Das Leben ist herausfordernd genug, hier draußen in den Weiten der Provinz Stung Treng. Kambodschas Randgebiete profitieren kaum von dem Aufschwung, der vor allem die Orte rund um die touristischen Regionen des Landes erreicht. Familie Ly ist eine von vielen im abseitsgelegenen Nordosten Kambodschas, die hart arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Und ihr einziges Kind ist der kleine Meng.
Der zehnjährige Junge geht in die vierte Klasse – und würde gern weiterlernen. Doch seine Noten sind für eine Versetzung aktuell zu schlecht. Denn anstatt zu lernen, muss er allzu oft seiner Mutter Chat Narin helfen. Die 47-jährige Bäuerin trägt mit der Ernte von Cashewnüssen zum Lebensunterhalt der Familie bei, Mengs Vater ist ein buddhistischer Abt und in einem Tempel in der Gemeinde tätig.
Meng ist ein schüchterner Junge und als er schließlich von sich und seinem Leben erzählt, berichtet er von seinem Alltag als Einzelkind. Gerade weil er keine Geschwister hat, lieben ihn seine Eltern sehr. Trotzdem, so der Patenjunge weiter, müsse er seine Mutter unterstützen, zum Beispiel in dem kleinen Laden, den Familie Ly betreibt. „Meine Eltern sind sehr mit ihren Aufgaben beschäftigt, deshalb muss ich zu Hause helfen, Wäsche und Geschirr waschen und Lebensmittel besorgen“, sagt er. „Außerdem helfe ich meiner Mutter beim Sammeln von Cashewnüssen. Ich bin müde und habe keine Zeit, um mit meinen Freunden zu spielen.“
„Ich muss zu Hause helfen, waschen, einkaufen und Cashewnüsse sammeln.“
Mit leiser Stimme ergänzt der Zehnjährige, dass er aufgrund seiner Heimarbeit zu einem Schüler mit Lernschwierigkeiten wurde, der weder lesen noch Zahlen subtrahieren oder addieren kann. Seine Eltern hatten bisher keine Zeit, um mit ihm zu Hause zu üben und das hat wiederum mit den Lebensumständen von Familie Ly zu tun. Das südostasiatische Kambodscha ist eines der ärmsten Länder der Welt und rangiert laut dem Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen auf Platz 146 von 191 (zum Vergleich: Deutschland 9 und Österreich 25).
Im Rahmen seiner Patenschaftsprogramme hat Plan International Kambodscha mit einem lokalen Partner Förder- und sogenannte Beschleunigungskurse für Kinder mit Lerndefiziten organisiert. Dadurch sollen heranwachsende Mädchen und Jungen auch außerhalb der regulären Schulklassen erreicht und gefördert werden. Die Anzahl der Kinder, die eine qualitativ hochwertige Grundschulausbildung und den Übergang in die Sekundarstufe I schaffen, soll erhöht werden. Für besonders marginalisierte Kinder wie Meng werden daher Stipendien bereitgestellt, was die Familie finanziell entlastet. Plan International Kambodscha hat den Patenjungen für das Programm ausgewählt und ihn in die Förderklasse aufgenommen. Zusammen mit dem Schuldirektor haben die Plan-Teams seine Eltern gebeten, ihn zusätzlich zu Hause zu unterrichten.
Seit er das Stipendium hat, bleibt ihm mehr Zeit zum Lernen. „In der Förderklasse lerne ich schreiben und rechnen“, sagt Meng. „Und wenn mein Vater frei hat, unterrichtet er mich auch.“ Seine Lehrer geben sich alle Mühe, damit er in die nächsthöhere Klasse versetzt werden kann. Und noch etwas ist neu für den Kleinen: In den Pausen spielt er mit seinen Freunden, läuft von einer Klasse zur anderen und leiht sich jetzt manchmal ein Buch aus der Schulbibliothek aus, um es zu Hause zu lesen.
„Ich lese nach dem Mittag- oder Abendessen“, erzählt Meng, der in seiner Freizeit zu Hause malt und zeichnet, das ist seine stille Leidenschaft. In den Büchern hat er viele schöne Motive gesehen, die sein Interesse geweckt haben. Er möchte einmal Maler werden, sein eigenes Geld verdienen – dem Kreislauf der Armut entkommen.
Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert, Kambodscha mehrfach bereist und diese Geschichte mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.