In Brasilien – wie auch in vielen anderen Ländern dieser Welt – können Mädchen oft aufgrund ihres Geschlechts nicht ihr volles Potential entfalten. Insbesondere im Norden des Landes, wo die Kluft zwischen arm und reich sehr groß ist, haben Mädchen nicht die gleichen Chancen und Zukunftsperspektiven wie Jungen. Das Hauptziel der Führungsseminare für Mädchen ist deshalb, Mädchen zu stärken und ihnen zu zeigen, dass sie nicht nur ein Recht auf die gleichen Chancen haben, sondern ihre Ziele tatsächlich erreichen können. Bei verschiedenen Übungen und Workshops lernen die Mädchen nicht nur wie sie sich gegen Gewalt und Ungleichheit wehren können, sie erhalten auch Informationen und Argumente, um über diese Themen mit ihren Familien und Freunden zu sprechen. So werden sie motiviert, ihre Lebenswelt nicht so anzunehmen wie sie ist, sondern sie zu verändern und dabei leitende Positionen einzunehmen.
Julia, Val und Flavia sind drei der Teilnehmerinnen des Projekts. Bei der „Leadership School for Girls“ setzen sie sich aktiv für Gleichberechtigung ein. Warum sie das machen, was sie erreichen wollen, haben sie uns erzählt:
Ihre Mutter ist Julias größtes Vorbild. Sie wurde als Jugendliche schwanger und musste die Schule verlassen. Doch sie schaffte es, ein paar Jahre später nach der Arbeit in einer Abendschule ihren Abschluss nachzuholen. So konnte sie ihre Familie ernähren und ihre Tochter aufziehen. Inspiriert von ihrer Mutter schloss sich die 15-jährige Julia dem Projekt von Plan International an. Julia wurde eines der aktivsten Mitglieder in der Gruppe und konnte viel Wissen mit nach Hause nehmen.
„Meine Großmutter sagte, dass Mädchen nur mit Mädchen spielen dürfen. Aber ich erklärte ihr, dass man spielen kann, mit wem man möchte. Plan hat mir geholfen, ein Multiplikatorin zu werden. Was ich in den Workshops lerne, gebe ich an meine Gemeinde weiter, damit Frauen zukünftig mit mehr Respekt behandelt werden.“
Julia blickt ihrer Zukunft zuversichtlich entgegen. „Ich möchte eine von diesen furchtlosen Frauen sein und andere Mädchen inspirieren, zu sagen ‚ich möchte es, ich kann es und ich werde es schaffen‘“.
„Ich möchte eine von diesen furchtlosen Frauen sein und andere Mädchen inspirieren, zu sagen ‚ich möchte es, ich kann es und ich werde es schaffen‘.“
Auch die 17-jährige Flavia setzt sich für Gleichberechtigung ein. So schloss sie sich der „Girls in Power Platform“ (dt. etwa: „Plattform für Mädchen in Führungspositionen“) an. Da in Brasilien weniger als 20 Prozent der politischen Positionen von Frauen besetzt sind, hilft diese Initiative Schülerinnen und Schüler, die nationale Politik und die Wichtigkeit von Gleichberechtigung in diesem Bereich zu verstehen. Dabei besuchte Flavia unter anderem lokale politische Versammlungen.
Am Welt-Mädchentag durfte Flavia symbolisch die Position des Bildungsministers in dem Bundesstaat Maranhão übernehmen. Außerdem besuchte sie das Rathaus von São José de Ribamar, wo sie das Büro des Bürgermeisters übernahm.
„Es ist wichtig, dass es mehr Frauen in diesen Positionen gibt. Eine Frau in dieser politischen Umgebung zu sehen, inspiriert Mädchen, sich auch zu engagieren. Meiner Meinung nach erleben Frauen und Mädchen unsere Gesellschaft anders als Männer. Deshalb müssen unsere Ansichten in der Politik mehr Gehör finden, sodass wir besser repräsentiert werden.“
„Meiner Meinung nach erleben Frauen und Mädchen unsere Gesellschaft anders als Männer. Deshalb müssen unsere Ansichten in der Politik mehr Gehör finden.“
Flavia setzt sich auch in ihrer Schule als Präsidentin des Schulclubs für die Interessen der Schülerinnen und Schüler ein. „Unser letzter Erfolg war die Installation eines Sicherheitssystems in der Schule. Es gibt viele Diebstähle und Überfälle. Der Direktor hatte bereits Kameras angefordert, konnte aber keine bekommen. Ich hab ihn dann zum Gouverneur des Bundeslandes begleitet und ihm die Dringlichkeit deutlich gemacht. Eine Woche später kamen die Kameras an“, sagt Flavia.
Die 17-Jährige interessiert sich vor allem für die Politik für junge Menschen. Nachdem sie sich dem Kinder- und Jugendparlament ihrer Stadt angeschlossen hatte, ist sie nun Parlamentspräsidentin. In dieser Position hat sie sich zum Beispiel für Freizeitaktivitäten für Teenager in ihrer Gemeinde eingesetzt und Jugendgruppen organisiert, in denen Jugendliche Fußball spielen oder Zumba tanzen können.
Val ist 19 Jahre alt und wuchs in armen Verhältnissen auf. In ihrer ländlichen Gemeinde in dem Bundesstaat Pará im Norden Brasiliens gab es weder eine Schule, noch eine Bibliothek oder Straßenbeleuchtung. Sie verbrachte ihre Tage auf der Straße und kam nur nach Hause, wenn ihr Vater von der Arbeit kam. Bis sie acht Jahre alt war, konnte sie nicht lesen.
Ihre Tante half ihr jedoch aus der Situation: Sie holte sie nach São Luís, um zu verhindern, dass sie früh verheiratet werden würde und ihr eine bessere Zukunft zu ermöglichen. In São Luís konnte Val zur Schule gehen und lesen und schreiben lernen.
„Das war ein großer Erfolg für mich. Jedes kleine Papierstück oder Straßenschild, das ich sah, wollte ich lesen. Ich entdeckte, dass ich lesen und schreiben liebe“, erinnert sich Val.
Als Mitarbeitende von Plan International in ihre Schule kamen und von der „Leadership School for Girls“ erzählten, wollte Val sofort teilnehmen, da sie sich mit Plan Internationals Grundsätzen identifizierte. „Ich finde es sehr unfair, dass vielen Frauen Möglichkeiten verwehrt werden. Niemand sollte eingeschränkt werden, nur weil die Gesellschaft das sagt. Wenn eine Frau etwas tun möchte, sollte sie es tun können. Beim Fußball zum Beispiel: Wenn ein Mädchen Fußball spielen möchte, warum sollte sie es nicht können? Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass Fußball nur ein Sport für Jungen ist. Plan International hat mich motiviert, mich zu engagieren und Barrieren zu überwinden.“
Ende des Jahres macht Val die Aufnahmeprüfung für die Universität. Sie hofft, dass sie angenommen wird und Soziale Arbeit studieren kann. Sie möchte so Menschen helfen und etwas in ihrem Leben bewegen.