Von Geburt an Leben retten

Foto: Plan International

Riet ist im achten Monat mit ihrem zweiten Kind schwanger. Beim ersten verließ sie sich noch auf traditionelle Hausmittel – ein riskantes Spiel mit ihrer Gesundheit und der des Ungeborenen.

An ihre erste Schwangerschaft erinnert sich Riet rückblickend nur ungern. Die heute 30-Jährige lebt im Nordosten von Kambodscha und stammt wie die Hälfte der Menschen in der Region Rattanakiri aus einer indigenen Gemeinschaft ab. Die ethnischen Minderheiten der Kavet pflegt einen traditionellen Lebensstil mit Landarbeit, früher Heirat – und unbegleiteten Hausgeburten.

Während ihr Mann Sothith die Schule bereits in der sechsten Klasse verlassen hat, besuchte Riet nie eine Schule. Sie kann weder lesen noch schreiben. Die Familie verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Anbau von Reis und der Suche nach Pilzen, Nüssen, Rattan sowie wilden Weinreben im Wald.

„Ich durfte keine Eisenpräparate einnehmen, aber Wein trinken.“

Riet (30), Mutter und Angehörige der ethnischen Minderheit der Kavet in Kambodscha
Eine Frau sortiert ein Fischereinetz
Riet (30) und ihre Familie leben von Landwirtschaft und Fischfang Plan International
Ein Feld von Palmen gesäumt
Palmen stehen in Kambodscha überall und säumen auch die Felder in entlegenen Dörfern Hartmut Schwarzbach

In dieser ländlichen Region von Kambodscha folgen werdende Kavet-Mütter den Traditionen ihrer Minderheit. „Mir wurde gesagt, ich dürfe keine Eier, Kokosnüsse oder Wels essen, aber selbst erzeugten Wein durfte ich trinken“, erinnert sich Riet. „Ich hatte großen Appetit auf Eier, aber ich sollte meinem Baby zuliebe darauf verzichten. Und ich durfte keine Eisenpräparate einnehmen, weil wir glaubten, dass diese den Säugling zu groß machen und die Geburt erschweren würden.“

Eine Niederkunft zu Hause – ohne medizinische Begleitung

Zu den kulturellen Normen gehört seit Generationen, dass Schwangere ihr Haus nicht verlassen dürfen. Entsprechend hatte Riet bei ihrem ersten Kind niemals eine Schwangerschaftsvorsorge im örtlichen Gesundheitszentrum besucht und auch keine Ahnung, wie sie für sich und ihr ungeborenes Kind am besten sorgen sollte.

„Ich hatte Angst und dachte, dass mein Baby und ich in Gefahr sind.“

Riet (30), Mutter und Angehörige der ethnischen Minderheit der Kavet in Kambodscha

„Ich hatte starke Schmerzen und kaum Kraft“, erzählt Riet. „Die Geburtshelferin sagte mir, ich solle warten und meine Kraft nutzen, um das Baby herauszupressen. Ich hatte Angst und dachte, dass mein Baby und ich in Gefahr sind, wenn ich ihren Rat befolgte.“

Verängstigt und unsicher, was sie tun sollte, beschloss ihr Mann Sothith, Riet mit dem Motorrad in das acht Kilometer entfernte Gesundheitszentrum zu bringen. Glücklicherweise kamen sie rechtzeitig dort an, und die Hebamme half ihr, das Baby sicher zur Welt zu bringen. „Ich war so glücklich, als ich mein Kind schreien hörte“, sagt Ehemann Sothith. „Ich bin der Hebamme im Gesundheitszentrum dankbar, dass sie meiner Frau und meinem Sohn geholfen hat.“

Eine Hebamme berät zwei Schwangere
Für schwangere Frauen bieten lokale Gesundheitszentren im Nordosten von Kambodscha gesundheitliche Beratung sowie medizinische Vor- und Nachsorge Plan International

Medizinischer Rat für eine gesicherte Zukunft

Bevor sie nach Hause zurückkehrten, sprach die Hebamme mit der jungen Familie über die Wichtigkeit einer Begleitung durch qualifiziertes medizinisches Personal sowie die Notwendigkeit von Familienplanung, Impfungen, postnataler Betreuung und die Risiken von häuslichen Geburten mit ungelernten Kräften. Auf den Rat der Hebamme hin stillte Riet ihren Sohn drei Jahre lang und sorgte dafür, dass er alle notwendigen Impfungen erhielt.

In Riets Gemeinde wird das Gesundheitszentrum von Plan International unterstützt, um den medizinischen Standard der vor- und nachgeburtlichen Betreuung von Frauen zu verbessern. Mit Unterstützung der Kinderrechtsorganisation werben die Fachleute des Gesundheitszentrums für eine sichere Entbindung in ihren Räumen, wo ausgebildete Hebammen die Frauen betreuen und unterstützen können.

Stärkung der Ernährungssicherheit

Parallel arbeitet Plan International an der Verbesserung der Ernährung von Kindern unter fünf Jahren sowie von schwangeren und stillenden Frauen. Bei regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen werden dadurch Fälle von Unterernährung festgestellt, die mit einer Ernährungsumstellung und Nahrungsergänzungsmitteln behandelt werden können. Unterstützung für diese Programme kommt auch vom deutschen Plan-Büro und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

Riet, die derzeit im achten Monat mit ihrem zweiten Kind schwanger ist, hat bereits vier Vorsorgeuntersuchungen im nächsten Gesundheitszentrum wahrgenommen. Auf Anraten der Hebamme nimmt sie bei dieser Schwangerschaft Eisen- und Folsäuretabletten ein. „Ich verpasse nie einen Termin im Gesundheitszentrum, weil ich möchte, dass mein Kind sicher und gesund zur Welt kommt“, sagt sie.

Ein Frau richtet Bekleidungsstücke
Auf die Geburt ihres zweiten Kindes bereitet sich Riet (30) systematisch vor Plan International

„Ich möchte, dass mein Kind gesund zur Welt kommt.“

Riet (30), Mutter und Angehörige der ethnischen Minderheit der Kavet in Kambodscha

„Mir wurde gesagt, dass ich mich während der Schwangerschaft abwechslungsreich ernähren, Alkohol und Tabak vermeiden, mein Gewicht kontrollieren und bei Symptomen wie Fieber, Blutungen oder Veränderungen im Blutbild einen Facharzt aufsuchen sollte“, fügt Riet hinzu.

Riet und ihr Mann haben inzwischen alles für die Ankunft ihres zweiten Babys vorbereitet. Sie planen nun von vornherein, dass es im Gesundheitszentrum auf die Welt kommen soll. „Ich bin meinem Mann dankbar, dass er sich immer um mich und unsere Kinder gekümmert hat. Und natürlich der Hebamme, dass sie mich betreut und beraten hat“, sagt Riet, die sich nun gut unterstützt und bereit für die Niederkunft fühlt.

Marc Tornow hat Südostasien-Wissenschaften studiert, Kambodscha mehrfach bereist und diese Geschichte mit Material aus dem örtlichen Plan-Büro aufgeschrieben.

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