Aisha Jama Diriye ist eine Gemeindeaktivistin, die den steigenden Zahlen geschlechtsspezifischer Gewalt in der Toghdheer-Region in Somaliland etwas entgegensetzt. In Ostafrika herrscht die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten, mir verheerenden Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Bewohner:innen der Region. Wie in vielen Krisen sind Mädchen und Frauen besonders stark getroffen.
Die Bewohner:innen von Somalia befinden sich in einer Krise. Eine große Zahl von Menschen ist arbeitslos und auf der Flucht. Viele Haushalte stehen unter enormem Druck, was das Risiko von Mädchen und Frauen steigert, missbraucht oder ausgebeutet zu werden. Zu ihrem Schutz hat sich ein Netzwerk von 30 Gruppen zusammengefunden, das von Plan International und der Partnerorganisation NAFIS („Network Against Female Genital Mutilation in Somaliland“) unterstützt wird. Aisha ist Teil dieser Gruppe, gemeinsam mit vielen anderen Müttern. Hier erzählt sie uns von ihrer Gemeindearbeit.
„Wir arbeiten hart daran, vor allem weibliche Genitalverstümmelung (auf Englisch 'Female Genital Mutilation' oder FGM, Anm. d. Red.) zu verhindern und die Praxis abzuschaffen. Für Mädchen ist der Eingriff mit vielen Problemen verbunden. Viele bluten sehr stark, haben Schmerzen, und verlieren das Vertrauen in die Menschen, die sie in diese Situation bringen. Das ist traumatisch und lässt viele Frauen ihr Leben lang nicht los: Die schlimmen Erinnerungen bleiben immer ein Teil von ihnen. Dann bringt FGM auch noch viele langanhaltende gesundheitliche Probleme mit sich, wiederkehrende Entzündungen, Infektionen und Krämpfe.“
Aisha erklärt, was sie und ihre Mitstreiterinnen motiviert: „Viele von uns sind selbst Überlebende von FGM. Unsere Familien sind betroffen, wir wurden von dem Leid der Mädchen in unseren Gemeinden berührt. Einige sind sogar daran gestorben. Also sind wir aufgestanden und setzen uns jetzt gegen die Praktik ein.“ Sie leisten vor allem Aufklärungsarbeit und machen Hausbesuche, da die Praktik der Beschneidung ein sehr sensibles Thema ist und die Gespräche oft privat und individuell geführt werden müssen. „Wir versuchen, anderen Müttern zu vermitteln, dass es keine Schande ist, wenn Mädchen nicht beschnitten sind. Dass es nichts über die Ehre oder die Würde des Mädchens aussagt, und dass sie trotzdem eines Tages heiraten können, sofern sie es wünschen.“
„Wir wurden von dem Leid der Mädchen in unseren Gemeinden berührt. Also sind wir aufgestanden, und setzen uns jetzt gegen die Praktik ein.“
Die Dürre hat starke Auswirkungen auf die Wirtschaft, was vielen Familien finanziell zu schaffen macht. Einige Männer fühlen sich machtlos und unter Druck gesetzt, weil sie ihre Familien nicht ernähren können. Das äußert sich auch in einer Zunahme an häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt.
„Ehemänner lassen ihren Frust an ihren Frauen aus. Andere, die ihre Arbeit verloren haben, belästigen Frauen und Mädchen auf der Straße. Auch die Teilnahme an unseren Vorträgen und Workshops ist zurückgegangen. Mütter, die normalerweise zu uns kommen, müssen all ihre Zeit darauf verwenden, Essen und Wasser für ihre Familien aufzutreiben, da die Lebensmittel teurer sind und es weniger Arbeit gibt“, beobachtet die Aischa.
Sie erzählt auch, dass viele Menschen in der Hoffnung auf bessere Jobs und Lebensumstände vom Land in die Städte ziehen. Manche leben bei Verwandten, aber einige versuchen, alleine zurechtzukommen. Besonders Frauen bringt das in gefährliche Abhängigkeitsverhältnisse. Manche werden von ihren Vermietern in ihrem Zuhause missbraucht. Andere arbeiten als Hausangestellte und sind ihren Arbeitgebern ausgeliefert.
Die Formen, die Gewalt gegen Frauen annimmt, ist abhängig vom Kontext, erklärt die 55-jährige Aktivistin. „In ländlichen Gebieten müssen Mädchen wegen der Dürre oft längere Strecken zurücklegen, um Wasser zu holen. Auf diesen Wegen sind die nicht gut geschützt. In der Stadt sind die öffentlichen Verkehrsmittel ein Gefahrenraum. Viele benutzen Tuk-Tuks (motorisierte Rikschas, Anm. d. Red.) als ein günstiges Fortbewegungsmittel, aber besonders nachts kommt es oft vor, dass Fahrer ihren Kundinnen etwas antun.“
Ein großes Problem ist die Tatsache, dass das Thema sexueller Missbrauch mit Scham behaftet ist, und viele Opfer schweigen, anstatt sich Hilfe zu holen. „Die emotionale Belastung ist hoch, wenn man so etwas alleine mit sich herumträgt. Viele junge Frauen gehen daran zu Grunde, einige unternehmen sogar Selbstmordversuche.“
„Mit Aufklärung kämpfen wir gegen diese Kultur, in der dieses Verhalten normal ist.“
Aisha erklärt, welche Maßnahmen das Netzwerk ergreift: „Wir haben viel unternommen, um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern. Mit Aufklärung kämpfen wir gegen diese Kultur, in der dieses Verhalten normal ist. Wir gehen in Schulen und Universitäten. An Tuk-Tuk-Sammelstellen sprechen wir mit Fahrern, um ihnen zu signalisieren, dass Missbrauch nicht in Ordnung ist. Wir sprechen junge Männer an Fußballplätzen an, um sie zu sensibilisieren.“