Es ist ein heißer Oktobertag in der Küstenregion Kilifi, Kenia. Die Trockenzeit neigt sich bereits langsam dem Ende zu und wird in wenigen Wochen der kurzen, bis zum Jahresende andauernden Regenzeit weichen. Elizabeth macht im Schatten eines Baumes eine kurze Pause von der Arbeit in ihrem Schulgarten. Zusammen mit tausenden anderen Kindern verwandelt sie den Garten in eine Klimaschutzmaßnahme – und setzt damit ein kraftvolles Zeichen für ihr Heimatland.
Die Sechstklässlerin ist Mitglied des 4K-Clubs. Der Schulclub ist Teil eines Umweltbildungsprogramms, das junge Menschen an klimafreundliche Landwirtschaftsformen und Naturschutzaktivitäten heranführt. Der Name ist Programm: 4K steht für die swahilischen Begriffe „kuungana“ (vereinen), „kufanya“ (handeln), „kusaidia“ (helfen) und „Kenya“ (Kenia).
„Ich bin dem 4K-Club beigetreten, um zu den Menschen zu gehören, die meinem Land helfen“, sagt Elizabeth selbstbewusst. „Kenia erlebt eine anhaltende Dürre, es gibt immer weniger Bäume und auch die Luft verschlechtert sich. Das bedeutet, dass wir zu Hause und in der Schule nicht genug zu essen haben.“
„Ich bin dem 4K-Club beigetreten, um den Menschen in meinem Land zu helfen.“
Die Regierung in Kenia gibt sich international als Vorreiter in Sachen Klimapolitik. Das ostafrikanische Land verfolgt das ambitionierte Ziel, bis 2030 CO₂-neutral zu sein. Dafür setzt es stark auf erneuerbare Energien (Wasserkraft, Geothermie, Wind) und hat Programme zur Wiederaufforstung gestartet. Kenia beteiligt sich außerdem an internationalen Klimaschutzabkommen und fördert nachhaltige Landwirtschaft. Durch die Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung will die Regierung Arbeitsplätze sowie bessere Lebensbedingungen schaffen.
Doch die Herausforderungen bleiben: Die Menschen können sich nicht auf eine zuverlässige Energieversorgung verlassen, Klimaprojekte müssen mit einer begrenzten Finanzierung auskommen und Rodungen, Dürreperioden sowie Überschwemmungen als Folge des Klimawandels sorgen für Konflikte und gefährden die Versorgung der Menschen.
Da die kenianische Wirtschaft stark von natürlichen Ressourcen abhängt, ist sie auch sehr anfällig für Klimaschwankungen. Landwirtschaft und Fischerei sind die wichtigste Einkommensquelle. Nachhaltige und umweltbewusste Anbaumethoden spielen deshalb eine wichtige Rolle.
„Wenn wir zusammenarbeiten, können wir Dinge schneller und einfacher erledigen“, ist Elizabeth überzeugt. Sie und ihre Mitschüler:innen treffen sich zweimal pro Woche, um mehr über Umweltschutz zu lernen. In ihrem Garten bauen sie unter anderem Wassermelonen, Auberginen und Yamswurzeln an. Die Ernte versorgt sowohl die Schule als auch die örtliche Gemeinde mit frischem Obst und Gemüse.
Im 4K-Club lernen die Kinder in erster Linie, wie man Bäume pflanzt, Abfälle richtig entsorgt, Wasser spart und landwirtschaftliche Flächen nachhaltig nutzt. Solche Fähigkeiten sind entscheidend, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern.
Neben den Maßnahmen zum Naturschutz finden aber auch Sport- und Freizeitaktivitäten, Besuche bei anderen 4K-Clubs in der Region, Wettbewerbe sowie Exkursionen zu landwirtschaftlichen Betrieben statt.
