndes Einkommen. In Lateinamerika und der Karibik hat jede dritte Frau kein eigenes Einkommen. Das bedeutet, sie wird für ihre Arbeit nicht bezahlt, hat keinen sozialen Schutz und keine staatliche Unterstützung. Das macht sie abhängig von ihren Ehemännern und Familien. Oder hält sie, wie Lizzy selbst erfahren hat, davon ab, in von Männern dominierte Berufe einzusteigen.

Doch Lizzy blieb hartnäckig. Sie wollte sich und ihrem Umfeld beweisen, dass auch Frauen alles erreichen können, was sie wollen. Durch die Teilnahme am Patenschafts-Programm von Plan International hatte sie auch die Mittel, um dieses Potenzial auszuschöpfen.

„Ich werde weiterhin hart daran arbeiten, mein Unternehmen fest in den Köpfen der Menschen zu etablieren.“

Lizzy (21), Industriemechanikerin im ländlichen Honduras
Junge Frau in Arbeitsjacke und Jeans steht an einem Tisch mit Schweißgerät und trägt einen Schutzhelm
Arbeitssicherheit geht vor - deshalb trägt Lizzy bei ihren Schweißarbeiten auch immer einen Schutzhelm Plan International

Unterstützung von Plan International

„Seitdem ich volljährig bin und meine Patenschaft zu Ende ging, arbeite ich als Freiwillige für Plan International“, erzählt Lizzy stolz. „Zusammen mit anderen Freiwilligen aktualisiere ich Informationen, mache Fotos, helfe Patenkindern beim Schreiben von Briefen und übergebe ihnen Schulmaterialien.“ Die Kinderrechtsorganisation hat ihr zudem bei der Entwicklung eines Geschäftsplans geholfen und ihr Startkapital gegeben, um ihre erste eigene Werkstatt einzurichten.

Darin stellt die Mechanikerin unter anderem Tore, Türen, Balkone und Metallzäune her und führt bei Motorrädern Öl- oder Kupplungswechsel durch. Ihre Zukunftspläne hat die 21-Jährige dabei immer fest im Blick: „Ich werde weiterhin hart daran arbeiten, Aufträge an Land zu ziehen, damit sich mein Unternehmen in den Köpfen der Menschen etabliert. Damit würde ich mir den Traum erfüllen, den ich mir seit meiner Kindheit so sehr wünsche“, sagt sie.

Chancen für junge Menschen

Die Förderung, die Lizzy für ihre Werkstatt bekam, stammt aus dem Projekt „Generación con Oportunidades“ („Generation mit Chancen“). Das Ziel: jungen Menschen, insbesondere Frauen, wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglichen. Dazu erhalten sie von Plan International Zugang zu Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Außerdem schafft die Kinderrechtsorganisation durch strategische Allianzen mit Unternehmen gezielt Arbeitsplätze für gesellschaftlich benachteiligte Gruppen.

Durch diese Maßnahmen trägt das Projekt dazu bei, dass weniger Mädchen und Jungen die Schule abbrechen, dass junge Menschen ihre Ausbildungen zu Ende führen und sich später eine menschenwürdige Existenz aufbauen können. Das soll die bestehenden Ungleichheiten und Diskriminierungen in der Region Choluteca, von denen hauptsächlich Frauen betroffen sind, verringern.

Lizzy ist der lebende Beweis, dass die Strategie aufgehen kann. Mit ihrer Entschlossenheit inspiriert sie andere Mädchen und junge Frauen in ihrer Gemeinde – worauf sie auch sehr stolz ist. „Den Mädchen in meiner Gemeinde und allen anderen Mädchen, die weltweit benachteiligt sind, möchte ich sagen: Gebt nicht auf! Wir müssen weiter für unsere Träume kämpfen, denn nur weil wir Frauen sind, hindert uns das nicht daran, unsere Ziele zu verwirklichen“, schließt die Mechanikerin.

 

Die Geschichte von Lizzy wurde mit Material aus dem honduranischen Plan-Büro erstellt.  

Helfen Sie mit einer Patenschaft

Wir unterstützen unsere honduranischen Partnergemeinden dabei, Kindern ein sicheres und gerechtes Umfeld zu bieten. Beispielsweise klären wir Lehrkräfte und Jugendliche über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte auf und bestärken sie darin, dieses Wissen weiterzugeben. Um Mädchen und Frauen die Teilhabe an Gemeindeaktivitäten und politischen Entscheidungen zu ermöglichen, sensibilisieren wir außerdem auf allen Ebenen für das Thema Geschlechtergerechtigkeit.

Mit einer Patenschaft helfen Sie uns dabei, die Kinder und Gemeinden in Honduras langfristig zu unterstützen.

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