Oumas* Eltern ließen sich scheiden, als sie noch sehr jung war. Sie wuchs bei ihrem Vater und ihrer Stiefmutter auf, zu der sie eine enge Bindung aufbaute. Doch als ihre Stiefmutter starb, schickte ihr Vater sie zurück zu ihrer leiblichen Mutter, die in der Region Diffa in Niger lebt. „Wir wohnten in einem kleinen, engen Haus mit ihrem Mann und meinen jüngeren Geschwistern aus dieser Ehe“, erzählt Ouma. „Ihr Mann akzeptierte meine Anwesenheit nicht und forderte meine Mutter auf, mich aus dem Haus zu werfen.“
„Ich nannte ihn meinen Onkel, weil ich ihn so sehr respektierte.“
Doch statt diesem Wunsch nachzugeben, ließ sich Oumas Mutter von ihrem Mann scheiden. Die Familie zog zu den Großeltern. „Ohne Arbeit war es für uns schwierig, über die Runden zu kommen“, sagt Ouma. „Meine Großeltern konnte es sich nicht leisten, sich um uns alle zu kümmern. Also eröffnete ich ein kleines Donut-Geschäft in der Nähe unseres Hauses.“ Neben ihrem Stand hatte ein Mann mittleren Alters einen kleinen Laden. „Ich nannte ihn meinen Onkel, weil ich ihn so sehr respektierte“, erinnert sich die 16-Jährige.
Eines Tages bat er sie, zu seinem Haus zu gehen, um etwas Essen von seiner Frau zu holen. „Als ich ankam, stellte ich fest, dass das Haus leer war – niemand war da. Er war mir gefolgt und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Dann tat er seine schmutzige Arbeit, raubte mir meine Unschuld und prägte mich für mein Leben.“ Als Ouma Stunden später nach Hause kam, erzählte sie ihrer Mutter alles. „Sie sagte, ich solle schweigen und es niemandem sonst erzählen“, so die 16-Jährige, „denn es sei eine Schande.“
Infolge der Vergewaltigung wurde Ouma schwanger. „Mein Vergewaltiger sagte, er habe mich nie berührt und dass ich eine Lügnerin sei.“ Auch ihre Mutter hatte Probleme, die Situation zu akzeptieren. Ouma erinnert sich: „Sie sagte Dinge, die ich nicht wiederholen kann, weil es so weh tut, daran zu denken. Ich wurde zum Gespött meines Dorfes, die Leute starrten mich an und flüsterten Beleidigungen hinter vorgehaltener Hand.“
Oumas Mutter sah nur eine Lösung, um ihre Ehre und die der Familie zu retten: Ihre Tochter sollte einen Mann heiraten, den sie nicht liebte. Doch Ouma lehnte die Heirat ab. „Dieser Mann war ein bekannter Drogenhändler im Dorf“, sagt sie. „Außerdem war er gewalttätig.“ Ihre Mutter setzte sie daraufhin mitsamt ihrer sechs Monate alten Tochter auf die Straße. „Wir waren verloren“, erinnert sich Ouma.
Als Mitarbeitende von Plan International in ihr Dorf kamen, um Mädchen zu unterstützen, die Gewalt erlitten hatten, erzählte Ouma ihnen ihre Geschichte. „Ich fühlte mich wohl, weil ich wusste, dass sie mir zuhören. Sie gingen zum Haus meiner Mutter, um mit ihr zu sprechen, und so konnte ich schließlich nach Hause zurückkehren.“ Außerdem erhielt die 16-Jährige über das Plan-Projekt „Bildung und Schutz in Notsituationen“ finanzielle Unterstützung und die Möglichkeit für eine Berufsausbildung. Ziel des Projektes ist es, Mädchen und Jungen in Niger den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung und Ausbildung zu ermöglichen und den Schutz von Kindern, insbesondere Mädchen, vor Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung und Ausbeutung zu verbessern. Ouma hat ihre Ausbildung bereits abgeschlossen und blickt zuversichtlich in eine selbstbestimmte Zukunft für sich und ihre Tochter: „Ich habe vor, das Geld, das ich jetzt mit der Herstellung von bestickten Laken verdiene, die ich dann auf dem Markt verkaufe, zu investieren“, sagt sie. „Sobald ich genug Geld gesammelt habe, werde ich mir ein paar Tiere kaufen.“
*Name zum Schutz der Identität geändert
Die Geschichte wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Niger erstellt.