Die Vorgänger der heutigen 4K-Clubs wurden bereits 1962 von der kenianischen Regierung ins Leben gerufen. 2021 legte die Initiative einen Neustart hin – nun mit dem Fokus auf widerstandsfähige Landwirtschaft. Das soll junge Menschen dabei unterstützen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und umweltbewusster zu leben.
Jeder Club entwickelt eigene Projekte, um seine Region bestmöglich zu unterstützen. Die engagierten Mitglieder haben mit ihrem erlernten Wissen das Potenzial, Kenias Zukunft aktiv mitzugestalten. Wie wichtig einigen Kindern diese Aufgabe ist, zeigt sich am Beispiel von Elizabeth. Ihr eigentlicher Traum ist es, Ärztin zu werden. „Ich mag es nicht, wenn mit der Natur so achtlos umgegangen wird. Deshalb konzentriere ich mich erstmal darauf, meine Umwelt zu heilen“, sagt die Sechstklässlerin.
Plan International unterstützt die Schulclubs im Rahmen des COSME-Projekts. Dafür arbeitet die Kinderrechtsorganisation unter anderem mit dem kenianischen Landwirtschaftsministerium zusammen, um technische Schulungen und Ressourcen bereitzustellen, darunter Schattierungsnetze zum Schutz der Pflanzen sowie Lösungen zum Schutz der Wälder. Durch die Kooperation mit Schulen, Lehrkräften und Gemeindegruppen soll das Bewusstsein für Umweltbedrohungen und Lösungsansätze gestärkt werden.
Nicht nur Schüler:innen profitieren von dem Projekt, sondern auch die Seegrasbäuerinnen an der Küste Kenias. Mima ist eine von ihnen. Sie kennt die Küstenlinie wie ihre Westentasche, denn seit über vierzig Jahren ist sie ihr täglicher Arbeitsplatz. „Seegras ist meine Lebensgrundlage“, sagt Mima stolz. „Mit dem erwirtschafteten Geld ernähre ich meine Familie, finanziere die Bildung meiner Kinder und sichere meinen Haushalt.“ Nach der Ernte wird das Seegras exportiert oder weiterverarbeitet, etwa zu dem Lebensmittelzusatzstoff Carrageen. Doch seit einigen Jahren sieht sich Mima neuen Herausforderungen gegenüber.
„Vor dreißig Jahren war das Meer weit entfernt von seinem heutigen Standort“, erinnert sich Mima und zeigt auf die Flut, die jetzt nur noch 30 Meter von ihrem Zuhause entfernt ist. Steigende Meeresspiegel und extreme Wetterbedingungen bedrohen nun ihre Ernte. Dürre führt zu Krankheiten, und starke Regenfälle spülen die Seegrasfarmen fort. Für Mima und viele Menschen in ihrer Gemeinde wird es zunehmend schwieriger, den Lebensunterhalt zu verdienen und die Familie zu ernähren. Außerdem haben sie Schwierigkeiten, ihr Seegras gewinnbringend zu verkaufen.
Im Oktober 2023 etwa zerstörten die El Niño-Regenfälle die gesamte Ernte. „Wir haben alles verloren, sogar die Setzlinge“, berichtet Mima. Doch dank des COSME-Projekts fanden sie und die anderen Landwirtinnen Unterstützung, um ihre Geschäfte wieder aufzubauen.
Plan International stellt ihnen neue Ausrüstung zur Verfügung, darunter Netze zum Trocknen, Lagereinrichtungen, Setzlinge, Seile, Knoten und Haken. Die Frauengruppe, zu der auch Mima gehört, lernt zudem nachhaltige Anbaumethoden und neue Vermarktungsstrategien. Zum Beispiel, wie man Pflanzenstärkungsmittel herstellt, um die Bodenqualität auf umweltfreundliche Weise zu verbessern.
