Lena, Was ist deine konkrete Aufgabe?
Thematisch gesehen, unterstütze ich junge Menschen und ihre Organisation dabei, sich für gesellschaftlichen und politischen Wandel einzusetzen und diese Prozesse zu beeinflussen. Dabei kann es sich sowohl um Organisationen handeln, die durch Plan entstanden sind, der Fokus liegt aber auf autonomen Gruppen und Netzwerken. Oftmals haben die Organisationen verschiedene thematische Ausrichtungen, tragen aber alle zu Gleichberechtigung und der Verwirklichung von Menschenrechten bei. Beispielsweise arbeiten wir sowohl mit Jugendorganisationen, die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung in Südamerika einsetzen, als auch mit Organisationen, die sich gegen Kinderheirat in ihren Gemeinden in Südostasien einsetzen.
Im Speziellen geht es bei meiner Stelle darum, intern ein Netzwerk von Plan-Mitarbeitenden zum Thema LEAD zu koordinieren. Damit wollen wir den weltweiten Austausch zu diesem Thema fördern und die Arbeit, die Plan International in diesem Bereich macht, verbessern. Dies tun wir unter anderem, indem wir Herausforderungen, Erfolge und innovative Ansätze miteinander teilen und sie weiterentwickeln. Dazu gehören regelmäßige Treffen in Person, aber auch durch virtuelle Möglichkeiten, wie etwa Webinare und interne Informationsplattformen, die wir zu diesem Zweck ausgebaut haben und die allen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen.
Was genau ist LEAD und welches Ziel wird dadurch verfolgt?
Um seine Programm- und Einflussarbeit zu stärken, hat sich Plan entschieden, in sechs verschiedene Wirkungsbereiche zu investieren, LEAD ist also einer davon. Die anderen Wirkungsbereiche beziehen sich auf Bildung, wirtschaftliche Förderung von Jugendlichen, frühkindliche Förderung, sexuelle Gesundheit und reproduktive Rechte und Kinderschutz. LEAD steht dafür, dass wir junge Menschen als aktive Treiber:innen von politischem und gesellschaftlichem Wandel unterstützen. Es ist also zum einen ein programmatischer Ansatz und gibt vor, wie wir unsere Projekte umsetzen wollen. Allerdings geht LEAD noch weiter darüber hinaus und beinhaltet auch eine gewisse Haltung gegenüber den jungen Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. Um diese Ziele umzusetzen, müssen wir auf Augenhöhe mit jungen Menschen zusammenarbeiten und ihre eigenen Organisationen stärken. Das heißt, wir arbeiten als gleichberechtigte Partner miteinander.
Was ist der Unterschied von LEAD zu einem Programm wie das Girls Lead Programm?
Girls Lead ist ein Beispiel dafür, wie LEAD als Ansatz in der Praxis dann aussieht, das heißt also im Prinzip gibt es da keinen Unterschied, sondern Girls Lead ist genau auf diesen Grundlagen aufgebaut. Das Girls Lead Programm wurde 2017 von einer vielfältigen Gruppe von Personen unter der Koordination von Plan International Deutschland ins Leben gerufen. Die Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Programm fließen zum Beispiel in das Lead Netzwerk ein. Das Girls Lead Programm besteht aus sieben Projekten in Afrika, Asien und Lateinamerika, die alle über fünf Jahre laufen und sich auf von jungen Frauen geführte Organisationen konzentriert, die besonderer Unterstützung bedürfen. Jugendorganisationen, besonders, wenn sie nicht formell registriert sind, haben oft Schwierigkeiten sich durchzusetzen oder sich um finanzielle Mittel zu bewerben. Die Bürokratielast großer Organisation macht dies oftmals nicht einfacher. Wichtig ist aber zu wissen, dass der Fokus nicht nur auf Frauen oder Einzelpersonen liegt, sondern um die kollektive Stärke von jungen Menschen insgesamt. Dennoch stehen für uns oft besonders feministische Strömungen von jungen Frauen im Fokus.
Wie sieht die praktische Arbeit zu LEAD aus?
