Am 12. Juni ist Welttag gegen Kinderarbeit, ein Anlass, der ein kritisches Bewusstsein für die Ausbeutung von Kindern schaffen soll. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) arbeiten rund 160 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren unter Bedingungen, die als Kinderarbeit eingestuft werden. Auch im westafrikanischen Mali, einem der ärmsten Länder der Welt, beginnen Kinder oft schon früh zu arbeiten, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Mehr als die Hälfte der Kinder in Mali sind in irgendeiner Form von Kinderarbeit betroffen, die jüngsten von ihnen sind gerade einmal fünf Jahre alt. Die Schule bleibt dabei meist auf der Strecke – auch, weil Bildung in Mali oft keinen hohen Stellenwert hat.
„Hunderte von Kindern erfahren durch das Verhalten ihrer Eltern, dass Bildung für sie nicht wichtig ist.“
„Hunderte von Kindern erfahren durch das Verhalten ihrer Eltern, dass Bildung für sie nicht wichtig ist“, sagt Bildungsspezialist Adama Dembélé. So auch Moussa: Er sollte früh als Schmied arbeiten, um ein zusätzliches Einkommen für die Familie zu erzielen. „Ich habe mich gegen diese Entscheidung meines Großvaters und meiner Onkel gewehrt“, erzählt der heute 19-Jährige. „Es war eine schmerzhafte Zeit, weil wir uns ständig stritten.“ Moussa konnte aus diesem Grund nicht gemeinsam mit seinen Altersgenossen mit sieben Jahren eingeschult werden.
Um Kindern wie ihm den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, haben wir von Plan International das Projekt PASS+ ins Leben gerufen. Das Ziel ist es, mehr als 180.000 Mädchen und Jungen in Westafrika wieder in die Schule zu bringen. In Zusammenarbeit mit unserer Partnerorganisation Educate A Child soll das Projekt Kindern in Burkina Faso, Mali und Niger das Modell der „Speed School“ vermitteln. In diesen Schulen werden Kinder, die über einen längeren Zeitpunkt Unterricht verpasst haben, in Intensivkursen auf den Stand ihrer Altersgenossen gebracht, damit sie wieder am regulären Unterricht teilnehmen können.
2015 startete das PASS+ Projekt auch in Moussas Gemeinde – und der Junge sah endlich seine Chance, eine schulische Ausbildung zu erhalten. Er begann, heimlich den Unterricht zu besuchen. Als die Lehrerin davon erfuhr, informierte sie die Familie. Projektmitarbeiter:innen besuchten Moussa zu Hause und sprachen mit seinem Großvater, um diesen zu ermutigen, Moussa die Teilnahme am Unterricht zu gestatten – was er schließlich auch tat.
„Am Anfang hatte ich ein paar Schwierigkeiten“, erzählt Moussa über seine Zeit im PASS+ Projekt. „Aber die Lehrkräfte haben mir sehr geholfen und ich konnte mich immer besser einbringen.“ Er lernte fleißig und konnte ein Jahr später das Lernzentrum verlassen und in die örtliche Grundschule integriert werden. Rund 82 Prozent der Kinder, die am Projekt teilnehmen, gehen später in die Regelschule. Und auch bei den Gemeindemitgliedern hat sich ein Umdenken eingestellt: Sie verstehen die Bedeutung von Bildung für Kinder, insbesondere auch für Mädchen und Kinder mit Behinderung. Das hat den sozialen Zusammenhalt innerhalb der Gemeinde gestärkt. „Wir sehen, dass die Kinder in den Lernzentren sogar auf einem besseren Niveau sind als in den traditionellen Schulen“, berichtet der Gemeindeleiter. „Wir möchten daher, dass das Projekt weiter fortgesetzt wird.“
Heute ist Moussa stolz, dass seine Familie ihn inzwischen voll unterstützt. Er ist gerade im letzten Jahr der High School und macht sich gut. Seine Leidenschaft ist Technik, sein Traum ist Informatiker zu werden. Er hat auch Ideen, wie er seine Gemeinde verbessern kann: „Bei uns fehlt es Ressourcen zum Lernen, zum Beispiel haben wir keine Bibliothek“, sagt er. „Ich möchte, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat wie ich, zur Schule zu gehen, lernen zu können und sich zu entwickeln.“