Auf der Flucht vor Hunger und Gewalt

Foto: Nelson Pacheco

Anhaltende Bandengewalt, politische Instabilität und der wirtschaftliche Zusammenbruch in Haiti haben eine schwere humanitäre Krise ausgelöst.

In der Weltöffentlichkeit weitgehend unsichtbar bleibt das Bild eines Landes, das wie in einem Kreislauf aus Gewalt, Vertreibung, Hunger und Naturkatastrophen gefangen scheint. In Haiti kommt es vor allem in der Region der Hauptstadt Port-au-Prince zu Überfällen, Entführungen – bis hin zu Vergewaltigungen und Tötungsdelikten. Überall im Land, wo bewaffnete Gruppen Gewalt gegen die Bevölkerung ausüben, reißen sie Familien auseinander.

Kinder sind gezwungen, alles zurückzulassen

Kinder und Jugendliche sind oftmals gezwungen, zu fliehen und alles zurückzulassen, sogar die eigenen Eltern. Da grundlegende Bedürfnisse wie Gesundheitsfürsorge, sauberes Wasser, Schulen oder Schutz nicht mehr gedeckt werden können, besteht für sie eine akute Gefahr von Ausbeutung und Missbrauch. Mädchen sind insbesondere von sexuellen Übergriffen, Frühverheiratung und früher Schwangerschaft betroffen, Jungen werden zum Teil als bewaffnete Kämpfer von rivalisierenden Banden rekrutiert.

Ein Mädchen in Schuluniform
Hunger ist allgegenwärtig: Ein Mädchen im Süden von Haiti Nelson Pacheco
Eine schmale Teerstraße zwischen Palmen
Über die Fernstraße No.2 rollt im Regelfall der Verkehr von Port-au-Prince in den Westen und Süden Haitis. Sie wird aktuell von bewaffneten Banden kontrolliert Marc Tornow

Die Nahrungsmittelknappheit wird zur akuten Hungerkrise

Viele Erwachsene in Haiti lassen ihre Mahlzeiten ausfallen, damit ihre Töchter und Söhne essen können. Doch selbst mit diesen drastischen Einschränkungen hat die Unterernährung von Säuglingen und Kindern in dem Karibikstaat ein kritisches Niveau erreicht. Die Gefahr des Verhungerns ist nach UN-Angaben bei etwa 6.000 Menschen unmittelbar. 5,4 Millionen Menschen sind von einer akuten Ernährungsunsicherheit betroffen, das entspricht fast der Hälfte der Bevölkerung (48 Prozent).

Zusätzlich erschwert die marode Infrastruktur in Haiti regelmäßige Lieferungen von Hilfsgütern in alle Regionen des Landes. Um Leben zu retten, ist jedoch ein ungehinderter Zugang für humanitäre Hilfe unerlässlich. Dabei sind die von extremer Unterernährung betroffenen Kinder nicht nur auf Nahrungsmittellieferungen, sondern auch medizinische Hilfe angewiesen.

Mutter und Tochter laufen in einem Dorf
Humanitäre Hilfe von Plan International Haiti erreicht Familien in abgelegenen Regionen Nelson Pacheco

Gezielte humanitäre Hilfe für besonders bedürftige Familien

Plan International Haiti reagiert seit Juli 2022 auf die eskalierende Hungerkrise und kooperiert mit lokalen Partnerorganisationen, um für die Sicherheit und das Wohlergehen von Kindern zu arbeiten – auch trotz der allgemein eingeschränkten Bewegungsfreiheit im Land.

Die Plan-Teams haben Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel verteilt sowie an Ausgabestellen kinderfreundliche Räume eingerichtet, in denen Mädchen und Jungen spielen und psychosoziale Unterstützung erhalten können. Parallel organisiert die Kinderrechtsorganisation medizinische Untersuchungen, um den Gesundheitszustand von Kindern auch hinsichtlich einer drohenden Unterernährung zu erkennen.

Im Plan-Büro werden Nothilfepakete verteilt
Nathalie (17) und ihr Baby sind vor der Bandengewalt in Port-au-Prince geflohen. Plan-Teams stellen ihr ein Set für die Versorgung ihres Säuglings zur Verfügung Plan International

Die humanitäre Hilfe umfasst Lebensmittel und medizinische Unterstützung sowie Maßnahmen für den Kinderschutz

In Trainings klären Plan-Teams Gemeindemitglieder und Führungskräfte über die Kinderrechte auf und informieren darüber, welche Bedeutung der Schutz von Minderjährigen auch und gerade während der anhaltenden Versorgungskrise und Bandengewalt hat. Dafür arbeitet Plan International auch mit den örtlichen Behörden zusammen, um Missbrauch oder Vernachlässigung von Kindern zu verhindern.

Als weiteres Instrument haben sich unbürokratische Geldtransfers bewährt. Sie sind dahingehend organisiert, den Bedürfnissen von Mädchen und Jungen Vorrang zu geben und sicherzustellen, dass die Gelder zum Wohle der Kinder und ihrer Familien verwendet werden.

Ein junges Mädchen in einer Holzhütte
Barbara (13) aus dem Süden Haitis bereitet eine Mahlzeit zu Nelson Pacheco

Forderung nach weitergehender humanitärer Hilfe

Die derzeitige sozioökonomische Krise hätte durch rechtzeitige internationale Unterstützung und Intervention vermieden werden können, sind sich Fachleute internationaler Hilfsorganisationen in Haiti einig. Kein Kind sollte aufgrund eines politischen Konflikts, eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs oder einer Naturkatastrophe Hunger erleiden müssen.

Plan International fordert daher, mehr Schulspeisungen in Haiti durchzuführen – nicht nur, um für bedürftige Kinder Mahlzeiten bereitzustellen, sondern auch, um sie in der Schule vor Kinderarbeit und -handel zu schützen. Für Jugendliche sollten Aktivitäten zur Ernährungssicherung geschaffen werden, zum Bespiel durch gemeinschaftlich angelegte Gemüsegärten oder berufsbildende Maßnahmen. Das soll junge Menschen in die Lage versetzen, selbstständig für ihre Zukunft sorgen zu können – auch in Zeiten anhaltender Gewalt, politischer Instabilität und eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

Marc Tornow hat Haiti bereist und den Bericht über die aktuelle humanitäre Lage in dem Karibikstaat mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro zusammengestellt.

Nothilfe in der Hungerkrise

Die Welt erlebt zurzeit eine der verheerendsten Hungerkrisen. Es besteht ein dringender Bedarf an humanitärer Hilfe, um die Hungersnot abzuwenden. Wir von Plan International unterstützen mit unserer Hunger-Nothilfe Kinder und ihre Familien in acht unserer Programmländer, wo die Krise bereits ein dramatisches Ausmaß angenommen hat: In Haiti sowie Äthiopien, Burkina Faso, Kenia, Mali, Niger, Somalia und Südsudan. Wir stellen unter anderem dringend benötigte Lebensmittel zur Verfügung und ermöglichen medizinische Versorgung und Betreuung. Sie können uns dabei helfen – mit einer Spende!

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