Wie Mädchen und Jungen Konflikte erleben

Foto: Plan International

Seit 2023 ist wieder Krieg in Sudan. Unser Bericht zum Weltmädchentag zeigt, wie sich Krisen und Konflikte auf das Leben junger Menschen auswirken – und was sie sich wünschen.

[aktualisiert]

Sie vermisse ihr altes Leben, sagt Angham. Ihre Freunde, die Schule, die Lehrer, ihr Wohnhaus und dort ihren Schlafplatz – all das gehört jetzt zur Vergangenheit. Ebenso die Stadt Madani im Süden des Sudan, aus der die 14-Jährige und ihre Familie vertrieben wurde, als die Kämpfe auch dort begannen. Von der sudanesischen Hauptstadt Khartum aus griff der Krieg auf den Bundesstaat Al Jazirah über und damit auf die Heimat des Mädchens. Ihre Geschichte erzählt sie selbst in einem kurzen Videobeitrag am Ende des Artikels.

Auch Muna und ihre Familie mussten sich in Sicherheit bringen. „Als sich der Konflikt auf die Region Al Jazirah ausweitete, waren wir gezwungen, zu fliehen“, erinnert sich die 13-Jährige. „Wir hörten Explosionen, waren schockiert und rannten weg. Wir liefen eine lange Strecke, bis zu einer Flussbrücke und suchten dort nach einer Mitfahrgelegenheit, um wegzukommen. Zum Glück fanden wir einen Lastwagen und fuhren los. Wir wurden beinahe von Soldaten angegriffen, aber wir konnten ihnen entkommen und waren irgendwann in Sicherheit.“ 

„Still we dream“: Weltmädchenbericht 2024

Die Belastung ist enorm. Nicht nur die ständige Sorge und Unsicherheit, der Kinder und Jugendliche in Kriegen und Konflikten ausgesetzt sind, wiegt schwer. Auch Lebensmittelknappheit, Rekrutierung und sexualisierte Gewalt sind reale Gefahren vieler, die in Krisensituationen leben.

Wie erleben Mädchen und Jungen Kriege und Konflikte im Vergleich? Was fordern heranwachsende Menschen, die Vertreibung und Gewalt erlebt haben? Um das herauszufinden, hat Plan International fast 10.000 junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren in zehn Ländern befragt, darunter auch in Äthiopien, Libanon, Kolumbien, Sudan und der Ukraine. Die Ergebnisse hat Plan International in dem Bericht „Still we dream“ zusammengefasst.

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„Wir wurden beinahe von Soldaten angegriffen, aber wir konnten ihnen entkommen.“

Muna (13), geflohenes Schulmädchen in Sudan

Für die 37-jährige Rawada und ihre sieben Kinder wurde die Flucht aus Khartum zu einem regelrechten Albtraum: „Ich hörte Gewehrschüsse und sah viele Leichen. Ich musste über die Leichen steigen, um weiterzukommen.“

Nachdem die Familie ihr gesamtes Hab und Gut verkauft hatte, verließ sie das Schlachtfeld rund um die Hauptstadt und floh in den Bundesstaat Al Jazirah – eine besondere Herausforderung: „Mein behinderter Sohn wurde immer nervöser und hat sich selbst verletzt.“ Als sich der Krieg im Land rasch weiter ausbreitete, waren Rawada und ihre Kinder auch in Al Jazirah nicht mehr sicher. Ihre Flucht ging weiter, bis in den Osten des Sudan.

Eine Frau mit Jungen im Arm
Rawadas Sohn hat eine Behinderung und ist auf eine regelmäßige Behandlung angewiesen Plan International
Ein Mädchen und vier Jungen
Angham (14) und ihre Brüder sind nach Kassala im Osten des Sudan geflohen Plan International
Eine Mutter und ein Mädchen sitzen zusammen
Zusammen mit ihrer Mutter und acht Geschwistern ist Muna (13) aus der Hauptstadt Khartum geflohen Plan International

Eine Schule als Notunterkunft

Fast ein Jahr liegt das alles schon zurück – doch die Folgen dieser „vergessenen Krise“ bleiben verheerend: Seit dem 15. April 2023 erleben die Menschen in Sudan Gewalt, Vertreibung und Tod. Täglich wird Infrastruktur zerstört und das gesamte Gesundheitssystem ist zerrüttet. Fälle von Unterernährung und Cholera sowie Komplikationen bei Schwangeren und Neugeborenen sind weit verbreitet. Millionen von Kindern in dem ostafrikanischen Land sind vom Unterricht ausgeschlossen, weil Schulen entweder zerstört oder geschlossen sind. Viele Gebäude wurden zu Sammelstellen für die rund 6,5 Millionen Menschen umfunktioniert, die innerhalb Sudans vertrieben worden sind.

