Chalatenango ist El Salvadors nördlichstes Departement. Die 17-jährige Silvia lebt dort in einer ländlichen Gemeinde. Wie viele Jugendliche in ihrer Heimat steht auch sie vor den Herausforderungen, die das Leben auf dem Land in El Salvador mit sich bringen: Die Arbeitsmöglichkeiten sind begrenzt und das Einkommen gering. Die meisten verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Landwirtschaft. „Sie bestellen das Land, düngen den Boden, bauen Mais und Bohnen an“, erklärt Silvia. „Manche arbeiten als Tagelöhner.“
„Manche Mädchen hier haben schon einen Ehemann.“
Nur wenige Jugendliche gehen über die Grundschule hinaus zur Schule, denn die nächste weiterführende Bildungseinrichtung ist weit entfernt. „Wenn man kein Auto hat, muss man zu Fuß gehen, von hier bis zur Schule sind es zwei Stunden“, erzählt die 17-Jährige – und fügt hinzu: „Manche Mädchen haben schon einen Ehemann.“ Laut einer Studie der Zentralbank von El Salvador können von 100 Landbewohner:innen etwa 15 weder lesen noch schreiben. Die Einschulungsrate in ländlichen Gebieten liegt bei 47 Prozent.
Von klein auf half Silvia ihrer Familie bei der Bienenzucht. El Salvador exportiert jährlich 1.000 Tonnen Bienenhonig und ist damit einer der größten Honigproduzenten Mittelamerikas. Ihr Großvater brachte es ihrem Vater bei, der es ihr beibrachte. Seitdem interessiert sie sich sehr für die Bienenzucht und sagt, dass sie im Gegensatz zu anderen jungen Frauen in ihrem Dorf ihre Zukunft im Blick hat. „Ich habe eine andere Denkweise. Ich suche im Moment keinen Ehemann und will aus eigener Kraft vorankommen“, so Silvia.
Im Jahr 2020 hatte sie die Möglichkeit, an einem Programm zur wirtschaftlichen Stärkung junger Menschen teilzunehmen, das von Plan International durchgeführt wurde und jungen Menschen durch Berufsausbildungen und Unternehmenscoaching zu einem Arbeitsplatz verhilft. Plan International setzt sich dafür ein, dass junge Menschen in El Salvador über die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Durch dieses Projekt erhielt Silvia die technische Beratung und das Startkapital, um ihr eigenes Bienenzuchtgeschäft zu gründen.
„Viele Leute sagten mir, dass dies kein Geschäft für eine Frau sei, weil Bienen stark stechen“, sagt die junge Imkerin und fügt hinzu, dass sie sich entschieden habe, diesen Rat zu ignorieren. Jeden Tag verlässt Silvia ihr Haus um sechs Uhr morgens, um zu ihren Bienenstöcken im Wald zu gehen, und legt dabei mehrere Kilometer zurück. „Der Weg ist nicht einfach, ich muss vier Bäche überqueren, und wenn sie verstopft oder überschwemmt sind, muss ich so gut es geht ans andere Ufer gelangen“, erklärt sie. Am Bienenstock angekommen, vergewissert sie sich, dass keine Ameisen in die Waben eingedrungen sind, füttert die Bienen und macht sich auf den langen Heimweg. Am Nachmittag wiederholt sie die Prozedur.
Den produzierten Honig vermarktet Silvia selbst, indem sie ihn mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Hauptstadt San Salvador bringt, wo sie ihre Honiggläser an Händler verkauft.
In El Salvador arbeiten Frauen seltener für ein Einkommen oder suchen aktiv nach Arbeit. Im Jahr 2021 sind nur 46,8 Prozent der weiblichen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einer Arbeit nachgegangen. Durch ihren Job als Imkerin ist es Silvia gelungen, die geschlechtsspezifischen Barrieren und wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in El Salvador zu überwinden.
Silvia sagt, dass es der Traum von einer besseren Zukunft ist, der sie antreibt, weiterzumachen. „Ich will vorankommen, denn wenn man nicht nach einem Ausweg sucht, kommt man nirgendwo hin, und das ist meine Motivation, ich will vorankommen.“
Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in El Salvador erstellt.