Das Land im äthiopisch-somalischen Grenzgebiet ist flach und nach Tagen üppigen Niederschlags endlich wieder grün. Ob dies eine Trendwende nach Jahren der extremen Dürre am Horn von Afrika ist, mag niemand vorhersagen. Doch zu den Folgen des Klimawandels kommen auch jene von Konflikten. Mädchen und Frauen sind besonders von physischer, emotionaler und sexueller Gewalt bedroht – auf beiden Seiten der Grenze. Für Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, steigen die Alltagsrisiken sowie Hindernisse beim Zugang zu humanitärer Hilfe.
Um den Überlebenden von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt den Zugang zu medizinischen und psychosozialen Diensten in einem sicheren Umfeld zu ermöglichen, hat Plan International in Binnenvertriebenenlagern in der Grenzregion sogenannte „One-Stop-Centres“ eröffnet. Damit werden Menschen in der Fafan-Zone sowie in den Vertriebenenlagern von Tog-Wajale und Aw-Barre der Somali-Region von Äthiopien erreicht.
„Ich kann es mir nicht mehr leisten, eine Uniform, Schulhefte und andere Schulsachen zu kaufen.“
Die elfjährige Nuru* kam mit ihrer Mutter in eines der Lager, nachdem ihr Vater gestorben war. „Als mein Vater noch lebte, ging ich zur Schule, ich war in der vierten Klasse. Seit seinem Tod kann ich es mir nicht mehr leisten, eine Uniform, Schulhefte und andere Schulsachen zu kaufen.“
Nuru verbringt ihre Tage mit Hausarbeit, während ihre Mutter ein wenig Geld damit verdient, für andere Leute Wäsche zu waschen. „Meine Mutter verdient zwischen 100 und 200 äthiopische Birr pro Tag (rund 1,60 Euro bis 3,30 Euro), und davon kaufen wir uns Essen. Normalerweise stehe ich morgens früh auf, wasche ich ab und gehe Wasser holen. Abgesehen von diesen Aufgaben habe ich keine andere Arbeit.“
Eines Tages ging Nuru zum Lebensmittelladen, um ein paar Dinge für ihre Mutter zu besorgen. Unterwegs wurde sie von einem Fremden brutal angegriffen: „Auf dem Rückweg packte ein Mann, den ich nicht kannte, meine Hand und berührte meine Brüste. Ich war wütend und biss ihm in die Hand, woraufhin er begann, mich zu würgen“, erinnert sich das Mädchen. „Als das geschah, kam ein anderes Mädchen, das den Vorfall gesehen hatte, mit einem Stein in der Hand angelaufen. Der Mann ließ mich los und wir Mädchen rannten weg. Ich wünschte, solche Vorfälle würden uns nicht passieren. Wir Mädchen brauchen Sicherheit und Schutz.“
„Wir Mädchen brauchen Sicherheit und Schutz.“
Angriffe wie diese auf junge Mädchen können lebenslange Auswirkungen auf ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden haben. Die „One-Stop-Centres“ bieten Mädchen wie Nuru Zugang zu ganzheitlichen Diensten, die sie dabei unterstützen, Missbrauch zu melden und sich von traumatischen Vorfällen zu erholen. Die Sichtbarmachung von sexueller geschlechtsspezifischer Gewalt trägt auch dazu bei, die Zahl der Vorfälle in Zukunft zu verringern.
Der heute 17-jährigen Aida* und ihrer Familie erging es ähnlich. Nachdem ihr Haus durch einen Brand zerstört wurde, waren sie gezwungen, in ein Lager für Binnenvertriebene umzuziehen. Ihr Vater hatte bis dahin eine Bäckerei geleitet und Aida selbst war zur Schule gegangen. Doch der Umzug in das Lager bedeutete, dass sie ihre Ausbildung beenden musste – ihr bleibt jetzt nichts als Hausarbeit.
Mit 13 Jahren hatte sie einen Versuch unternommen, außerhalb des Lagers eine Arbeit zu finden und etwas zum Familienunterhalt dazuzuverdienen. „Aber das hat nicht geklappt“, sagt Aida. „Ich war sehr unreif und wurde mit 14 Jahren schwanger. Ich habe mein Kind mit 15 Jahren bekommen.“ Sie lebt jetzt wieder bei ihrer Familie im Lager und wird im „One-Stop-Center“ unterstützt. Für die Zukunft wünscht sie sich, wieder zur Schule gehen zu können.
„Niemand kann mich zwingen, zu heiraten.“
Neela* ist 17 Jahre und lebt zusammen mit ihrem jüngeren Bruder im Vertriebenenlager – allein. Die Geschwister kamen ursprünglich mit ihren Eltern hierher. Doch um Geld zu verdienen, verließen sie ihre Kinder. „Ich bin jetzt dafür verantwortlich, unser Zelt zu putzen, das Essen für meinen Bruder zuzubereiten und ihn auf die Schule vorzubereiten. Ich muss seine Mutter und sein Vater sein“, sagt Neela.
Die Teenagerin wird vom Team des „One-Stop-Centers“ unterstützt. Es hat dafür gesorgt, dass die beiden Kinder in Sicherheit leben und einen Bargeldtransfer von 4.500 Birr (etwa 76 Euro) erhalten haben, mit dem sie sich die nötigsten Lebensmittel kaufen können, sowie Seife und Kleidung. Das baufällige Zelt der beiden Kinder bleibt allerdings weiterhin alles andere als komfortabel.
Trotz ihrer Situation bleibt Neela optimistisch, dass sich ihr Leben bessern wird: „Ich hoffe, dass ich in Zukunft meine Familie unterstützen und meine Ausbildung fortsetzen kann. Leider wurde ich in meiner Jugend zu einer Genitalverstümmelung gezwungen. Aber es gibt niemanden, der mich zwingen kann, zu heiraten.“
*Namen wurden geändert, um die Identität zu schützen.
Die Geschichte wurde mit Material aus dem äthiopischen Plan-Büro erstellt.