LEAD Programm- und Einflussarbeit ist auf verschiedenen Bausteinen aufgebaut. Unsere wichtigste Grundvoraussetzung konzentriert sich darauf, junge Menschen darauf vorzubereiten, sich für gesellschaftlichen und politischen Wandel einzusetzen. Dabei kann es sich sowohl um die lokale als auch um die nationale Ebene handeln, das heißt, junge Menschen setzen sich für die Dinge ein, die sie konkret betreffen und die sie für wichtig erachten. Initiativen können dabei zum Beispiel die Beleuchtung auf Schulwegen oder auch den Klimaschutz betreffen. Weitere wichtige Grundbausteinen, um junge Menschen zu unterstützen, beziehen sich zum Beispiel auch darauf, kollektive Ansätze und Bewegungen zu fördern, das heißt gemeinschaftliches Arbeiten, statt sich auf Individuen zu fokussieren. Weiterhin achtet man bei LEAD darauf, Regierungen als auch Verantwortungsträger zu beeinflussen, um die Beteiligung junger Menschen zu verwirklichen. Dies kann zum Beispiel durch politische Aktionen erreicht werden, wie zum Beispiel Kampagnen, Einflussnahme auf Entscheidungsträger:innen, Petitionen oder die Schaffung von Datengrundlagen, welche die Umstände aufzeigen. Zusätzlich stärken wir ihre Stimmen und ihr Image in den Medien, indem wir junge Menschen als fähige Aktivisten und Aktivistinnen darstellen und ihnen helfen, sich beispielsweise durch Projekte im Journalismus oder im Radiobereich selbst Gehör zu verschaffen.
Wird LEAD in all unseren Projektländern behandelt?
Plan hat sich zunehmend dahin entwickelt, nicht nur mit Kindern, sondern auch mit jungen Menschen und besonders jungen Frauen in unseren Projektländern zu arbeiten. Das heißt, dass diese Ansätze mittlerweile in allen Regionen vertreten sind. Oftmals wird das Thema mit anderen Initiativen verknüpft, zum Beispiel werden in Togo Jugendorganisation gestärkt, die sich gegen sexuelle Gewalt einsetzen. Junge Menschen werden also nicht nur in ihren Grundkompetenzen gestärkt und unterstützt, sondern auch in Bezug auf die thematische Ausrichtung. Damit fließt LEAD mittlerweile in viele Projektgestaltungen mit ein.
Wie werden junge Menschen konkret dazu ermutigt sich einzumischen und politisch mitzuwirken?
Wichtig ist vor allem bei LEAD zu verstehen, dass viele junge Menschen bereits politisch aktiv sind oder es sein wollen und wir ihnen nur etwas Hilfestellung und Ressourcen bieten. Dabei kann es sich zum einen um finanzielle Unterstützung handeln, damit Jugendorganisationen ihre Initiativen umsetzen können, aber auch um Zugang zu wichtigen Entscheidungsforen, um ihre Stimmen noch weiter zu verstärken. Letztendlich nimmt Plan hier aber eine untergeordnete Stellung ein und die Bedürfnisse und Wünsche dieser jungen Menschen stehen im Vordergrund. Oftmals arbeiten wir mit unabhängigen Organisationen zusammen, die schon viele erfolgreiche Aktionen umgesetzt haben. Auf der anderen Seite stärken wir aber auch junge Menschen, durch verschiedene Trainingsmöglichkeiten, wodurch sie Grundkompetenzen im Bereich Politik, Gesellschaft und Einflussarbeit lernen. Dazu gehören dann auch Themen wie kritisches Denken, Gleichberechtigung und dazu in der Lage zu sein, öffentlich vor anderen zu sprechen und Selbstvertrauen zu entwickeln. Junge Menschen lernen dadurch, was sie in ihrer Gemeinde bewirken können und wie sie das erreichen können.
„Wenn Entscheidungen getroffen werden würden, die dein Leben betreffen, würdest du auch ein Mitspracherecht haben wollen!“
Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Beteiligung und Mitsprache bei allen Entscheidungen, die sie betreffen. Wenn Entscheidungen getroffen werden würden, die dein Leben betreffen, würdest du auch ein Mitspracherecht haben wollen!
Das Recht von Kindern und Jugendlichen sich Gehör zu verschaffen, ist in der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) in Artikel 12 verankert. Diese Gesetzgebung schützt das Recht eines jeden Kindes, seine Meinung in allen es betreffenden Angelegenheiten frei zu äußern und das sich daraus ergebende Recht, dass diese Meinung angemessen berücksichtigt wird.