„Meine 120 Seile, mit denen ich die Setzlinge während der Wachstumsphase befestige, sind bereit. Jetzt freue ich mich darauf, die Setzlinge zu pflanzen“, verkündet Mima begeistert. Mit dem Gewinn aus der Ernte will die Seegrasbäuerin endlich ihr Haus fertigstellen.
„Viele Frauen an der Küste Kenias leben in Armut und kämpfen um ihre Selbstbestimmung.“
Plan schult die Frauen an der Küste Kenias auch im wirtschaftlichen Umgang mit Geld. Jetzt sparen sie gemeinsam und erhalten für ihre Unternehmen oder Haushaltsausgaben zinsgünstige Kredite. Bis Ende 2024 hatte Mimas Gruppe bereits 200.000 Kenia Schilling angespart, das entspricht rund 1.500 Euro.
„Viele Frauen an der Küste leben in Armut und kämpfen um ihre Selbstbestimmung“, erklärt Beryl Odour, die das COSME-Projekt in Kenia leitet. „Für sie ist jetzt die Zeit gekommen, aufzustehen und ihre Familien und Gemeinden zu stärken.“
Die Seegrasbäuerinnen sitzen dafür direkt an der Quelle. Denn aus Seegras können zum Beispiel lokal Produkte wie Reinigungs- oder Pflanzenstärkungsmittel hergestellt werden, welche die heimische Wirtschaft ankurbeln. Im Rahmen des Waldschutz-Programms lernen die Frauen auch, marktfähige Pflanzen, Pilze und Heilkräuter anzubauen.
„Seit Generationen kümmern sich die Frauen um das Land. Ihr Wissen und ihre Führungsstärke sind entscheidend“, sagt Annick Gillard-Bailetti, die dem COSME-Projekt als Beraterin für Küstenresilienz beisteht. „Denn was an Land passiert, beeinflusst die Küste, und was an der Küste geschieht, hat Auswirkungen auf das Meer.“
Die komplexen Küstenökosysteme Kenias sind nicht nur für Fischerei und Landwirtschaft wichtig. Sie fördern die Biodiversität, schützen Gemeinden vor Überschwemmungen und sind eine treibende Kraft für Tourismus. Inzwischen stehen sie aber am Rand des Zusammenbruchs: Die Erwärmung der Küstengewässer und extreme Wetterereignisse stören den Lebenszyklus von Fischen sowie anderen wichtigen Pflanzen- und Tierarten. Das destabilisiert das ökologische Gleichgewicht. Ökosysteme, die gegen die Auswirkungen des Klimawandels schützen, werden außerdem durch Überfischung, Abholzung und Landrodung zerstört.
„Wir müssen Frauen am Klimaschutz beteiligen, da ihre Lebensgrundlage, Gesundheit und Sicherheit direkt mit den Folgen des Klimawandels verbunden sind.“
Frauen und Mädchen leiden besonders unter diesen Umständen. „In ländlichen Gebieten übernehmen Frauen den Großteil der Haushaltsaufgaben. Sie bauen Nahrungsmittel an, sammeln Wasser und Feuerholz. All das ist stark von klimatischen Veränderungen betroffen“, erklärt Gillard-Bailetti. „Die Beteiligung von Frauen am Klimaschutz ist entscheidend, da ihre Lebensgrundlage, Gesundheit und Sicherheit direkt mit den natürlichen Ressourcen verbunden sind.“
Deshalb stehen Frauen und Mädchen im Mittelpunkt des COSME-Projekts. Sie bewahren die fragilen Ökosysteme, von denen Kenias Zukunft abhängt, und übernehmen mit ihrer Expertise wichtige Führungspositionen in ihren Gemeinden. Die Beteiligung der Kinder in den 4K-Clubs stellt sicher, dass auch die nachfolgenden Generationen diese Bemühungen weiterführen.
Die Geschichte der Frauen und Mädchen aus Kenia wurde mithilfe von Material aus dem örtlichen Plan-Büro zusammengetragen und aufgeschrieben.