Bildungswege gegen Kinderheirat

Foto: Biploby Rani Dey Roy

Als Kind erlebt Rupali, wie ihre Schwester verheiratet wird. Sie selbst muss bald darauf die Schule abbrechen – und träumt von einem guten Zeugnis.

Das Land ist Flach und die Wasser des mächtigen Flusses Brahmaputra machen es fruchtbar – so auch in einem Dorf in Kurigram im Norden von Bangladesch, in dem Rupali lebt. „Wir haben kein Land, das wir bewirtschaften könnten, das Leben ist also hart für meine Familie“, erzählt die 14-Jährige. „Mein Vater ist Mechaniker und repariert Fahrräder, meine Mutter kümmert sich um die Familie.“

In ländlichen Gebieten wie Kurigram ist die Armut eine der Hauptursachen für Kinderheirat. Diese Praxis beraubt Mädchen ihrer Rechte, zwingt sie, die Schule abzubrechen und setzt sie einem größeren Risiko von Gewalt aus. Bangladesch hat eine der höchsten Raten von Kinderheiraten weltweit. Etwas mehr als die Hälfte der Mädchen in Bangladesch wird vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet, und 15 Prozent werden verheiratet, bevor sie 15 Jahre alt sind.

Eine junge Fraue mit Schulbuch
Rupali (14) sollte als Kind verheiratet werden Plan International

„Wir haben kein Land, das wir bewirtschaften könnten, das Leben ist also hart für meine Familie.“

Rupali (14), Mädchen aus Kurigram im Norden von Bangladesch

Die negativen Auswirkungen von Armut und Frühverheiratung auf das Leben von Mädchen hat Rupali aus erster Hand erfahren müssen und damit die Realitäten eines Alltags, in dem alles vom Lohn einer Person abhängt: „Meine ältere Schwester musste die Schule abbrechen, da unser Vater ihre Ausbildung nicht mehr finanzieren konnte. Sie wurde sehr früh verheiratet.“ Laut dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen rangiert Bangladesch auf Platz 129 von aktuell 193.

Kinderehen stellen nicht nur eine Missachtung der Kinderrechte dar, sie sind auch für die betroffenen Mädchen riskant. Denn wenn Kinder Kinder kriegen, ist sowohl das Leben der werden Mutter wie auch das des werdenden Kindes in Gefahr. Ihre Körper sind noch nicht so weit ausgebildet, dass sie problemlos gesunde Kinder zur Welt bringen könnten.

Fahrräder und Rikschas in Bangladesch
Rupalis Familie lebt davon, dass ihr Vater Fahrräder und Rikschas repariert Anika Büssemeier
Zwei Frauen stehen in einem Reisfeld in Banglad
Nach UN-Angaben werden rund 50 Prozent der bangladeschischen Frauen verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt sind Anika Büssemeier

Fehlende Chancen haben lebenslang Folgen

In Bangladesch wurden zwar wichtige Fortschritte bei der Erleichterung des Zugangs zu Bildung gemacht, wie das Verbot von Schulgebühren in der Primarstufe. Doch andere mit dem Schulbesuch verbundene Kosten etwa für den Transport oder Lernmaterialien bedeuten, dass Bildung für zu viele Kinder unerreichbar bleibt. Auch und gerade für Mädchen kann die Folge eines fehlenden Zugangs zum Unterricht die Kinderheirat sein.

„Meine Schule ist ziemlich weit von unserem Haus entfernt, und mein Vater war oft nicht in der Lage, die Fahrtkosten dorthin zu übernehmen, sodass ich nicht jeden Tag zur Schule gehen konnte“, sagt Rupali. Zudem würden Verwandte sie immer wieder unter Druck setzten, zu heiraten.

„Ich konnte nicht jeden Tag zur Schule gehen.“

Rupali (14), Mädchen aus Kurigram im Norden von Bangladesch

Geschlechterdiskriminierung und gesellschaftliche Einstellungen wie diese fördern die extrem hohe Rate von Kinderheirat in Bangladesch und schaden Mädchen auf lange Sicht. Extreme Armut ist für viele Familien in Bangladesch alltäglich, und viele von ihnen sehen in der Kinderheirat die einzige Möglichkeit, die Zukunft ihrer Töchter zu sichern, die sie selbst weder gut ernähren noch ausbilden oder beschützen können.

