„Bildung gibt es für mich nicht, weil ich kein Handy habe“, sagt Lilian bitter. Die 13-Jährige bleibt seit dem 24. April – dem Beginn von Ausgangssperren in der Coronavirus-Pandemie – zu Hause. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Schulen in Paraguay bereits 45 Tage lang ihre Pforten geschlossen. Soziale Kontakte wurden wie überall auf der Welt reduziert, um weitreichende Ansteckungen wie etwa im großen Nachbarland Brasilien zu vermeiden.
Lilians Eltern haben keinen eigenen Internetzugang, doch um auf die empfohlenen Online-Plattformen zum Lernen zu kommen, müsste sich das Mädchen ein passendes Smartphone leihen. „Hier im Dorf gibt es außerdem keinen guten Empfang, und ich hätte sowieso kaum Geld, um mein Guthaben aufzuladen“, erklärt die wissbegierige Schülerin, die mit ihren Eltern und jüngeren Brüdern in der Nähe des Cerro Tres Kandú wohnt. Paraguays höchster Berg thront mit 843 Metern über einer Ebene im Süden des Landes.
Die Quarantänebeschränkungen haben weltweit Auswirkungen auf Schulkinder und ihre Familien – vor allem aber in ärmeren Ländern wie Paraguay, wo die extreme Armut zunimmt und Familien ohne Geld jetzt automatisch ohne Schulbildung dastehen. Für Mädchen, die davon unverhältnismäßig häufig betroffen sind, wird dies noch Folgen weit über ein Ende der Pandemie hinaus haben: Sie verlieren beim Thema Bildung den Anschluss. Mehr noch ermuntern die Schulschließungen viele Eltern, ihre Töchter ganz vom Unterricht abzumelden.
„Hier im Dorf gibt es keinen guten Empfang, und ich hätte sowieso kaum Geld, um mein Guthaben aufzuladen.“
Um Mädchen wie Lilian in dieser Situation zu unterstützen, hat Plan International Paraguay die Broschüre „¡Aprendamos con Kiara! – Lasst uns mit Kiara lernen!“ erstellt. Darin gibt die gleichnamige Comic-Heldin Kindern klar erfassbare Informationen über Covid-19, etwa zur Vermeidung einer Ansteckung, oder Ratschläge für eine faire Verteilung von Hausarbeiten zwischen Jungen und Mädchen. Auch Fälle von häuslicher Gewalt hilft Kiara aufzuspüren, zu melden und so Kinder sicher durch die Quarantäne zu begleiten. Stattdessen schlägt die Comicfigur Spiele und kurzweilige Aktivitäten vor, um die Kleinen daheim zu unterhalten und ein Minimum an Bildungsangeboten zu geben. Eine vielseitige Lernfibel, die von den Plan-Teams an ärmere Familien ohne Internetzugang verteilt wird.
Dass Mädchen traditionell mehr im Haushalt anpacken müssen als Jungs, nervt Lilian: „Das ist die typische Haltung, dass Hausarbeit Mädchen- und Frauensache sei.“ Es ist diese Art von Stereotypen und sozialen Normen, die dazu führen, dass Mädchen in der Corona-Krise stärker gefährdet sind als Jungen. Die Broschüre will dazu beitragen, dies zu ändern.
Für Lilian lastet über all dem immer auch die Sorge um die Wirtschaft ihres Heimatlandes, Paraguay ist noch von einer Dürre im letzten Jahre gezeichnet. „Die Arbeitslosen bekommen keine Arbeit mehr, arme Familien keine Hilfe mehr.“
Mit einer allmählichen Lockerung der Quarantäne freut sich Lilian auf die Rückkehr zur Normalität – und vor allem die Wiedereröffnung ihrer Schule. „Meine Botschaft an alle Mädchen ist, Glauben und Hoffnung zu haben, und vor allem die Kraft, all dies zu überwinden.“