Gesunde Schwangerschaft durch Anden-Hebammen

Foto: Plan International/Fabricio Morales

Hoch in den ecuadorianischen Anden verheimlichen viele Mädchen aus Scham ihre Schwangerschaften. Ärztinnen und Ärzte in Ecuador bilden daher gemeinsam mit Plan International indigene Hebammen aus.

„Unverheiratet schwanger zu werden, ist bei der indigenen Bevölkerung mit einem großen Stigma belegt.“

Veronica Zambrano, Projektleiterin bei Plan International Ecuador

In der ecuadorianischen Provinz Chimborazo leben zwei Drittel der Menschen in Armut. Die offizielle Anzahl an Teenager-Schwangerschaften liegt dort offiziell unter dem nationalen Durchschnitt von 18 Prozent. Plan International zufolge ist die Dunkelziffer jedoch weit höher.

„Viele Teenager-Schwangerschaften werden von den Krankenhäusern in Chimborazo nicht erfasst, weil sie verschwiegen werden“, sagt Veronica Zambrano, Projektleiterin bei Plan International Ecuador.

„Das liegt daran, dass sich die Mädchen schämen: Unverheiratet schwanger zu werden, ist bei der indigenen Bevölkerung mit einem großen Stigma belegt. Viele Eltern sprechen auch nicht offen mit ihren Kindern, sodass viele Mädchen es verheimlichen, wenn sie ungewollt ein Kind erwarten.“

Eine Studie von Plan International, die 2017 in fünf vorwiegend indigenen Provinzen in den ecuadorianischen Anden durchgeführt wurde, hat gezeigt, dass indigene Mädchen während ihrer Schwangerschaft häufig Gewalt und Diskriminierung erfahren. „Deswegen haben sie Angst, sich jemandem anzuvertrauen“, sagt Veronica Zambrano.

Das kann teilweise schwerwiegende Folgen haben, sowohl für die jungen Mütter als auch für ihre ungeborenen Kinder. Denn je länger eine Schwangerschaft versteckt wird, desto später werden beide medizinisch versorgt.

Medizinische Versorgung in der Schwangerschaft ist lebenswichtig

Als sie 16 Jahre alt war, merkte Jenny, dass sie schwanger ist. Doch sie erzählte es niemandem. „Ich wusste, dass ich es eigentlich meinen Eltern erzählen müsste, aber ich vertraute ihnen nicht“, sagt Jenny. „Wir sprachen nie wirklich viel und offen miteinander, als ich ein Kind war.“

Die traditionellen bunten Fleece-Ponchos, die Mädchen und Frauen gegen die kalten Winde in den Bergen tragen, erleichterten es, den wachsenden Bauch zu verstecken. Jennys Mutter Olga bemerkte Jennys Schwangerschaft erst drei Wochen vor der Geburt: „Ich war geschockt“, sagt sie. „Ich wusste nicht, dass sie einen Freund hatte.“

Da Jenny ihre Schwangerschaft geheim gehalten hatte, erhielt sie während dieser neun Monate keine Vorsorgeuntersuchungen und bekam ihr Kind nur mit der Hilfe ihrer Mutter.

Zum Glück lief alles komplikationslos. Jennys Sohn Justin ist heute ein gesunder Vierjähriger. Aber nicht jeder hat dieses Glück: Das Risiko, dass Kinder von jugendlichen Müttern totgeboren werden oder in den ersten Wochen ihres Lebens sterben, ist doppelt so hoch wie bei Kindern von Frauen, deren Körper schon vollständig entwickelt sind. In Chimborazo, wo viele Familien weit entfernt von Gesundheitszentren leben und nur wenige Menschen ein Auto besitzen, sind die Risiken sogar noch höher.

