Nachdem ich 2007 eine Stiftung zur Förderung der Ausbildung von Mädchen gegründet hatte, gab es 2008 für mich die Chance einige Projekte von Plan in Nepal zu besuchen – unter anderem das Projekt zur Abschaffung der Kamalari-Tradition, ein Projekt zur Befreiung versklavter Mädchen der Volksgruppe der Tharu. Das Projekt ist langfristig angelegt und ermöglicht sowohl den Mädchen eine Ausbildung als auch ihren sehr armen Familien andere Einkommensmöglichkeiten als den Lohn aus dem „Verkauf“ ihrer Töchter. Seit diesem ersten Besuch unterstütze ich mit meiner Stiftung das Projekt. In 2011 und 2013 habe ich mich vor Ort vom Fortgang des Projektes überzeugt und mich mit befreiten Mädchen getroffen. Es war und ist ein gutes Gefühl, zu hören und zu sehen, dass in den Dörfern der Tharu ein Umdenken eingesetzt hatte. Immer mehr Mädchen bleiben in ihren Familien und gehen zur Schule.
Durch diese drei Besuche hatte ich in Nepal viel Kontakt zu den Einheimischen – zu befreiten Mädchen, zu ihren Familien, zu Mitgliedern der betroffenen Gemeinden, zu Mitarbeitern von Plan Nepal und anderen Hilfsorganisationen. Ein großer Teil der Menschen, die ich getroffen habe, ist arm. Bei den Fahrten über Land und durch Dörfer wurde deutlich: sie sind nicht die Ausnahme. Armut, extreme Armut, gibt es überall in dem Land.
Und nun dieses Erdbeben! Als ich am Samstag zum ersten Mal davon hörte, hoffte ich noch, dass nur eine kleine Region und nur wenige Menschen davon betroffen seien. Diese Hoffnung war schnell zerstört. Immer wieder gleiche ich seitdem Bilder und Nachrichten aus dem Land mit den Bildern in meinem Kopf ab. Auf jeder Reise hat die schlechte Infrastruktur im Land einen bedrückenden Eindruck bei mir hinterlassen und Bewunderung für die Menschen, die damit täglich leben.
„Auf jeder Reise hat die schlechte Infrastruktur im Land einen bedrückenden Eindruck bei mir hinterlassen und Bewunderung für die Menschen, die damit täglich leben.“
In den Berichterstattungen höre ich oft, dass die Retter aufgrund der schlechten Wegebedingungen nur mühsam in die abgelegenen Orte gelangen. Das war auch vor dem Erdbeben in vielen Gegenden so. Ich erinnere mich an Fahrten, bei denen 100 Kilometer zur Tagestour wurden. Eine zügige Fahrt in ein Krankenhaus oder zu einer Geburtsstation war zum Teil auf Strecken von 10 Kilometern schon ausgeschlossen. Nun wird das Erdbeben, ganz abgesehen von der akuten Not und dem Leid durch die vielen Toten und Verletzten, die Lebensbedingungen in vielen Orten noch weiter verschlechtern.
Es wird jetzt umfangreiche Hilfe nötig sein für die Rettung und Behandlung von Menschen und die Beseitigung akuter Sachschäden. Ich habe große Sorge, dass viele Projekte in Nepal – wie die Bekämpfung von Kinderhandel und Kindersklaverei, die Förderung der Bildung für alle Kinder – nun wieder bzw. noch mehr in den Hintergrund geraten. Aber vielleicht liegt in der Katastrophe auch eine Chance für dauerhaft größere Aufmerksamkeit. Ich will es hoffen und werde neben der Katastrophenhilfe weiterhin die Mädchen der Tharu bei ihrer Befreiung und Ausbildung unterstützen.