„Ich wurde selbst beschnitten, als ich ein Kind war. Ich habe mich freiwillig beschneiden lassen, weil man der Tradition zufolge erst dann eine vollständige Frau ist. Deswegen wollte ich daran teilnehmen”, erklärt Mammy Simity. Später wurde sie eine sogenannte Sowei – eine Frau, die Mädchen beschneidet.
Soweis haben ein hohes Ansehen in der traditionellen Bondo-Gemeinschaft, zu der nur Frauen und Mädchen gehören. Als Entscheidungsträgerinnen genießen sie großen Respekt und sind essentieller Teil der Initiation in diese Gemeinschaft: der Beschneidung. Sie symbolisiert in vielen Gemeinden und kulturellen Zusammenhängen auch den Eintritt der Mädchen in das Erwachsenenalter, Heiratsfähigkeit und Reinheit.
„Ich wurde eine Sowei, nachdem ich meine ersten beiden Kinder bekommen hatte. Um eine Sowei zu werden, muss man von einem Rat von Frauen in der Gemeinde ausgewählt werden. Das war eine große Ehre für mich”, sagt Mammy Simity.
„Ich wurde eine Sowei, nachdem ich meine ersten beiden Kinder bekommen hatte. Um eine Sowei zu werden, muss man von einem Rat von Frauen in der Gemeinde ausgewählt werden. Das war eine große Ehre für mich.“
Doch seit ihre Tochter Marie sich gegen die weibliche Beschneidung einsetzt, übt Mammy Simity die Praktik nicht mehr aus. Marie lernte im Rahmen von Plan Internationals Aufklärungsarbeit zu FGM, welche negativen Folgen die Praktik hat: Die Betroffenen leiden häufig ein Leben lang unter seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen. Denn in der Regel wird die Beschneidung ohne Narkose durchgeführt, sodass die Betroffenen die Schmerzen spüren. Das Risiko ist hoch, dass Mädchen während der Beschneidung verbluten oder sich die Wunde infiziert, was im schlimmsten Fall zum Tod führen kann. Genauso können Unfruchtbarkeit, Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs oder bei der Geburt ihrer Kinder Folgen der weiblichen Beschneidung sein. Aufgrund dessen sieht Plan International die weibliche Beschneidung als gravierende Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen an. Nach Angaben der World Health Organisation (WHO) sind weltweit über 200 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten.
Seit sie das weiß, setzt Marie sich gemeinsam mit weiteren Mädchen aus ihrer Gemeinde aktiv gegen die schädliche Praktik ein und gibt ihr Wissen an andere weiter. So konnte sie nicht nur ihre Mutter, sondern ihre ganze Gemeinde davon überzeugen, keine Mädchen mehr zu beschneiden. „Seit zwei Jahren wurde keine weibliche Genitalverstümmelung mehr in unserer Gemeinschaft praktiziert. Ich bin sehr stolz, dass meine Tochter sich gegen diese Praktik einsetzt. Ich denke, dass sollten noch mehr Mädchen tun. Nur dann kann man sie vollständig beseitigen“, sagt Mammy Simity.
Im Rahmen der Aufklärungsarbeit zu FGM geht Plan International unter anderem auch mit den Soweis in den Dialog, klärt sie über die Konsequenzen der Beschneidung auf und zeigt ihnen alternative Einkommens- und Arbeitsmöglichkeiten. So konnten beispielsweise über das Projekt „Breaking the Silence” (dt.: „das Schweigen brechen”) in Sierra Leone viele Soweis in den Regionen Port Loko und Bombali davon überzeugt werden, keine weibliche Beschneidung mehr vorzunehmen. In den beiden Regionen im Norden des Landes waren die Raten an weiblicher Genitalverstümmelung am höchsten.
Plan International ermöglicht Diskussionen mit Personen, die großen Einfluss in den Gemeinden haben, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welchen Schaden die weibliche Genitalverstümmelung anrichtet, sodass die Praktik beendet wird. Das Projekt bietet auch ein Training für Polizei und Gemeindevorstehende, um sicherzustellen, dass die Mädchen geschützt sind und so viele Mädchen wie möglich mit ihren Eltern über die Gefahren und Konsequenzen von FGM erfahren. Viele Mädchen wehren sich nun gegen dieses Ritual.
In dem Distrikt Koinadugu hat Plan International auch den Entwurf eines Gemeindegesetzes unterstützt. Das Gesetz schützt Mädchen davor, beschnitten zu werden. Auf nationaler Ebene gibt es allerdings noch keine Gesetzgebung in Sierra Leone, die FGM verbietet.