„Wir mussten viele Schicksalsschläge durchstehen. Auf der Flucht vor dem Krieg haben wir obdachlos im Nirgendwo gelebt“
„Ich bin stolz auf mich und meine Familie. Wir mussten viele Schicksalsschläge durchstehen. Auf der Flucht vor dem Krieg haben wir obdachlos im Nirgendwo gelebt. Ich dachte, es würde immer so weitergehen“, sagt die 35-jährige Alia. Sie war gezwungen, ihr Heimatland Syrien zu verlassen, nachdem der Krieg dort ausgebrochen war, der in den letzten Jahren Millionen syrischer Familien aus ihrem Zuhause vertrieben hat.
Zum Glück schafften Alia und ihre Familie es unbeschadet in das Flüchtlingslager Azraq in Jordanien. Sie hatten zuvor drei Monate lang in einem verlassenen Zelt wenige Kilometer von der jordanischen Grenze entfernt gelebt, bis es in Brand gesteckt wurde.
„Das Zelt fing an zu brennen, als wir drinnen waren. Ein Teil meines Jilbab (ein traditionelles, bodenlanges Kleidungsstück, das von manchen muslimischen Frauen getragen wird) fing ebenfalls Feuer. Danach musste ich es noch einige Wochen lang tragen, weil es die einzige Kleidung war, die ich bei mir hatte“, erinnert sich Alia. Zehn Jahre nach dem Beginn des Konflikts in Syrien hat sich das Leben von Mädchen und Frauen in der Region grundlegend verändert. Ob sie in Syrien geblieben oder in andere Länder geflohen sind, unzählige Leben wurden durch ein Jahrzehnt Krieg entwurzelt.
Alia, eine ausgebildete Lehrerin und Mutter von sechs Kindern, ist inzwischen ein fester Bestandteil des Teams von Plan International im Flüchtlingslager Azraq. Sie befürwortet die Projekte, die in den Unterkünften durchgeführt werden und leitet selbst eine engagierte Gruppe von freiwilligen Helfer:innen.
„Ich habe das Gefühl, etwas Positives beitragen zu können. Wenn ich sehe, wie die Mädchen zu unseren Programmen und Aktionen kommen, sehe ich direkt, was ich bewirken kann. Die Mädchen und Eltern haben Vertrauen in uns, deshalb ist die Teilnahme und das Engagement so groß.“
Alia sagt, dass kein Mädchen und keine Frau jemals das durchmachen sollte, was sie auf ihrem Weg in die Sicherheit erleben musste. Sie wünscht sich mehr Unterstützung für Mädchen und Frauen, damit diese mit der ungleichen Behandlung besser umgehen können, welche in Zeiten von Krisen noch stärker ausgeprägt sind.
„Ich habe das Gefühl, etwas positives beitragen zu können. Wenn ich sehe, wie die Mädchen zu unseren Aktionen kommen, sehe ich direkt, was ich bewirken kann“
„Ich begann meine Arbeit bei Plan International als Gemeindeassistentin. Das war noch ganz zu Beginn der Aktivitäten der Organisation in dem Flüchtlingslager. Aufgrund meiner Erfahrung als Lehrerin fällt es mir leicht, vertrauensvolle Beziehungen mit Menschen aufzubauen. Deshalb konnte ich vielen Mädchen und Frauen von unseren Programmen erzählen und sie waren schnell bereit, selbst tätig zu werden.“
„Plan International unterscheidet sich von den anderen NGOs, die im Camp arbeiten, weil sie hier dafür bekannt sind, dass sie vor allem auch Mädchen und Frauen unterstützen. Deshalb sind auch die meisten Menschen, die hier arbeiten und sich engagieren, weiblich. Aber wir ermutigen auch andere Erwachsene, sich generell für Kinder und Jugendliche in Azraq einzusetzen.“
Plan International arbeitet seit 2017 im Flüchtlingslager in Jordanien. Dort werden Mädchen und Jungen von der frühen Kindheit bis ins Erwachsenenalter begleitet und unterstützt. Mitarbeiter:innen und freiwillige Helfer:innen vermitteln Lebenskompetenzen und bieten psychosoziale Unterstützung, Kinderbetreuung, Kurse für Eltern und Aufklärung über sexuelle und reproduktive Gesundheit. Darüber hinaus werden Jugendausschüsse eingerichtet, damit Kinder und Jugendliche auch direkt mitbestimmen und sich einbringen können.
Alia bemerkt einen großen Unterschied zum Leben im Camp vor einigen Jahren. Zu Beginn haben sich die Bewohner:innen kaum draußen aufgehalten, besonders Mädchen waren kaum im öffentlichen Leben zu sehen. Das hat sich nun geändert: Mädchen treffen sich in Gruppen, unterhalten sich, spielen und machen Sport. Aber auch ihr Verhalten ist anders. „Mädchen stellen sich den Diskriminierungen, die sie erleben, selbstbewusst entgegen.“
„Man kann das Selbstvertrauen und die Energie spüren, die diese Mädchen haben, das ist total inspirierend“