„Meine Hoffnung war, Unternehmerin zu werden“

Foto: Niraj Neupane

Am Fuße des Himalaja in Nepal will ein Projekt verhindern, dass Mädchen aus Armut verheiratet werden.

Eine junge Frau im Schneidersitz
Shristi (20) konnte nur unregelmäßig eine Schule besuchen Niraj Neupane

„Das größte Entwicklungshindernis für Mädchen wie mich ist die Armut“, sagt Shristi. „Die Armut verhindert Bildung in unserem Dorf.“ Hinter der 20-jährigen Frau erstreckt sich ein weitläufiges Tal. Dünne Bäume stehen zwischen Terrassenfeldern, die sich über die Höhenzüge von Kalikot erstrecken, einem Bezirk im Westen von Nepal. „Viele Mädchen in meiner Gemeinde mussten die Schule aus finanziellen Gründen abbrechen oder, weil sie früh geheiratet haben.“ Ein Schicksal, das die junge Frau für sich verhindern will.

Eine Familie gerät in den Kreislauf der Armut

Vor sechs Jahren verstarb Shristis Vater, und die Familie kämpft seitdem, um aus eigener Kraft über die Runden zu kommen. Shristis Mutter Sunita musste zunächst die Ziegen verkaufen, die eigentlich die Hauptnahrungs- und Einkommensquelle der Familie darstellten. Später verließen Shristis ältere Schwestern das Zuhause und heirateten – ein Kreislauf der Armut. Shristi selbst blieb, um sich mit ihrer Mutter weiterhin um die jüngeren Brüder und den Haushalt zu kümmern.

 

„Die Armut verhindert Bildung in unserem Dorf.“

Shristi (20), junge Frau aus Kalikot im Westen Nepals

Mit Gelegenheitsjobs wie dem Verkauf von Baumaterialien – Sand und Steinen – sicherte die Familie ihr Überleben. Während Shristis jüngere Brüder immer zur Schule gehen konnten, stellte die junge Frau ihre eigenen Träume aus finanziellen Gründen zurück. „Meine Hoffnung war es immer, Unternehmerin zu werden, um mich und meine Familie besser zu unterstützen und eine Ausbildung zu absolvieren.“ 

Shristi zählt zu den landesweit etwa sechs Prozent der Kinder, die im Grundschulalter nicht regelmäßig eine Schule besuchen können. In der Sekundarstufe II verlassen in Nepal 15 Prozent der Kinder die Schule ohne einen Abschluss.

Blick auf schneebedeckte Berge
Blick über die nepalesischen Mittelgebirge zum schneebedeckten Himalaja Marc Tornow
Zwei Frauen diskutieren
Shristi und ihre Mutter Sunita sichern den Haushalt und das Überleben der Familie Niraj Neupane

Mit eigenem Einkommen zu mehr sozialem Schutz

Inmitten der Ausläufer des Himalaja-Gebirges schien das Ziel einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit lange Zeit ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Bis Shristi eingeladen wurde, an einem Förderprogramm teilzunehmen, das in dieser abgelegenen ländlichen Region Nepals von Plan International durchgeführt wird. Es umfasst Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche. Insbesondere für Mädchen und junge Frauen soll dadurch ein Beitrag zur Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation erreicht werden – welche gleichzeitig eine Frühverheiratung verhindert.

„Es ging darum, persönliche Potenziale zu entfalten.“

Shristi (20), Teilnehmerin eines Aus- und Fortbildungsprogramms

Nachdem Shristi an Maßnahmen zur Unternehmensentwicklung wie Buchführung und Kostenrechnung teilgenommen hatte, rückte ihr Wunsch näher: Sie erhielt zwei Ziegen und begann mit dem Wiederaufbau einer eigenen Tierzucht. Was die Familie aus Not vor einigen Jahren hatte aufgeben müssen, sollte nun mit wichtigem Fachwissen flankiert zum Erfolg geführt werden. Mittlerweile verfügt der Haushalt wieder über acht Tiere. Sie verschaffen Mutter Sunita und ihren Kindern wieder finanzielle Sicherheit und erlauben es Shristi, sich auf ihre eigene Ausbildung zu konzentrieren.

Eine junge Frau liest
Heute geht Shristi wieder zur Schule und konzentriert sich auf ihre Ausbildung Niraj Neupane
Zwei Frauen mit Ziegen
Shristi und ihre Mutter Sunita verfügen mittlerweile wieder über acht Ziegen Niraj Neupane

„Die Teilnahme an dem Aus- und Fortbildungsprogramm war eine tolle Erfahrung“, sagt Shristi. „Es ging dabei nicht nur darum, ein eigenes Unternehmen aufzubauen, sondern auch, persönliche Potenziale zu entfalten.“ Neben unternehmerischem Grundwissen standen auch wichtige Informationen über die Folgen von Kinderehen, früher Schwangerschaft, sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte auf dem Lehrplan.

Einsatz gegen Kinderheirat und für mehr Bildungschancen

Mutter Sunita sagt, sie habe nach dem Training bei ihrer Tochter Veränderungen festgestellt: „Einst schüchtern und zögerlich, ihre Meinung zu sagen, ist Shristi jetzt initiativ und selbstbewusst geworden. Sie hat nicht nur ihren Brüdern wertvolles Wissen weitergegeben, sondern auch mich und andere Gemeindemitglieder inspiriert.“ Durch ihren Einsatz gegen Kinderheirat habe sich die junge Frau sogar Lob und Unterstützung der lokalen Regierung erworben.

„Einst schüchtern und zögerlich, ist Shristi jetzt initiativ und selbstbewusst geworden.“

Sunita, Mutter von Shristi

Heute geht Shristi wieder zur Schule und möchte endlich ihren Sekundarschulabschluss nachholen. „Früher konnte ich nur ab und zu zur Schule gehen“, sagt die 20-Jährige. „Mein Leben ist jetzt einfacher geworden und ich kann meine Ausbildung fortsetzen. Ich bin jetzt besser in der Lage, meine Einnahmen und Ausgaben bei der Tierzucht zu verwalten und erfolgreich zu wirtschaften.“ Doch die junge Frau will mehr. Sie möchte erreichen, dass ihre älteren Schwestern, die früh geheiratet haben, ebenfalls keine Not mehr leiden müssen, und dass ihre Brüder die Schule mit einem Abschluss beenden können.

Marc Tornow hat Nepal seit 1994 mehrfach bereist, dort gearbeitet und die Geschichte von Shristi mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.

Unterstützung für Mädchen

Wir von Plan International engagieren uns für den Schutz, die Bildung, politische Teilhabe, Gesundheit und Einkommenssicherung von Mädchen und jungen Frauen in unseren Partnerländern in Asien sowie Afrika und Lateinamerika. Mit einer Spende in den Mädchen-Fonds helfen Sie, Gleichberechtigung zu fördern und die Situation von Mädchen weltweit nachhaltig zu verbessern.

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