Ausnahmesituation in Xi'an
Nicht immer läuft bei Patenkindbesuchen alles wie geplant: Kurz bevor Eunike Erbe aus Heidelberg nach China reist, bricht in der Region ihres Patenkindes eine Seuche aus. Ein Ausnahmezustand! Dennoch kommt es zu einem Treffen mit der 13-jährigen Sannu - außerhalb der Region. Eunike Erbe berichtet:
Patenkindbesuch bei Sannu
Die Inlandflüge sind bereits gebucht. Kurz bevor es losgehen soll, erfahren wir, dass in der Region, in der mein Patenkind Sannu lebt, eine Seuche ausgebrochen ist. Die Einreise und der Besuch in der Gemeinde von Sannu und ihrer Familie ist daher unmöglich. Mein Bruder Tobias, der in Shanghai als Sinologe arbeitet, und ich sind zunächst ratlos. Engagiert reagieren die Mitarbeiter der Patenbesuchsbetreuung in Hamburg und Frau Lanlan von Plan China in Xi’an. Nach einem regen E-Mailwechsel wird eine Alternative gefunden: Da Sannu sich zurzeit nicht im Gebiet des Seuchenausbruchs aufhält, wird es uns ermöglicht, sie außerhalb der Region zu treffen. Leider haben wir so nicht die Gelegenheit, mit eigenen Augen zu sehen, was Plan in Xi’an aufgebaut und erreicht hat.
Dieses Treffen ist eine absolute Ausnahme, denn in der Regel finden Begegnungen zwischen Paten und Patenkind ausschließlich in der Gemeinde des Patenkindes statt. Das hat seinen Grund: Plan übernimmt die Verantwortung für den Schutz der Kinder - und vermeidet es, sie aus aus der geschützten Umgebung ihrer Gemeinde herauszureißen.
Teenager im Tretboot
Sannu ist 13 Jahre alt, nach chinesischer Rechnung 14, das dritte Kind ihrer Eltern und ein richtiger Teenager. In China sind drei Kinder in einer Familie nicht erwünscht. Einzige Ausnahme bilden die Minoritäten (etwa sieben Prozent der Bevölkerung) - hier können es auch mehrere Kinder sein, ohne dass die Eltern für ihren Schulbesuch zahlen müssen. Zu Beginn unserer Begegnung ist Sannu noch sehr still. Man merkt ihr an, dass sie so viel Aufmerksamkeit nicht gewöhnt ist. Da sie zum Plan-Einzugsgebiet gehört, müssen ihre Eltern nicht für die Ausbildung ihres dritten Kindes aufkommen. So spricht sie Englisch und vor allem: Nach einer Gewöhnungsphase ist sie erstaunlich präsent und selbstbewusst, mutig und engagiert. Schönes Beispiel: Von den Plan-Mitarbeitern angeregt, machen wir eine gemeinsame Tretbootfahrt. Für Mutter und Tochter das erste Mal, beide können nicht schwimmen. Während der Mutter die Sache nicht ganz geheuer ist, tritt Sannu kräftig in die Pedale - und das die ganze Fahrt über. Man sieht ihr die Freude an. Das hier ist ganz neu für sie.
Lunch mit Fried Chicken
Die Mitarbeiter von China gehen gut mit der Situation um - und auch Sannu beteiligt sich rege. Da wir nicht, wie ursprünglich geplant, den Einwohnern des Dorfes Lebensmittel mitbringen können, schlagen wir den Besuch eines Restaurants vor. Wir bitten Sannu, sich selbst ein Gericht auszusuchen. Sie wählt das Günstigste, damit wir nicht so viel Geld für sie ausgeben. Mein Bruder, der Chinesisch spricht, übernimmt die Bestellung für alle, sodass auch Sannu und ihre Mutter mit gutem Gewissen verschiedene Dinge probieren können. Sehr gerührt bin ich auch von Sannus Mutter: Wiederholt greift sie nach meiner Hand, glücklich, dass ihre Tochter für uns genauso zählt, als wäre sie ihr einziges Kind.
Selbstbewusst durchs Leben
Um die Arbeit von Plan vor Ort kennen zu lernen, werden wir einen zweiten Besuch machen müssen. Um die Wirkung der Arbeit von Plan auf ein Kind zu erfahren, hat dieser Besuch gereicht - und uns überzeugt. Wir sind sehr froh, dass uns die Begegnung mit Sannu trotz der Umstände ermöglicht wurde. In diesem Zusammenhang fallen mir wiederholt Berichte von Plan ein: Kinder bestimmen mit, ihre Stimme zählt. Sie werden von den Mitarbeitern ermutigt, mit zu überlegen, was gebraucht wird und was sinnvoll ist für das Zusammenleben einer Gemeinschaft. Genau so wirkte Sannu auf mich: Sich ihrer selbst und der Menschen um sie herum bewusst. Sie möchte Ärztin werden und auf diese Weise ihren Teil zur Gemeinschaft beitragen. Sannus Mutter kommt vom Land und aus ganz einfachen Verhältnissen. Ohne die Unterstützung von Plan wäre sie kaum in der Lage gewesen, ihrer Tochter so viel Selbstvertrauen mit auf den Weg zu geben.