„Mein Baby ist hungrig und krank“, sagt Amaru. Die 23-Jährige lebt seit einigen Wochen in einem Camp für Geflüchtete in Äthiopien, ihren zehn Monate alten Sohn hält sie fest im Arm. Ihr Dorf ist 300 Kilometer entfernt. Sie ist in ihrem eigenen Heimatland auf der Flucht vor Hunger und anhaltenden Kämpfen. Letztere schwelen gleich an mehreren Orten Äthiopiens – in den Regionen Tigray, Amhara und Afar – und führen dazu, dass Millionen Menschen innerhalb des Landes fliehen. Viele von ihnen sind unternährt, insbesondere Frauen und Kinder.
Der härteste Teil der Flucht, erzählt die junge Mutter, sei es gewesen, ihr Kind die weite Strecke sicher bis ins Camp zu tragen. Doch hier steht sie nun vor neuen Herausforderungen: „Die mangelhafte Hygienesituation hat meinen Sohn krank gemacht, er hatte Fieber“, erzählt Amaru. Nicht nur an Hygiene mangelt es, sondern auch an Nahrung. Amaru hat Probleme, mit dem wenigen Geld, das sie noch besitzt, genug Essen für sich und ihr Kind zu beschaffen – nicht immer ist Nahrungsmittelhilfe im Camp verfügbar.
Um ihren Sohn versorgen zu können, stellt die junge Frau ihre eigenen Bedürfnisse hinten an. „Die Regierung hat uns etwas Geld gegeben, um Essen zu kaufen“, berichtet sie. Manchmal nutzt sie etwas von den umgerechnet zwölf US-Dollar, um Milch für ihren Sohn zu kaufen. Amaru, die ohne ihren Mann floh und ihn seit ihrer Ankunft im Camp nicht erreicht hat, ist verzweifelt: „Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn das Geld aufgebraucht ist“.
„Wenn ich nicht esse“, sagt die 16-jährige Liya* (Name geändert), „dann ist meine Brust leer. Dann kann ich mein Baby nicht versorgen.“ Seit einem Monat lebt sie im Camp, an vielen Abenden geht sie hungrig ins Bett. „Es ist nichts mehr da“, sagt sie. „Wenn es gerade keine Nothilfe gibt, haben wir nichts zu essen.“ Dass sie nicht stillen kann, belastet die junge Frau.
„Heute Nacht werden wir beide mit leerem Magen einschlafen.“
Auch Nyalas* (Name geändert) Tochter ist immer hungrig, immer auf der Suche nach der Brust ihrer Mutter. Es schmerzt die 16-Jährige, dass sie ihr Kind auf diese Weise nicht mehr versorgen kann. Der Mangel an Nahrung hat ihre Tochter geschwächt – so sehr, dass sie die meiste Zeit des Tages nicht einmal mehr die Kraft hat, wach zu bleiben. „Ich habe ihr gestern Haferbrei gekocht“, erzählt die junge Mutter. „Ein wenig habe ich davon auch gegessen, das war meine letzte Mahlzeit. Kinder werden gesund groß, wenn ihre Mütter genug Essen bekommen. Aber heute Nacht werden wir höchstwahrscheinlich beide mit leerem Magen einschlafen.“
Als vor über zwei Monaten Bomben in ihrem Dorf explodierten, versteckte sich Nyala, deren Mann sie in der Schwangerschaft verlassen hatte, mit ihrer Tochter unter dem Bett. Dort blieben sie zwei Tage lang liegen – bis sie endlich die Chance hatte, zu fliehen. Nyala floh zu Fuß, gemeinsam mit Verwandten und „mit nichts als unseren Kleidern auf dem Rücken“.
Junge Frauen wie Nyala, Liya und Amaru sind in besonderer Weise von der humanitären Krise in Äthiopien betroffen. Schwangere und Stillende benötigen zusätzliche Nährstoffe, damit sie und ihre Babys gesund bleiben. Der Mangel an Nahrung hat für sie besonders gefährliche Auswirkungen: Schon jetzt sind die häufigsten Todesursachen für Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren Komplikationen bei der Schwangerschaft oder der Geburt – und Unterernährung erhöht nach UN-Angaben unter anderem das Risiko einer Fehlgeburt oder des Todes der Mutter während der Geburt. Für die Babys kann Unterernährung zudem das Risiko für gefährliches Untergewicht, Wachstumsverzögerungen und Todgeburten erhöhen.
Die 18-jährige Godada hat es gerade noch rechtzeitig ins Camp geschafft, um dort ihr Baby zu bekommen. Die Geburt ist erst wenige Stunden her, Mutter und Baby liegen hinter einem provisorisch aufgebauten Sichtschutz und schlafen. Sie ist schwach, kaum in der Lage, sich hinzusetzen und zu sprechen. Um sie herum liegen leere Teller, Schüsseln und Flaschen – doch Godada hatte seit Tagen keine richtige Mahlzeit. Ihre Großmutter, die seit dem Tod ihrer Eltern für sie sorgt, weiß nicht, wie sie sich, ihre Enkelin und das Baby versorgen soll.
„Ich habe Angst, besonders weil ich gehört habe, dass eine Schwangere kürzlich ihr Kind verloren hat.“
Adina ist gerade im sechsten Monat. Sie macht sich Sorgen um die Zukunft ihres ungeborenen Kindes. Als der interne politische Konflikt im Land ausbrach, riet ihre Familie ihr, zu fliehen, bevor es zu spät sei und sie nicht mehr laufen könne. Doch seit sie im Camp ist, konnte sie noch keine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen. „Ich habe danach gefragt, doch mir wurde gesagt, es gäbe keinen Ultraschall“, erzählt die 20-Jährige. „Ich habe Angst, besonders weil ich gehört habe, dass eine Schwangere kürzlich ihr Kind verloren hat.“ Auch die Sorge um ausreichend Nahrung für sich und ihr Baby ist groß – und die Chancen gering: „Häufig sind die Nahrungsmittel knapp“, berichtet sie.
Wir von Plan International haben unsere humanitäre Hilfe in Äthiopien verstärkt – in den Bereichen Ernährung, Kinderschutz, Gesundheit und Bildung sowie Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH) und psychische Gesundheit. Im Rahmen dessen unterstützen und beraten wir schwangere Mädchen, jugendliche Mütter sowie weitere schwangere und stillende Frauen, die dem Risiko von Unterernährung ausgesetzt sind, um ihre Situation zu verbessern.
Die Geschichte wurde mit Material aus dem äthiopischen Plan-Büro erstellt.