„Auch wenn dies eigentlich ein Ort zum Lernen ist, lebe ich jetzt in einer Schule.“

Angham (14), geflohenes Schulmädchen in Sudan

„Ich lebe jetzt in einer Schule. Auch wenn dies eigentlich ein Ort zum Lernen ist, lebe ich dort“, sagt Angham, die zusammen mit ihrer Familie in den Bundesstaat Kassala geflüchtet ist. „Ich habe fünf Geschwister und wir leben alle in einem Büroraum. Sogar unsere Ess- und Schlafgelegenheit befindet sich dort.“ Da es weder Betten noch Matratzen gibt, schlafen sie auf dem Boden – ein Kampf ums Überleben.

 

Bizzare Bergformation in Sudan
Am Fuß der Taka-Berge im ost-sudanesischen Bundesstaat Kassala ist es derzeit friedlich Plan International

„Meine Mutter hat uns gesagt, dass sie nicht mehr in Sudan leben will.“

Muna (13), geflohenes Schulmädchen in Sudan

Ähnlich erging es Muna, die derzeit mit ihrer Mutter, fünf Brüdern und drei Schwestern ebenfalls dort lebt. Immerhin ein Bett und Schlafmatten haben sie sich organisieren können. „Unser Vater ist im Moment nicht bei uns, aber wir sind in Kontakt mit ihm“, sagt das Mädchen, das jetzt eigentlich die sechste Klasse besuchen sollte. Einen Schulabschluss möchte sie machen und dann Logistikerin werden – doch die Realitäten sehen für sie anders aus: „Wir wissen nicht, was uns die Zukunft bringt. Meine Mutter hat uns gesagt, dass sie nicht mehr in Sudan leben will. Sie hat keine Kraft mehr, hier zu bleiben.“

Ein Mädchen schaut in die Kamera
Muna (13) und ihre Freundinnen hoffen auf eine Waffenruhe in Sudan Plan International

Auf der Suche nach Normalität und ein dringender Appell

In einer ehemaligen Schule gibt es jetzt einen Treffpunkt für Kinder. Plan International organisiert Spiel- und Freizeitangebote für die Mädchen und Jungen, ein Stück Normalität und ein sicherer Ort für Kinder auf der Flucht. Viele haben hier neue Freundschaften geschlossen und verbringen gern ihre Zeit miteinander.

Doch für Menschen mit Behinderungen stellt der Alltag in einer Notunterkunft eine außerordentliche Herausforderung dar: „Der Gesundheitszustand meines Sohnes ist hier nicht mehr stabil. Er braucht seine regelmäßigen Medikamente, er braucht Vitamine, gute Ernährung“, zählt Rawada all die Dinge des täglichen Bedarfs auf, an denen es ihr auf der Flucht fehlt. Damit steht die mittlerweile alleinerziehende Mutter nicht allein. Vielen Familien mangelt es an Kleidung, Hygieneartikeln, einem Bett, Decken sowie Moskitonetzen. „Wir wollen, dass Frieden herrscht und dass es in unserem Heimatland besser wird“, hofft Rawada.

„Im Namen aller Mädchen in Sudan appelliere ich an die Führer des Landes, die Probleme zu lösen!“

Angham (14), geflohenes Schulmädchen in Sudan

„Meine Großmutter ist Lehrerin, also gibt sie uns manchmal Unterricht, damit wir nicht alles vergessen, was wir gelernt haben“, sagt Angham (14) über ihren Alltag in der Notunterkunft. „Mein Traum war es, wie mein Vater Arzt zu werden. Im Namen aller Mädchen in Sudan appelliere ich an die Führer des Landes, die Probleme zu lösen und uns in unsere Häuser und Schulen zurückkehren zu lassen.“

Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Sudan erstellt.

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