Plan Post: Kentin, du spielst ab dieser Saison wieder in der deutschen Handballbundesliga. Was wird die größte Herausforderung?
Kentin Mahé: Es gibt viele Herausforderungen, die auf mich zukommen! Ich werde zum Beispiel der älteste Spieler sein. Das war ich noch nie in meiner Karriere. Ich werde mit Jungs spielen, die deutlich jünger sind – zehn Jahre und mehr. Da muss ich erst mal mit klarkommen. Ich habe sicherlich auch eine Vorbildfunktion, ob ich der Richtige dafür bin, weiß ich nicht (lacht). Aber ich freue mich sehr, wieder in der Bundesliga zu sein. Das ist immer noch die beste Liga der Welt und da wieder mitzumischen, das macht Spaß. Und der Einsatzwillen der jungen Generation macht mich auch wieder hungrig – man will ja auch weiterhin auf dem Zug bleiben und nicht aufs Abstellgleis geraten.
Als erfolgreicher Handballer bist du ein Vorbild für viele junge Menschen. Wie fühlst du dich mit dieser Vorbildfunktion und was ist dir dabei wichtig?
Das ist schwer zu sagen. So ganz greifen kann man das nicht, aber man weiß, wie es für einen selbst war, wenn man andere angeschaut hat und versucht hat, sie im Training in ihren Bewegungen nachzuahmen. Bei Social Media schreiben mir häufig Fans, denen es so geht. Ich versuche immer, ihre Fragen zu beantworten. Ich glaube, als Vorbild ist es wichtig, ein gutes Image zu präsentieren. Nicht immer nur ein Arschloch auf dem Spielfeld zu sein, sondern auch mal ins Gespräch zu kommen. Das ist auf dem Spielfeld nicht immer so einfach, denn Handball lebt sehr von Emotionalität und ich bin ein sehr emotionaler Spieler. Mein Leitfaden war, immer diszipliniert im Training zu sein und immer ein bisschen mehr zu geben, als von mir verlangt wurde.
Kinder brauchen Vorbilder, das ist ein wichtiges Thema in meinen Augen. Ich hätte mir früher gewünscht, ein bisschen mehr an die Hand genommen zu werden. Ich hatte durch meinen Vater einen guten Zugang zu Stars, daran hat es nicht gemangelt, aber was ich mir gewünscht hätte, wäre ein Mentor gewesen. So jemanden zu haben, das bringt einen als junger Mensch voran.
„Kinder brauchen Vorbilder, das ist ein wichtiges Thema in meinen Augen.“
Gerade waren die Olympischen Spiele in Paris – du hast es leider ganz knapp nicht in den finalen Kader des französischen Teams geschafft. Damit hatte vermutlich niemand gerechnet! Wie ging es dir danach?
Mir ist, um ehrlich zu sein, bei der Bekanntgabe des 17er-Kaders der Himmel auf den Kopf gefallen. Man fängt ja schon ein Jahr vorher an und ändert viel, um leistungsfähiger zu sein. Ernährungstechnisch, trainingstechnisch, auch im mentalen Bereich und so weiter. Alles, damit ich in bestmöglicher Verfassung in die Vorbereitung starten kann. Und dann wird einem dieser Traum geraubt. Bitte nicht falsch verstehen, jeder Einzelne, der in diesem Kader steht, hat sich seinen Platz verdient, aber zum ersten Mal seit zehn Jahren aus der Mannschaft ausgeschlossen zu sein schmerzt sehr.
Wie gehst du generell mit Enttäuschungen um?
Mein Leben als Sportler besteht, so gesehen, häufig aus „sich aufs Neue zu beweisen“. Trotz eines guten Spiels muss man auch in der nächsten Partie kurze Zeit später wieder Vollgas geben und die bestmögliche Leistung abrufen. Dadurch würde ich behaupten, dass wir „trainiert“ darin sind, uns nach einer Frustration oder eines Rückschlags wieder aufzuraffen und aufzustehen. Der Alltag mit meiner Familie und meinen Kindern, persönliche Projekte und das neue Kapitel in meinem neuen Verein helfen mir zurzeit, die Enttäuschung meiner Nicht-Nominierung zu überstehen.
Hast du schon Pläne für die Zeit nach deiner aktiven Karriere?
Das werden wir sehen. Eigentlich habe ich meiner Familie versprochen, dass ich kein Trainer werde, weil man dann wieder am Wochenende eingespannt ist und man eigentlich auch viel mehr Verantwortung hat. Andererseits sind wir als Spieler Experten in der Materie und machen das dann seit 15, 20 Jahren auf höchstem Niveau…
Aber ich habe sehr viele Ideen. Ich begeistere mich zum Beispiel für Coachings und Fitness und könnte mir etwas in diese Richtung vorstellen. Vielleicht mache ich aber auch ein Business mit meiner Frau, ein Blumengeschäft oder ein Café oder etwas in diese Richtung. Eigentlich habe ich immer gesagt, dass ich nach meiner Karriere Briefträger sein möchte. Im Spaß, aber ein bisschen Ernst ist da auch dabei: Draußen sein, Bewegung, Fahrrad fahren, die Gemeinschaft kennenlernen, Nachbarschaft pflegen in einem kleinen Dörfchen – ich glaube, das kann mir gut gelingen und liegt mir auch gut.
„Engagement für Gleichberechtigung ist mir wichtig, weil allen die gleichen Türen geöffnet werden sollten.“
Du bist Vater von zwei Kindern – ein weiterer Grund, warum du dich für Plan International und Gleichberechtigung engagierst. Warum ist dir dieses Engagement so wichtig und was wünschst du dir für die Zukunft deiner Tochter?
Mein Engagement für Gleichberechtigung als Botschafter für Plan International ist mir wichtig, weil ich finde, dass allen die gleichen Türen geöffnet werden sollten. Man wird mehr dafür sensibilisiert, wenn man selbst Vater beziehungsweise Eltern geworden ist, vor allem von einer Tochter. Man wird sich bewusst, welche Gefahren es gibt, auf welche Opportunitäten sie demnächst treffen wird und welche Chancen und Hürden es für sie im Leben geben wird. Aus Erfahrung würde ich sagen, dass das definitiv mehr sind als bei Jungen. Unsere Tochter schlägt sich gut, wir sind stolz auf sie und versuchen, sie zu begleiten. Ich wünsche mir für sie, dass sie möglichst wenig stolpert und immer wieder aufsteht. Das ist vermutlich ein täglicher Kampf für Mädchen und Frauen.
Umso wichtiger ist es, dass Menschen – und vor allem auch Männer – für dieses Thema einstehen. Danke dir für deinen Einsatz und für das Gespräch!