„Männer sind besser als Frauen, Jungen mehr wert als Mädchen“. Mit diesen Vorstellungen wächst Fatima in einem libanesischen Dorf auf. Deshalb spürt die älteste von vier Schwestern schon als Kind, dass ihre Eltern unbedingt einen Sohn bekommen wollen.
Wie unterschiedlich Mädchen und Jungen gewertet werden, hat wenig mit Gleichberechtigung zu tun, weiß Fatima heute. Ihrer Familie macht sie dafür zwar keine Vorwürfe – denn auch sie sind mit diesen gesellschaftlichen Vorstellungen großgeworden. Doch für Fatima steht fest: Sie ist Feministin und will sich für Mädchen und Frauen einsetzen. „Ich sage Nein zur Gewalt gegen Frauen, Nein zur Diskriminierung, Nein zur Ungleichheit.“
Als Fatima beschließt, Journalismus zu studieren, wird ihr feministisches Engagement auf die Probe gestellt. Denn dort, wo sie aufwächst, sollen Mädchen für die Ausbildung in der Nähe ihres Zuhauses bleiben – das schließt viele Studienfächer aus, so auch Journalismus. Fatimas Wunsch, ihr Dorf für das Studium zu verlassen, stößt auf Widerstand in der Familie. Also versucht Fatima, sie mit allen Mitteln umzustimmen. Ein Mädchen zu sein, das anders denkt als es von ihr erwartet wird, ist anstrengend, merkt die junge Libanesin. Ihre Überzeugungsarbeit zahlt sich schließlich aus: Sie kann ausziehen und an der Universität studieren.
„Für die Mädchen in meinem Dorf bin ich ein Vorbild.“
„Für die Mädchen in meinem Dorf bin ich ein Vorbild. Darauf bin ich sehr stolz, denn es gibt mir mehr Verantwortung.“ Als Journalistin und „Content Creator“ will die heute 21-Jährige vor allem Mädchen und Frauen ermutigen, für ihre Rechte einzustehen. Sie ist davon überzeugt, dass eine Hochzeit oder ein Kind nicht das Ende der Karriere sein muss. Genau das möchte sie den Mädchen in ihrer Gemeinde vermitteln: Sie sollen die Freiheit haben, das zu studieren, was sie möchten, ohne eingeschränkt zu werden.
Ihre journalistische Ausbildung hilft ihr in ihrem feministischen Engagement. Denn um Erfolg zu haben, muss sie die sozialen Medien nutzen. Sie sind der Raum, den sie für ihre Botschaft braucht. „Sie sind die Zukunft“, weiß Fatima.
Aber nicht jede Erfahrung auf diesem Gebiet ist positiv. Neben großem Zuspruch bekommt Fatima online auch immer wieder Beleidigungen und negative Kommentare.
Doch nicht nur das Internet ist in Libanon ein unsicherer Ort: „Die öffentlichen Verkehrsmittel sind überhaupt nicht sicher für uns Mädchen. Selbst Uber ist hier nicht sicher.“
Wie die allgegenwärtige Geschlechterungleichheit, ist auch die fehlende Sicherheit zunächst etwas, womit Fatima aufwächst. Erst später findet sie Worte dafür, versteht, dass diese Dinge verändert werden können. Während ihres Studiums kommt sie mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Berührung und beginnt, die Probleme zu benennen, die sie beunruhigten.
„Die Schwesternschaft mit den anderen Feministinnen ist etwas Unbezahlbares.“
„Ich bin mit diesen Ideen aufgewachsen, ohne zu wissen, dass diese Ideen einen Namen haben“, erzählt Fatima. „Jetzt weiß ich: Ich kann etwas verändern, ich kann etwas bewirken.“
Als sie sich dem Projekt „She Leads“ von Plan International anschließt, trifft sie auf andere Feministinnen und Aktivistinnen unterschiedlicher Länder, die Ähnliches erleben. Sie tauschen sich aus und merken, dass sie für die gleiche Sache einstehen. „Ich werde emotional, wenn ich mich an „She Leads“ erinnere. Es war das erste Mal, dass ich Feministinnen aus Jordanien, dem Irak, Tunesien und Ägypten getroffen habe. Es war so inspirierend für mich, an diesem Projekt zu arbeiten“, erinnert sich Fatima.
Worauf Fatima außerdem stolz ist: Durch das Projekt von Plan International beschäftigt sie sich auch mit sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte – ein Tabuthema in ihrem Dorf. Als Botschafterin für das Thema spricht sie unter anderem über Periodenarmut und ermutigt ihre Schwestern und Cousinen, es ihr gleichzutun. Fatima ist der Meinung, dass es für Schwestern, Mütter und Töchter normal sein sollte, diese Gespräche über die Gesundheit zu führen.
Eine der vielen Herausforderungen, mit denen Fatima und andere Feministinnen konfrontiert sind, ist der Mangel an Ressourcen – schlechte Internetverbindungen oder fehlende Smartphones behindern ihre aktivistische Arbeit. Doch Fatimas Tatendrang lässt sich nicht so leicht bremsen. Die Verantwortung, die sie gegenüber den Mädchen in ihrer Gemeinde und in ihrem Land empfindet, treibt sie an. Was sie sich wünscht, ist ein gerechterer Zugang zu Bildung sowie eine bessere Vertretung in den Medien und in der Politik.
„Wir haben noch einen langen Weg vor uns ... aber wir sind auf dem Weg.“
Als Fatimas Mutter ein fünftes Kind bekommt, bedeutet das die große Veränderung für die Familie, denn: Es ist ein Junge. Fatima ist bewusst, dass sie zusammen mit ihren drei Schwestern eine große Rolle bei seiner Erziehung spielen wird. „Es ist eine wertvolle Gelegenheit, einem Jungen beizubringen, dass Frauen gleichberechtigt sind“, hofft Fatima.
„Was auch immer die Kämpfe sind, und was auch immer die Hindernisse sind, die mir in den Weg gelegt werden, ich werde weitermachen, egal was passiert.“
Fatimas Geschichte wurde mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro erstellt.