In den Ländern West- und Zentralafrikas werden noch immer viele Mädchen im Kindesalter verheiratet. Sechs der zehn Länder mit der weltweit höchsten Rate an Kinder-, Früh- und Zwangsehen liegen in dieser Region: Niger (76 Prozent), Zentralafrikanische Republik (68 Prozent), Mali (52 Prozent), Burkina Faso (52 Prozent), Guinea (51 Prozent) und Nigeria (43 Prozent).
Auch die Zahl der Betroffenen von weiblicher Genitalverstümmelung ist in der Region hoch. Laut aktuellen Daten von UNICEF mussten in Guinea 95 Prozent der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren diese gefährliche Prozedur durchmachen. In Mali sind es 89 Prozent, in Sierra Leone 83 Prozent, in Burkina Faso 76 Prozent und in Guinea-Bissau immer noch 52 Prozent.
Plan International hat ein Kompetenzzentrum zur Beendigung von Kinder-, Früh- und Zwangsehen sowie weiblicher Genitalverstümmelung (FGM oder auch FGC steht für Female Genital Mutilation/Cutting - hier erklärt unsere Expertin, weshalb wir unterschiedliche Begriffe nutzen) in Westafrika eingerichtet. Dadurch soll die Bekämpfung dieser Praktiken in der Region gestärkt werden. Ab 2021 bietet das Zentrum Hilfestellung und technische Unterstützung für die Büros von Plan International und seinen Partnern an, damit diese effektiv und evidenzbasiert auf Fragen zu diesen beiden Themen Einfluss nehmen können. Es wird Fachwissen von internen und externen Quellen bereitgestellt und die Stimmen junger Menschen werden gesammelt und weiterverbreitet. Auch die Arbeit mit wichtigen Partnern in diesen Bereichen sowie die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden über das Kompetenzzentrum bekannt gegeben, um Plan Internationals Reichweite und Einfluss im Kampf gegen Kinderheirat und FGM zu stärken.
Um das Ziel der Beendigung von Kinderheirat und weiblicher Genitalverstümmelung zu erreichen, beschäftigt sich das Zentrum auch mit Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR). Eine regionale Arbeitsgruppe von Expert:innen aus den Plan-Länderbüros in Westafrika wurde eingerichtet, um Informationen und Erfahrungen zu koordinieren und auszutauschen. Das Kompetenzzentrum bietet verschiedene Dienstleistungen an. Zum Beispiel werden die Mitarbeiter:innen unserer Länderbüros und deren Partner in Workshops geschult. Die Schulungen zielen darauf ab, Lösungen speziell für die Bedingungen vor Ort zu finden. Das Kompetenzzentrum legt besonderen Wert auf einen kontextbezogenen Ansatz, der die Bedürfnisse der verschiedenen Gemeinschaften berücksichtigt und somit nachhaltige Veränderungen ermöglicht.
Im Zuge der Planung, Umsetzung und Bewertung von Projekten unterstützt das Zentrum die Plan-Länderbüros bei der Umsetzung von Projekten zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Um die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben, hat das Zentrum zusammen mit der Organisation Internationale de la Francophonie (OIF) einen Projektantrag für eine Studie über die Ursachen der hohen Rate von Kinderheiraten im Senegal entwickelt und erfolgreich eingereicht.
Mit der regionalen Plattform zu den Themen SRGR, Kinderheirat und FGM verstärkt das Kompetenzzentrum seine Expertenrolle in allen drei Bereichen. Es wurden bereits vier politische Stellungnahmen veröffentlicht, die auf der Agenda von Plan International basieren. Dadurch konnten bereits mehrere internationale Konferenzen moderiert werden und somit weitere Möglichkeiten der Interessenvertretung eröffnet werden.
Das Zentrum hat gute Beziehungen zu verschiedenen regionalen UN-Organisationen (UNFPA, UNESCO, WHO, UNAIDS) und weiteren regionalen Non-Profit-Organisationen aufgebaut. Gemeinsam wurde das politische Engagement für die Bildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in West- und Zentralafrika gefördert und verankert, das auch als WCA Commitment bekannt ist. Das Ziel dieser Maßnahme ist es, die Region in die Lage zu versetzen, schnell und effektiv Zugang zu Bildungs- und Informationsprogrammen sowie Gesundheitsdiensten zu ermöglichen. Die Programme sollen speziell auf die Bedürfnisse von Jugendlichen und jungen Menschen in West- und Zentralafrika ausgerichtet sein. Ziel ist es, ihnen dabei zu helfen, frühe und ungewollte Schwangerschaften, Kinderheirat und Schulabbruch zu vermeiden und geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen. Diese Vereinbarung wurde im April 2023 von den Gesundheits- und Bildungsminister:innen der Region unterzeichnet und soll als Richtlinie zur Sicherstellung einer gesunden Entwicklung von Kindern dienen.
Das Kompetenzzentrum arbeitet nicht nur für junge Menschen, sondern vor allem mit ihnen. Neben den Stimmen der Jugendlichen, die zu den Themen FGM, Frühverheiratung und sexuelle und reproduktive Gesundheit eingeholt werden, wurden beispielsweise auch kurze Videos produziert. In diesen berichten Mädchen über Mythen zur Menstruationsgesundheit. Die Mythen wurden dann durch korrekte Erklärungen entkräftet. Diese Filme wurden tausendfach online angesehen und kommentiert, was zeigt, wie sehr sich junge Menschen für Fragen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte interessieren.
Trotz der erfolgreichen und wichtigen Arbeit des Zentrums ist seine Zukunft ungewiss: Es hat mit finanziellen und personellen Engpässen zu kämpfen, was die Arbeitsfähigkeit einschränkt.Außerdem befinden sich die Plan-Länderbüros noch im Prozess, das Zentrum als feste Größe in ihre SRGR-Planung zu integrieren. Zentrumsleitern Dr. Jeanette Afounde denkt, dass das Exzellenzzentrum wichtige Arbeit dabei leistet, Kinderheirat und weibliche Genitalverstümmelung zu beenden. Sie sagt: „Ich bin zuversichtlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn ich sehe, dass wir trotz Schwierigkeiten Fortschritte bei Schulungen und Unterstützung von Programmen in den Länderbüros im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit machen.“
Dieser Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Kamerun erstellt.