Seit die Dürre sich im Norden Kenias ausbreitet, vielen Menschen die Lebensgrundlage nimmt und den Hunger verstärkt, haben die Fälle von sexueller Gewalt drastisch zugenommen. In einer kürzlich von Plan International durchgeführte Befragung in zwei Unterbezirken in Marsabit – North Horr und Laisamis – gaben 12 Prozent der Mädchen an, vergewaltigt worden zu sein. 17 Prozent der Mädchen sagten, sie seien sexuell belästigt worden, 15 Prozent erzählten, dass sie zu Hause Gewalt erlebt haben. Und eines von zehn Mädchen gab an, dass es außerhalb ihres Hauses angegriffen wurde.
„Die Situation wird durch die Tatsache verschlimmert, dass die Kinder nicht mehr zur Schule gehen, weil sie im Haushalt helfen. Dadurch werden sie von dem einzigen Ort ferngehalten, den sie als sicher ansehen, und sind Gewalt sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Zuhauses ausgesetzt“, sagt Atieno Onyonyi, Landesdirektor von Plan International Kenia.
Mehr als die Hälfte der befragten Eltern gab an, dass ihre Kinder seit der Dürre nicht mehr zur Schule gehen. Die meisten der befragten Mädchen sagten, dass sie täglich mehr als eine Stunde zu Fuß unterwegs sind, um Wasser und Brennholz zu suchen, wobei 14 Prozent der Befragten den Eindruck hatten, dass der Weg zu den Wasserstellen für sie nicht sicher sei.
Traditionelle Rollenbilder haben sich mit der Dürre weiter verstärkt. Zudem wurden Tausende Mädchen zwangsverheiratet: 39 Prozent gaben an, in den vergangenen sechs Monaten zur Kinderheirat gezwungen worden zu sein. In Folge der Trockenheit tragen zudem mehr Frauen die schwere Last, sich um ihre Familien zu kümmern und deren Grundbedürfnisse zu befriedigen. Sie sorgen sich um die Kinder, müssen Arbeit suchen, Nahrung und Wasser besorgen und sich um das Vieh kümmern. All das setzt sie der Gewalt aus.
Wenn sie Gewalt erfahren, gibt es für die meisten Mädchen und Frauen keinen Ort, an dem sie Schutz suchen können. Nur 3 Prozent der Befragten gaben an, Zugang zu einer Bratungsstelle zu haben und nur 1 von 100 Mädchen und Frauen hat Zugang zu psychosozialer Unterstützung. Fast die Hälfte der Befragten (43 Prozent) gab an, über gar keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten zu verfügen. Diejenigen, die einen solchen Zugang hatten, sagten, dass sie nicht in der Lage sind, die medizinische Versorgung zu bezahlen. Für die meisten der Befragten waren die einzigen Personen, an die sie sich wenden konnten, Familienmitglieder – die häufig auch die Gewalttäter:innen sind.
In dieser Situation ist Soforthilfe mit lebensrettender humanitärer Unterstützung erforderlich. Die Maßnahmen sollten sich auf den Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt, die Wasserknappheit, den Zugang zu Nahrungsmitteln, die Hygienebedürfnisse sowie Ernährungshilfe für Stillende und Schwangere, ältere Menschen, Waisen und Menschen mit Behinderung konzentrieren. In Reaktion auf die zunehmende Zahl an Gewalt sollten die Meldestrukturen und Rechtsschutzmechanismen gestärkt werden. Eltern, Gemeindevorsteher:innen und Anwält:innen müssen in die Lage versetzt werden, proaktiv zu handeln und den Meldemechanismus zu kennen. Zudem müssen Verbindungen zu etablierten Institutionen wie Polizeistationen geschaffen werden und es muss sichergestellt werden, dass es dort Gender- und Kinderreferate gibt sowie Überweisungssysteme, psychosoziale Unterstützung und Beratungsdienste, um Vorfälle von geschlechtsspezifischer Gewalt zu bekämpfen.
In Zusammenarbeit mit unseren lokalen Partnern reagieren wir von Plan International auf die Krise in Marsabit mit lebensrettender humanitärer Hilfe für die Gemeinden, einschließlich Geldtransfers und Schulspeisungsprogrammen, um den Schulbesuch der Kinder sicherzustellen.
Befragt wurden insgesamt 460 Personen, von denen 85 Prozent weiblich und 15 Prozent männlich waren. Außerdem wurden zwölf Fokusgruppendiskussionen mit Mädchen und Jungen im Alter von sechs bis 17 Jahren sowie Fokusgruppendiskussionen mit Jugendlichen (19-24 Jahre) und Erwachsenen (über 25 Jahre) durchgeführt.