Immer an den Wochenenden, während ihre Freundinnen ihren Freizeitaktivitäten nachgehen, macht sich Nisa auf den Weg in die Felder. Inmitten von grünen Kürbis- und Sojaplantagen im ländlichen Zentral-Laos trägt sie mit ihren gerade mal 13 Jahren eine besondere Verantwortung. Das Mädchen arbeitet zusammen mit ihren Eltern und ihrem älteren Bruder Souban an der Pflege der Familienpflanzungen. Die Arbeit unter der oft sengenden Sonne Südostasiens ist nicht nur ein Beitrag, um das Überleben der Familie zu sichern, sondern auch ein Zeichen für das gegenseitige Engagement füreinander.
Nisas Bruder Souban ging bereits mit 15 Jahren von der Schule ab und arbeitet seitdem, um seine Familie finanziell zu unterstützen. Trotz der Entbehrungen, die der bescheidene Lebensstil der Familie mit sich bringt, verfolgt sie ein gemeinsames Ziel: Ein jährliches Einkommen von umgerechnet etwa 1.000 Euro aus dem Verkauf von Kürbissen und Sojabohnen zu erwirtschaften. So stellt die Familienplantage die Lebensgrundlage für ihre Existenz dar, für die es sich lohnt, auch am Wochenende zu arbeiten.
Arbeit unter der oft sengenden Sonne Südostasiens
Noch bevor Nisa zur Schule geht, bereitet sie wochentags Mahlzeiten für ihre Familie zu. Seit sie zehn Jahre alt ist, hat sie ein Stück weit die Regie in der heimatlichen Küche übernommen – und tritt damit ganz in die Tradition vieler laotischer Familien.
Hausarbeit lastet auf den Schultern von Mädchen und Frauen
Auf die Frage nach der Aufteilung der Hausarbeit antwortet Nisa, dass die Geschlechternormen in ihrer Gemeinschaft fest verankert seien. Für sie sei es eine gängige Praxis, die auf den Schultern von Mädchen und Frauen lastet – eine Einstellung, die ihr seit der Geburt quasi eingeimpft wurde. Und so gehen dem Mädchen lokale Speisen mittlerweile mühelos von der Hand. Mit viel Geschick zaubert Nisa zum Frühstück beispielsweise eine herzhafte Suppe – mit gebratenem Gemüse, gedünstetem Huhn, Chili und jungen Rattansprösslingen.
Doch inmitten der Routine familiärer Verpflichtungen und gesellschaftlicher Erwartungen schimmert hier im ländlichen Raum auch etwas von sozialer Veränderung durch. Nisas Leben nahm diesbezüglich eine Wendung, als sie einem Kinderclub an ihrer Schule beitrat. Der von Plan International gegründet Club fungiert als Treffpunkt für Mädchen und Jungen und informiert sie beispielsweise über den Wert von sauberem Trinkwasser sowie die Notwendigkeit von guter Hygiene.
Die jungen Teilnehmenden diskutieren bei ihren Zusammenkünften allerdings auch über Geschlechtergleichstellung sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit. Im Rahmen des Projekts wurde Nisa zur Clubleiterin gewählt und steht fortan bei Themen wie Familienplanung in der ersten Reihe.
Als Clubleiterin in der ersten Reihe
In dieser neu gefundenen Rolle schärft Nisa immer weiter ihr Bewusstsein für all jene Tabus, die in ihrer Kultur mit sexuellen und reproduktiven Rechten und Gesundheit verbunden sind. Mit wem und wann gründe ich eine Familie? Welche Rechte und Pflichten haben Familienmitglieder? – Über Fragen wie diese führt der Weg zur Selbsterkenntnis und bei Nisa zu einer zunehmenden Willenskraft. Mit jeder Begegnung und jedem Gespräch stellt die 13-Jährige inzwischen den Status quo infrage und versucht dadurch, Barrieren abzubauen, die das Recht der Mädchen auf eine selbstbestimmte Entwicklung einschränken – etwa bei der Aufteilung von Haus- und Feldarbeit. Obwohl es dabei gilt, das heikle Gleichgewicht zwischen Tradition und Fortschritt zu wahren, verkörpert Nisa die Hoffnung auf eine gerechtere Zukunft – nicht nur für sich selbst, sondern auch für kommende Generationen.
Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert, Laos mehrfach bereist und diese Geschichte mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.