Es ist frisch an diesem Tag und es nieselt leicht, als Christian Prokop am Haus von Chi Ra eintrifft. Das Haus von Chi Ras Familie steht ein wenig außerhalb der Gemeinde auf einem Berg. Nur mühsam können die Lasten-Mopeds die Straße, die vorbeiführt, erklimmen. Ganz zaghaft begrüßen sich Christian Prokop und Chi Ra zunächst. Um sie herum suchen ein paar Hühner gackernd nach Futter, drei wollige Welpen tollen mit ihrer Mutter und ein schwarzes Schwein döst in seinem Pferch. Dann bittet Chi Ras Mutter Thi Thom den Gast in das kleine Haus.
Chi Ra lebt in einem der 292 Dörfer, in denen Plan International in dem Programmgebiet nahe der Grenze zu Laos arbeitet. Das Gebiet liegt im zentralen Hochland von Quang Tri, ungefähr 130 Kilometer von der alten Haupt- und Kaiserstadt Huế entfernt. Die Lage der Dörfer weitab in den Bergen bereitet der Bevölkerung hier viele Schwierigkeiten. Die Menschen gehören einer ethnischen Minderheit an. Die wenigsten sprechen Vietnamesisch, sondern nur die Sprache ihrer Volksgruppe und haben deshalb nur wenig Zugang zu Bildung, da in den Schulen vornehmlich auf Vietnamesisch unterrichtet wird.
88 Prozent der Menschen leben hier in Armut, die meisten von der Landwirtschaft. Doch wegen des Klimawandels kam es bereits in den vergangenen Jahren zu einem deutlichen Rückgang der Erträge. Aufgrund von einseitiger Ernährung ist ein Drittel der Kinder unter zwei Jahren mangelernährt und deshalb für ihr Alter zu klein. 64 Prozent der Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zehn Prozent der Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren sind bereits verheiratet. In Folge dessen brechen viele die Schule ab.
Plan International nimmt sich dieser Herausforderungen an, baut und renoviert Schulen, bildet Lehrkräfte aus, errichtet Wasser- und Abwassersysteme, unterstützt Mütter bei der gesunden Ernährung ihrer Kinder und klärt über die Folgen von Frühverheiratung und Teenager-Schwangerschaften auf. Durch die Unterstützung von Plan International weiß auch Thi Thom, dass Chi Ra erst die Schule beenden soll. Das neunjährige Mädchen wohnt mit ihren Eltern und ihren vier Geschwistern in einem gemauerten Zwei-Zimmer-Haus mit Blechdach. Die Familie verdient ihren Lebensunterhalt als Kleinbauern. Chi Ra besucht die Grundschule der Gemeinde, zu der sie täglich 45 Minuten einen Berg hinunter und wieder raufgehen muss. Aber heute hat sie frei, um ihren Paten Christian Prokop zu treffen.
„Es ist beeindruckend zu sehen, was Plan International nachhaltig in der Region bewirkt.“
Gemeinsam mit ihrer Mutter hat Chi Ra Mittagessen für den Besucher zubereitet. Es gibt traditionell Reis, Hühnchen und Cassava und Chi Ra zeigt dem Bundestrainer, wie man selbst das kleinste Reiskorn mit den Stäbchen greifen und essen kann. Nach ein paar Versuchen zeigt er sich ziemlich fingerfertig. Mit Hilfe der Dolmetscherin von Plan International erzählt Christian Prokop, dass er auch zwei Kinder hat und dass er gerne Sport macht – ganz besonders Handball. Beim Tee überreicht er Chi Ra ein paar Geschenke, die er ihr aus Deutschland mitgebracht hat: ein kleines Armband, ein Heft mit Stickern und ein Mäppchen mit jeder Menge Stifte für die Schule. Wie einen Schatz hütet sie die Mitbringsel von ihrem Paten vom anderen Ende der Welt.
Wer er ist, kann Chi Ra trotz Erklärungen nicht so recht begreifen. Also schnappt sich Christian Prokop einen Handball und geht mit Chi Ra in den Hof des Hauses. Dort wartet tatsächlich schon ihre beste Freundin auf sie und zu Dritt spielen sie ein bisschen mit dem kleinen Ball. „Wir haben uns den Ball hin und her geworfen und auch die Freundin von Chi Ra war gleich mit von der Partie“, erzählt Christian Prokop. „Da sieht man wieder einmal, wie schnell so ein kleiner Ball auch ohne gemeinsame Sprache verbinden kann.“
„Es motiviert mich, stellvertretend für den deutschen Handballbund Plan International zu unterstützen. Ich kann es nur jedem, der die Möglichkeit hat, empfehlen, eine Patenschaft zu übernehmen.“
Chi Ra möchte Christian Prokop auch etwas zeigen und gemeinsam machen sie sich auf den Weg zu Chi Ras Schule. Hier besucht sie jeden Vormittag den Unterricht. Nachmittags lernen hier die älteren Schülerinnen und Schüler lesen, schreiben und rechnen. Aber heute gibt es eine Programmänderung. Handball-Bundestrainer Christian Prokop wird erst mal mit einem Lied begrüßt, bevor er sich zu Chi Ra in die Bank setzt und sich gemeinsam mit ihr einem Lehrbuch widmet.
Danach muss Christian Prokop sich schon wieder verabschieden – der Abschied ist längst nicht mehr so verhalten, wie noch die Begrüßung. Er verspricht, Chi Ra bald zu schreiben und freut sich jetzt schon darauf, seiner Familie von dem Besuch zu erzählen und Fotos zu zeigen. „Es ist beeindruckend zu sehen, was Plan International nachhaltig in der Region bewirkt“, zieht der Bundestrainer Resümee. „Es motiviert mich, stellvertretend für den deutschen Handballbund weiterhin Plan International zu unterstützen. Ich kann es nur jedem, der die Möglichkeit hat, empfehlen, eine Patenschaft zu übernehmen und sich vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten zu machen.“