Klever setzt sich gegen Frühschwangerschaft in Ecuador ein

Foto: Plan International/Fabricio Morales

Mithilfe von traditioneller Folklore und Symbolik klärt der 22-Jährige Klever Jugendliche in Chimborazo, Ecuador, sexuell auf.

Eine Gruppe von Kindern steht in einem Kreis und hört einem jungen Mann zu, der Beschwörungen in die frische Bergluft flüstert. So ist es jede Woche bei dem Club von Plan International Ecuador in Chimborazo. Dort erzählt Klever Geschichten über die Sonne, den Mond und die Wolken – Symbole mit wichtiger Bedeutung in der indigenen Gemeinschaft Ecuadors. Er benutzt sie, um die jungen Teilnehmenden altersgerecht aufzuklären.

Im Rahmen eines Projekts von Plan International wurden in Chimborazo 164 Jugendclubs für Jungen und für Mädchen bis 18 Jahre gegründet, in denen sie sexuell aufgeklärt werden, um die hohe Zahl an Frühschwangerschaften zu senken. In den Clubs spielt auch das Thema Gleichberechtigung eine große und wichtige Rolle. Mädchen und Jungen lernen, sich mit Rollenklischees auseinanderzusetzen und wie sie sich aktiv für Gleichberechtigung in ihren Gemeinden einsetzen können. Sie werden ermutigt, schädliche Verhaltensmuster zu erkennen und anders zu handeln, ihre Meinung zu sagen und ihre Rechte einzufordern sowie sich dabei gegenseitig zu unterstützen.

Klever leitet einen Club, in dem sich jugendliche Jungen im zweiwöchigen Rhythmus treffen, um Themen wie Verhütung zu besprechen. „Ich erzähle ihnen, dass es zwar schwierig erscheint, sich in die Lage der Mädchen hineinzuversetzen, aber dass wir eigentlich wissen, wie ihre Leben sind, was sie erreichen wollen und welche Zukunft sie sich wünschen – und wir können ihnen helfen, diese zu erreichen“, sagt Klever.

„Mädchen müssen ihre Schule beenden, um die Chance auf eine bessere Zukunft zu haben.“

Klever (22), klärt in Ecuador über Sexualität auf

Schlechtere Aussichten durch frühe Schwangerschaft

Er macht deutlich, dass eine frühe Schwangerschaft nicht nur Mädchen ihre Zukunft verbaut, sondern auch Jungen. „Ich erzähle älteren Jungen, dass sie verantwortungsvoll mit dem Thema Sex umgehen und sich gut überlegen sollten, ob sie ungeschützten Sex haben. Es kann ihre Träume gefährden, wenn sie in jungen Jahren Kinder bekommen. Ich sage Männern, dass es falsch wäre, ein Mädchen zu heiraten, das noch nicht mal 18 Jahre alt ist. Mädchen müssen ihre Schule beenden, um die Chance auf eine bessere Zukunft zu haben. Wenn sie schwanger werden, bevor sie ihren Abschluss haben, brechen sie die Schule meistens ab und haben dadurch schlechtere Zukunftsaussichten.“

Klevers Appell an die Männer ist nicht unbegründet: In Ecuador haben 90 Prozent der Jugendlichen unter 15 Jahren ihre erste sexuelle Beziehung mit einer älteren Person. Außerdem haben acht Prozent der Mädchen, die schwanger werden, bevor sie 15 Jahre alt sind, eine Beziehung mit jemandem, der 30 Jahre alt oder älter ist*.

Klever auf einer Wiese mit einer Kuh im Hintergrund.
Sexuelle Aufklärung ist laut Klever eines der wichtigsten Mittel, um Frühschwangerschaften zu verhindern. Plan International/Fabricio Morales

Klever denkt, dass viele Eltern in Chimborazo selten über Beziehungen oder Sexualität mit ihren Kindern sprechen und daher viele Jugendliche in Ecuador** aus Unwissenheit bereits im Teenageralter Eltern werden. „Mädchen haben das Gefühl, dass sie nicht mit ihren Eltern darüber sprechen oder ihnen vertrauen können“, sagt er. „Ich verstehe das tatsächlich auch, denn häufig wird den Mädchen vermittelt, dass sie keine Schulbildung brauchen, da sie andere Aufgaben in der Familie haben, wie beispielsweise kochen, putzen und die Kindererziehung. Deshalb teilen sie oft nicht mal ihre Schulerfolge mit ihren Eltern und verlassen letztlich vielmals die Schule, heiraten und bekommen Kinder.“

Aber Klever ist zuversichtlich, dass dieser Zustand geändert werden kann. „Wir können Teenagerschwangerschaften reduzieren, indem wir Kampagnenarbeit machen und die Botschaft verbreiten, dass Jungen und Mädchen gleich sind und dieselben Rechte haben“, sagt er. „Sexuelle Aufklärung ist dafür enorm wichtig – nicht nur zu Hause, sondern insbesondere in den Schulen. Sie sind wie ein zweites Zuhause und die Lehrer wie unsere zweiten Eltern, also haben sie viel Einfluss.“

Plan International hat gemeinsam mit der Regierung von Ecuador ein Handbuch über sexuelle Rechte erstellt und 200 Lehrerinnen und Lehrer im ganzen Land dazu ausgebildet, fachkundig Sexualunterricht zu geben. So können sie ihre Schülerinnen und Schüler verständlich über Sex und Beziehungen aufklären. Das ist weit von dem vorherigen Ansatz ecuadorianischer Schulen entfernt, der zur Prävention von frühen Schwangerschaften Enthaltung bewarb.

„Wir dachten vorher, das Wort ‚sexuell’ wäre ein schlechtes Wort, etwas Vulgäres. Aber jetzt ist es ein Thema, über das wir frei sprechen können.“

Klever (22), klärt in Ecuador über Sexualität auf

Offen über Sexualität sprechen

Stattdessen werden Jugendliche nun ermutigt, offen über Beziehungen und Sexualität zu sprechen, um die Scham und damit einhergehend das Tabu rund um diese Themen zu reduzieren. „Wir dachten vorher, das Wort ‚sexuell’ wäre ein schlechtes Wort, etwas Vulgäres“, sagt Klever. „Aber jetzt ist es ein Thema, über das wir frei sprechen können.“

Durch das Programm hat Plan International Ecuador fast 7.000 Jugendliche in elf Provinzen Ecuadors erreicht. Mit sichtbarem Erfolg: In den letzten zwei Jahren gab es in dem Gebiet Los Rios unter den 275 Club-Teilnehmenden keine einzige Teenagerschwangerschaft.

Klever strebt dasselbe für seine eigene Provinz an. „Ich fände es toll, wenn wir auch hier keine frühen Schwangerschaften mehr sähen“, sagt er und ist gemeinsam mit Plan und seiner Gemeinde auf einem guten Weg: Im letzten Jahr gab es in Chimborazo nur sechs Teenagerschwangerschaften – das ist deutlich weniger verglichen mit einem Durchschnitt von 40 Frühschwangerschaften in den vorherigen Jahren.

 

* Quelle: ENSANUT 2012

** In Ecuador sind 18 Prozent der jugendlichen Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren Mütter (Quelle: ENSANUT 2012). Dies ist die höchste Rate an Teenagerschwangerschaften in Südamerika und die dritthöchste in Lateinamerika (nach Nicaragua und der Dominikanischen Republik). Dem Bevölkerungsfonds der vereinten Nationen (UNFPA) zufolge ist Lateinamerika die einzige Region in der Welt, in der Teenagerschwangerschaften zunehmen.

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