Jenny mit Hut und ihrem Sohn Justin.
Jenny hatte keine Komplikationen bei Justins Geburt. Viele schwangere Jugendliche haben oftmals weniger Glück, sondern gebären tote Kinder oder werden selbst krank. Plan International/Fabricio Morales
Doktorin und Patientin sitzen sich an Schreibtisch gegenüber.
Für Dr. Gabriela Cherrez ist die Hilfe der lokalen Hebammen wichtig. Durch sie können Teenager-Schwangerschaften frühzeitig entdeckt werden und sie nehmen den Mädchen ihre Angst vor Krankenhäusern. Plan International/Fabricio Morales

Dieses traurige Schicksal ereilte die mittlerweile 19-jährige Lourdes. Auch sie bekam ihr erstes Kind im Alter von 16 Jahren, doch ihr Sohn starb zwei Wochen nach seiner Geburt. „Ich glaube, er bekam die Grippe“, sagt Lourdes. „Ich war am Boden zerstört und weinte viel.“

Jugendliche Mütter selbst sind auch anfälliger für Gesundheitsprobleme. Weltweit sind Komplikationen bei der Schwangerschaft und der Geburt die häufigste Todesursache von Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren.

„Bei vielen Frühschwangerschaften, die wir hier sehen, sind die schwangeren Mädchen häufig untergewichtig und unterernährt“, erklärt Dr. Daniel Quera Lopez, der in 19 Gesundheitszentren in der Region Colta-Guamote arbeitet. „In Extremfällen sterben schwangere Mädchen, wenn sie nicht die notwendige medizinische Versorgung erhalten.“

Junge Mütter frühzeitig versorgen

Um Komplikationen bei Teenager-Schwangerschaften zu reduzieren, haben Plan International und das ecuadorianische Ministerium für Gesundheit 47 Hebammen ausgebildet, um Ärztinnen und Ärzte dabei zu unterstützen, Teenager-Schwangerschaften in ihren Gemeinden frühzeitig zu erkennen.

„Die traditionellen Hebammen sind vollständig in ihre lokale Gemeinde integriert und haben so eine Vertrauensstellung. Wenn sie von einer Teenager-Schwangerschaft hören, benachrichtigen sie uns nun direkt“, sagt Dr. Gabriela Cherrez, ebenfalls Ärztin eines Gesundheitszentrums in der Region.

Lourdes mit einem Baby im Arm.
Lourdes erstes Kind starb kurz nach der Geburt. Bei ihrer zweiten Schwangerschaft begleitete sie die Hebamme Rosa zu Vorsorgeuntersuchungen im Gesundheitszentrum. Plan International/Fabricio Morales

„Da eine Geburt bei jungen Mädchen so viele Risiken birgt, ist es im Krankenhaus sicherer für sie. Häufig wollen die Familien indigener Mädchen aus traditionellen Gründen jedoch nicht, dass sie ihre Kinder im Krankenhaus gebären.“

Dr. Cherrez, Ärztin eines Gesundheitszentrums in Colta-Guamote

Lourdes Schwiegermutter Rosa ist eine dieser ausgebildeten Hebammen. Seit vier Jahrzehnten nutzt sie traditionelle indigene Geburtstechniken und pflanzliche Medizin, um den schwangeren Müttern in ihrer Gemeinde während und nach der Geburt zu helfen. Zudem ermutigt sie die Mädchen, ihre Kinder aus hygienischen Gründen im Krankenhaus zu gebären, anstatt zu Hause. „Da eine Geburt bei jungen Mädchen so viele Risiken birgt, ist es im Krankenhaus sicherer für sie. Häufig wollen die Familien indigener Mädchen aus traditionellen Gründen jedoch nicht, dass sie ihre Kinder im Krankenhaus gebären“, erklärt Dr. Cherrez. Um Ängsten und Konflikten vorzubeugen, begleiten die indigenen Hebammen die Mädchen daher häufig zur Geburt ins Krankenhaus.

Im Unterschied zum – wenn überhaupt traditionellen – Umgang mit Schwangerschaften zu Hause, verwendet das Gesundheitszentrum moderne Medizin und bietet monatliche Hausbesuche während der Schwangerschaft sowie Workshops über Ernährung und die Pflege der Babys an. Das Wissen wird auch an die Hebammen weitergegeben, die diese es den Mädchen weitergeben können, die nicht von selbst Hilfe suchen würden.

Lourdes bekam vor zwei Monaten ihr zweites Kind. Rosa begleitete sie von Anfang an und stellte dadurch sicher, dass sie dieses Mal zu Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen während und nach der Schwangerschaft in das örtliche Gesundheitszentrum ging. Lourdes und ihr Baby sind nun bei bester Gesundheit.

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