Als junge Mutter und Vormund für vier jüngere Geschwister hat Sandy (19) alle Hände voll mit der Versorgung ihrer Familie zu tun. Sandy lebt dennoch glücklich mit ihrem Mann in der Nähe ihrer Eltern und Geschwister. Doch im Juni 2022 bricht ein bewaffneter Konflikt im südsudanesischen Bundesstaat Upper Nile aus – und zwingt sie und ihre Liebsten schließlich zur Flucht.
Sandy, die zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Tochter schwanger ist, kann zusammen mit ihren vier Geschwistern fliehen, aber ihr Mann und ihre Eltern entkommen dem Kämpfen zwischen zwei rivalisierenden Milizen in eine andere Richtung. „Ich habe jeden Kontakt zu meinen Eltern und meinem Mann verloren“, sagt Sandy. „Wir haben seit über fünf Monaten nichts mehr voneinander gehört. Jetzt kümmere ich mich allein um die Kinder.“
„Ich habe jeden Kontakt zu meinen Eltern und meinem Mann verloren.“
Mit der Eskalation des Konflikts im südsudanesischen Bundesstaat Upper Nile steigt seit dem Sommer 2022 die Zahl der Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben werden und auf humanitäre Hilfe angewiesen ist. Die Mehrheit von ihnen sind Frauen und Kinder. Von denen berichten viele, dass sie sich während der Angriffe im Buschland oder entlang des Flusslaufs des Weißen Nils verstecken mussten. Viele haben ihre Häuser verloren und wurden wie Sandy von ihren Familien getrennt. Und seit im April 2023 im benachbarten Sudan neue Kämpfe ausgebrochen sind, fliehen von dort aus weitere Menschen nach Südsudan, was die humanitäre Versorgung in dem ostafrikanischen Land vor neue Herausforderungen stellt.
Die 19-Jährige lebt jetzt in einem Lager für Binnenvertriebene in einem benachbarten Distrikt. Sandy kämpft darum, alle Kinder zu versorgen, für die sie die Verantwortung trägt. Die Familie lebt von dem Geld, das sie durch den Verkauf von gesammeltem Brennholz und gemahlenem Sorghum – einer Art Hirse – auf dem Markt des Lagers verdient. Das Einkommen aus diesen Tätigkeiten reicht gerade aus, um das Nötigste zu kaufen.
Vor ein paar Monaten brachte Sandy ihre Tochter zur Welt. Während des Krankenhausaufenthalts erhielt sie angereicherte Nahrungsergänzungsmittel, um den Nährwert ihrer Muttermilch zu erhöhen. „Diese Nahrung reichte für die Kinder und mich. Ich zweigte etwas davon ab, um es auf dem Markt zu verkaufen, damit ich Geld für Schulgebühren und andere wichtige Dinge hatte“, sagt Sandy.
Das ostafrikanische Südsudan wurde 2011 als einer der jüngsten Staaten der Erde gegründet und leidet unter einer schweren Hunger- und Sicherheitskrise. 9,4 Millionen Menschen in dem Land sind auf Hilfe angewiesen, das entspricht laut UN-Angaben einer Zunahme vom sechs Prozent gegenüber März 2022.
Seit November 2022 verteilte Plan International – nach einer umfassenden Bedarfsanalyse – Bargeldtransfers an 1.500 Haushalte. Diese stellen eine der effizientesten und wirksamsten Möglichkeiten zur Unterstützung von Menschen dar, die zur Flucht gezwungen sind – insbesondere in sich schnell verändernden Notsituationen. Die begünstigten Menschen können selbst entscheiden, was sie einkaufen möchten und behalten ihre Unabhängigkeit. Darüber hinaus finanzierten Plan-Partner die Vergabe von Saatgut an 500 Haushalte.
Salah Reuben, Projektleiter von Plan International Südsudan, erklärt, dass die Verteilung von Saatgut den vertriebenen Familien helfen wird, den Ackerbau wieder aufzunehmen: „Damit können sich die Menschen von der unsicheren Versorgungslage erholen, selbst für Nahrung und ein kleines Einkommen sorgen.“
Plan International arbeitet mit der örtlichen Landwirtschaftsbehörde zusammen, um zu verhindern, dass die begünstigten Personen das ausgegebene Saatgut essen, anstatt es anzubauen. In verschiedenen Schulungen informieren Teams der Kinderrechtsorganisation über die produktivsten Anbaumethoden. „Unsere Idee ist es, ihnen die Fähigkeiten zu vermitteln, um die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit sowie die Wirkung von Regenzeiten zu verstehen – wichtige Informationen also, die für den erfolgreichen Anbau dieses Saatguts erforderlich sind“, sagt Salah.
Sandy gehörte zu den Empfängerinnen dieser humanitären Hilfe und erhielt Bargeld in Höhe von umgerechnet 75 Euro sowie Fünf-Kilo-Saatgut. „Ich werde von dem Geld die Schulgebühren für die Kinder bezahlen und einen Teil in mein Geschäft investieren“, erklärt Sandy, die das Saatgut auf einem Stück Land am Nilufer aussäen will, das ihr zur Verfügung steht. „Ich werde hoffentlich genug anbauen, um in ein paar Monaten frisch geerntete Erbsen auf dem Markt verkaufen zu können.“