Wir erreichen unser Ziel außerdem nur dann, wenn die Beteiligung junger Menschen an Entscheidungsprozessen wirklich sinnvoll ist, das heißt, wenn junge Menschen wirklich eine echte Möglichkeit haben, diesen Prozess und die Entscheidung zu beeinflussen oder sogar zu leiten.
An unserem Plan Standort in Hamburg haben wir nun auch das Exzellenzzentrum Leiten – was kann man sich darunter vorstellen?
Das Haus der Patenschaften in Hamburg-Barmbek ist die Heimat unseres neuen Exzellenzzentrums. Innerhalb der weltweiten Plan-Familie übernimmt Plan International Deutschland e. V. die Führungsrolle bei der Umsetzung des Zielbereichs LEAD und wird die entsprechende Arbeit des weltweiten Verbundes von dort aus koordinieren. Im Exzellenzzentrum initiieren wir einerseits starke und wirkungsvolle Programme und Projekte zur politischen Teilhabe, vor allem von Mädchen und jungen Frauen, insbesondere durch unser „Girls Lead“-Programm. Zum anderen koordinieren wir vom deutschen Büro aus, wie bereits erwähnt, das globale Netzwerk von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die besondere Expertise in diesem Bereich haben, sowie ihre Arbeit in unseren Programmländern und nationalen Organisationen. Auch unsere politische Einflussnahme profitiert von dieser Vernetzung. Wir stimmen unsere Advocacy-Arbeit miteinander ab und tragen so dazu bei, jungen Frauen auch auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen.
Welche Herausforderungen begegnen dir in deiner täglichen Arbeit und/oder mit Blick auf LEAD generell?
Vielen haben oft noch große Vorurteile gegenüber jungen Menschen, besonders jungen Frauen, denen sie nur wenig zutrauen. Junge Menschen werden oft als desinteressiert an Politik und Gesellschaft dargestellt und als zu unerfahren, um daran mitzuwirken. Dies ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass viele Jugendliche das Gefühl haben, dass sich ihre Regierung nur unzureichend um ihre Wünsche und Bedürfnisse kümmert, (wie z.B. zum Thema Umweltschutz und Klimawandel, oder Digitalisierung). Auch in Deutschland, gibt es spezielle Angebote für junge Menschen, die theoretisch zu einem besseren Umfeld für das zivile und politische Engagement junger Menschen beitragen sollten. Dennoch bleiben formale Partizipationsstrukturen, wie Jugendparlamente oder formelle Parteien, für junge Menschen oft unwirksame Kanäle für ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Außerdem wählen junge Menschen, dank neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, zunehmend andere Wege der Beteiligung, die andere Risiken beinhalten. Obwohl sich jungen Menschen durch das Internet zunehmend organisieren, begegnen sie hier auch neue Formen der Gewalt, die besonders junge Frauen betrifft. Dennoch bringen junge Menschen so ihr soziales und politisches Engagement durch Proteste, Kampagnen oder politische Aktionen außerhalb formaler Institutionen, wie Regierungsforen und Parteien, zum Ausdruck und erweitern damit das Spektrum der Zivilgesellschaft.
„Junge Menschen werden oft als desinteressiert an Politik und Gesellschaft dargestellt und als zu unerfahren, um daran mitzuwirken.“
Was wünscht du dir für die Zukunft von LEAD?
Veränderung fängt nicht nur bei anderen an – sondern auch bei unseren eigenen Einstellungen, Werten und unserer Fähigkeit, auch selbst das zu verwirklichen und kritisch zu hinterfragen, was wir uns von anderen wünschen. Ich wünsche mir, dass wir uns solidarisch und gemeinschaftlich für Themen wie Jugendpartizipation und Gleichberechtigung einsetzen können und dabei in der Lage sind, unsere eigenen Privilegien zu hinterfragen, was vielen oft schwerfällt. Dazu gehört auch sich zu Themen wie Feminismus, Anti-Rassismus und Intersektionalität zu bekennen und ein besseres gesamtgesellschaftliches Verständnis dafür zu schaffen. Besonders würde ich mir dabei wünschen, dass wir erkennen, wie wichtig diese Ansätze für eine ausgeglichene, gleichberechtigte Gesellschaft sind, damit sich alle nach ihren Vorstellungen frei entfalten und daran ohne Ungerechtigkeiten teilhaben können.