Wenn Suwa an ihren Hochzeitstag vor 70 Jahren zurückdenkt, erinnert sie sich vor allem daran, dass sie ein neues Kleid anhatte. „Ich war glücklich, dass ich neue Kleider und neuen Schmuck trug“, erinnert sich die 79-Jährige. „Ich wusste nicht, dass sich mein Leben von diesem Tag an verändern würde.“ An diesem Tag war Suwa gerade einmal neun Jahre alt.
„Alles, was wir tun konnten, war unseren alten Traditionen und Ritualen zu folgen.“
Ihr Bräutigam war ein Fremder für sie. Fast fünf Jahre dauerte es, bis Suwa begriff, dass sie Mann und Frau waren. Bis dahin war sie schon mehrmals schwanger gewesen, hatte aber vier ihrer Babys verloren, da ihr kindlicher Körper noch nicht weit genug entwickelt war, um eine Schwangerschaft zu überstehen. „Niemand hat uns darauf hingewiesen, dass Kinderheirat und Kinderkriegen sowohl für die Mutter als auch für die Kinder lebensgefährlich sind.“ Damals gab es keine Schulen und auch keine anderen Möglichkeiten, Informationen zu erhalten. „Alles, was wir tun konnten, war unseren alten Traditionen und Ritualen zu folgen“, sagt Suwa, die aus einer ländlichen Gemeinde in der nepalesischen Provinz Karnali stammt.
Heute hat Suwa vier gesunde Kinder: zwei Söhne und zwei Töchter. Und sie engagiert sich aktiv in ihrer Gemeinde gegen Kinderheirat. Ihre Tage verbringt sie damit, durch ihr Dorf zu gehen und ihre Geschichte zu erzählen. Sie klärt heranwachsende Mädchen und ihre Eltern über die negativen Aspekte der Frühverheiratung auf und ermutigt die Mädchen, in der Schule zu bleiben und erst zu heiraten, wenn sie erwachsen sind. Unterstützt wird sie dabei von Plan International: Mit unseren Partnerorganisationen arbeiten wir vor Ort zusammen, um das Bewusstsein für schädliche traditionelle Praktiken zu schärfen. Suwa hat an Schulungen zum Thema Kinderheirat, Kinderrechte und Bildung teilgenommen.
Das Plan-Projekt zur Verhinderung von Kinder-, Früh- und Zwangsheirat wird in zehn Gemeinden in den Distrikten Jumla, Kalikot und Bardiya durchgeführt. Ziel ist es, die Zahl der Kinderheirat zu senken und die nepalesische Regierung dabei zu unterstützen, ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 zu erreichen. In der Agenda 2030 haben die Vereinten Nationen 2015 ihre Nachhaltigkeitsziele (auch Sustainable Development Goals, SDGs) festgelegt, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen – unter anderem das Ziel, dass keine Mädchen und Jungen unter 18 Jahren Frühehen eingehen. In Nepal sind Hochzeiten unter 20 Jahren gesetzlich verboten, dennoch findet sie in vielen Familien statt; aus Tradition und auch aus Unwissenheit.
Das Projekt hat bisher über 7.000 Teilnehmer:innen erreicht und 28 Fälle von Kinderheirat verhindert. Darüber hinaus haben sich 40 Gemeinden als frei von Kinder-, Früh- und Zwangsheirat erklärt. Auf nationaler Ebene arbeitet die Kinderrechtsorganisation Plan International außerdem in Ausschüssen für Menschenrechte und Justiz sowie dem Frauen- und Sozialausschuss mit anderen Organistaionen zusammen. Das Ziel dabei ist, Einfluss auf die Verabschiedung einer überarbeiteten Fassung der nepalesischen Strategie zur verstärkten Verhinderung von Kinder-, Früh- und Zwangsheirat zu nehmen.
„Ich musste die Verantwortung übernehmen, ein Einkommen für meine Familie zu erwirtschaften.“
Amar (45) wurde mit 15 Jahren zum Ehemann – und kennt die Herausforderungen, mit denen jung verheiratete Männer konfrontiert sind. „Ich musste die Verantwortung übernehmen, ein Einkommen für meine Familie zu erwirtschaften“, sagt er. „In einem Umfeld, in dem es nicht viele Möglichkeiten gibt, habe ich hart gearbeitet, damit meine Familie jeden Tag zwei Mahlzeiten zu sich nehmen konnte. In dieser Zeit wurde mir bewusst, welche Folgen Kinderheirat für unser Leben hat." Auch Amar hat an Schulungen von Plan International teilgenommen und setzt sich in seiner Gemeinde dafür ein, dass künftige Generationen nicht in ungewollte und frühe Ehen gezwungen werden, auch und gerade bei seinen eigenen Kindern: „Meine Kinder heiraten nicht, bevor sie nicht das gesetzliche Alter erreicht haben.“
Die Geschichte wurde mit Material aus dem nepalesischen Plan-Büro erstellt.