Für Rupila waren diese Umstände besonders schmerzlich, denn eigentlich wollten ihre Eltern, dass ihr Kind weiter in der Schule bleibt. Doch die knappen Finanzen sollten dem ein jähes Ende bereiteten, Rupila musste schließlich die Schule abbrechen. „Zuerst war ich am Boden zerstört, ich wollte meinen Traum nicht aufgeben“, erinnert sich die 14-Jährige. „Aber wir konnten uns nicht einmal drei Mahlzeiten am Tag leisten, und manchmal mussten wir sogar hungern, sodass meine Eltern nicht weiter für meine Ausbildung aufkommen konnten.“

Drei Kinder in einer Hütte
Geschwister lernen zu Hause oft für sich alleine Mahmud Rahman
Mädchen steigen Treppe hinauf
Ein Bildungsprojekt fördert besonders benachteiligte Kinder in Bangladesch, darunter Rupali (14, Mitte) Plan International

Ein Förderprogramm für besonders benachteiligte Kinder

Gerade als Rupali die Schule verlassen hatte und ihr aus Not eine baldige Kinderheirat drohte, wurde in ihrer Gemeinde ein Projekt von Plan International ins Leben gerufen, das Mädchen durch Bildung und Nachhilfe stärkt und auch Rupali so etwas wie einen Schutzschirm bietet. „Ich hörte, dass das Projekt Mädchen mit Büchern, Heften und Stipendien ausstattet, damit sie in der Schule bleiben können.“

Nach einem Gespräch mit dem Projektleiter wurde Rupali 2023 in das Programm aufgenommen. „Der Projektleiter kam zu uns nach Hause, um über die Folgen von früher Heirat und die Bedeutung von Bildung für uns Mädchen zu sprechen. Und meine Eltern bestätigten, dass sie meine Ausbildung gern unterstützen möchten.“

„Meine Eltern sind dankbar, dass mir eine Kinderheirat erspart bleibt.“

Rupali (14), Teilnehmerin bei einem Förder- und Bildungsprogramm

Rupali ist jetzt eines von acht Mädchen, das im Rahmen des Projekts ein Stipedium erhalten hat und in einem alternativen Bildungszentrum lernen kann. Dort erhalten Kinder, die die Schule abgebrochen haben, akademische Unterstützung und nehmen an einem Programm für beschleunigtes Lernen teil, um versäumten Unterrichtsstoff nachzuholen. Insgesamt 24 alternative Bildungszentren wurden in der Region Kurigram eingerichtet, um dort Jungen und Mädchen mit Lernverzug gesondert zu fördern.

Im Norden von Bangladesch ergreift Rupali derweil ihre Chance – und hat sich mittlerweile zur Klassenbesten hochgearbeitet. Derzeit macht sie sich keine Sorgen über eine frühe Heirat, sondern denkt bereits an ihre Zukunft. „Ich möchte Lehrerin werden“, sagt die Schülerin. „Meine Eltern, Klassenkameradinnen und Lehrer ermutigen mich weiter, gute Leistungen zu erbringen. Vor allem meine Eltern sind dankbar, dass es dieses Angebot gibt und mir eine Kinderheirat erspart bleibt.“

Marc Tornow hat Bangladesch mehrfach bereist und die Geschichte von Rupali mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.

Fünf 14-jährige Mädchen
Mittlerweile hat sich Rupali (2. v. l.) zur Klassenbesten hochgearbeitet Plan International

Der Mädchen-Fonds

Unser Mädchen-Fonds leistet einen wichtigen Beitrag zur Beseitigung von Benachteiligung, Armut und Gewalt. Mit Ihrer Spende können wir zum Beispiel Projekte zur Einkommenssicherung, zum Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung sowie für Zugang zur Schulbildung und gleichberechtigte, gesellschaftliche Teilhabe umsetzen, damit Mädchen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben erhalten.

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