„Die Schießerei in unserem Dorf war sehr heftig; meine Familie und ich mussten um unser Leben rennen. Der Wald war der sicherste Ort, den ich fand, und ich blieb dort einige Wochen lang. Ich war leider nicht in der Lage, meine Familie wiederzufinden, bis heute nicht.“
Weltweit leben über 48 Millionen Mädchen und Jungen in Krisenregionen. Besonders gefährdet aufgrund ihres Alters und ihres Geschlechts sind heranwachsende Mädchen und junge Frauen: Familiäre und gesellschaftliche Strukturen, die sie eigentlich schützen sollen, fallen bei Krieg, Bürgerkrieg oder Vertreibung oft auseinander. Damit erhöht sich das Risiko, dass Mädchen sterben, sexualisierte Gewalt erleben, gegen ihren Willen verheiratet werden oder dauerhaft die Schule verlassen müssen.
„Die Schießerei in unserem Dorf war sehr heftig; meine Familie und ich mussten um unser Leben rennen. Der Wald war der sicherste Ort, den ich fand, und ich blieb dort einige Wochen lang. Ich war leider nicht in der Lage, meine Familie wiederzufinden, bis heute nicht“, erinnert sich Yeluma, eine 18-jährige intern vertriebene junge Frau. Sie lebt heute in Bamenda, der Hauptstadt der Nord-West-Region Kameruns.
In ihrem Dorf gehörten Schießereien, Brandstiftung und Plünderungen zum Alltag. Die Schulen wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. Als das Dorf eines Tages unter heftigen Beschuss geriet, floh Yeluma gemeinsam mit ihrer Familie und einigen Mitgliedern der Gemeinde. Inmitten der Unruhe verlor sie ihre Eltern und Geschwister, und verbrachte einige Wochen mit Gemeindemitgliedern im Busch. „Ich war von meiner Familie getrennt und musste diese schwierige Situation ohne ihren Trost und ihre Hilfe durchstehen. Wir hatten kaum Essen, kein Obdach, und ich hatte die ganze Zeit Angst, von fremden Menschen belästigt zu werden“, erzählt Yeluma.
Da sie nicht mehr in ihr Dorf zurückkehren konnte, machte sie sich auf den Weg nach Bamenda. Zu Beginn schlief sie auf Veranden von fremden Häusern, bis ein Gemeindevorsteher sich ein Herz fasste und sie in ihrem Haus aufnahm. „Ich hatte zuerst Sorge, sie bei mir aufzunehmen. Ich habe selbst eine Familie und Kinder, die ich beschützen möchte. Aber irgendwann konnte ich den Anblick nicht mehr ertragen, wie sie draußen in der Kälte schlief, also beschloss ich, sie zu uns zu holen“, erklärt er.
Yeluma wurde im Rahmen der Nothilfe von Plan International als schutzbedürftig eingestuft. Sie hat einen Betreuer zugeteilt bekommen und wurde in das entsprechende Schutzprogramm aufgenommen. Dort gab es viele Freizeitaktivitäten und Life Skills Trainings (deutsch: Lebenskompetenztrainings), an denen sie teilnehmen konnte. Im Laufe der Zeit verbesserte sich ihre Situation. „Als Yeluma in das Programm aufgenommen wurde, war sie sehr traurig und schüchtern aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen. Inzwischen ist sie deutlich offener, selbstbewusster und sehr aktiv“, sagt Emmanuel, ihr Sozialarbeiter.
Im Schutzprogramm hat Yeluma auch ihr Interesse an Perlenarbeiten entdeckt und gelernt, wie man traditionelle Perlenarmbänder herstellt. Durch Plan International bot sich ihr die Möglichkeit, an einem Berufsausbildungszentrum diese Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern. Nach ihrem Abschluss wurde sie mit den Werkzeugen und Materialien ausgestattet, die es braucht, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Inzwischen ist Yeluma eine etablierte Geschäftsfrau: Sie stellt ihre Perlenware zuhause her und verkauft sie in ihrer Nachbarschaft. Ihre Werke werden auch auf speziellen Verkaufsmessen ausgestellt und sie hat eine treue Kundschaft.
„Dieses Projekt hat mich wirklich sehr weit gebracht. Ich bin jetzt finanziell unabhängig“, sagt Yeluma. „Mir wurde dauernd gesagt, ich müsse heiraten, um diese Krise zu überstehen. Aber die Aufnahme in das Programm von Plan International und die Berufsausbildung haben mir Hoffnung und eine neue Perspektive gegeben. Ich kann erwachsen werden, für mich selbst sorgen, und selbst entscheiden, wann ich heiraten möchte.“ Ihr nächstes Ziel ist es, eine eigene Werkstatt aufzubauen. „Ich will mit meinem Geschäft genug verdienen, um einen Arbeitsraum zu kaufen, der es mir ermöglicht, zu expandieren und anderen Mädchen in Not zu helfen.“
„Ich habe zwei Kinder, obwohl ich selbst erst 15 bin. Meine Eltern leben nicht mehr, und es gibt niemanden, der sich für mich einsetzt. Ich war sehr verzweifelt.“
Viele Mädchen und junge Frauen sind in einer schutzbedürftigen Situation: Während sie nicht zur Schule gehen, sind sie körperlicher Gewalt, Ausbeutung, Kinderarbeit oder sexuellem Missbrauch ausgesetzt. Die 15-jährige Nancy* verlor ihren Vater, als die Kämpfe ausbrachen, und während der Flucht auch ihre Mutter. Die Jugendliche hat schon zwei Kinder zur Welt gebracht, nachdem sie wiederholt ungewollt durch Vergewaltigung schwanger wurde. Beim ersten Mal wurde sie in ihrem Heimatdorf sexuell missbraucht, und danach in dem Waisenhaus, in dem sie mit ihrem ersten Kind lebte.
„Nachdem es wieder passiert war, bekam ich Angst und schämte mich. Viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf: Ich war wieder schwanger. Zwei Männer hatten sich mir aufgedrängt. Ich habe zwei Kinder, obwohl ich selbst erst 15 bin. Meine Eltern leben nicht mehr, und es gibt niemanden, der sich für mich einsetzt. Ich war sehr verzweifelt“, erinnert sich Nancy.
Da sie in dem Waisenhaus nicht mehr leben konnte, zog Nancy in ein Pflegeheim in Bamenda. Im Rahmen von Gemeindeaktivitäten von Plan International wurde sie als schutzbedürftig identifiziert und bekommt bis heute psychosoziale Unterstützung. Außerdem erhielt Nancy ein Mutterschaftspaket mit Artikeln für Mutter und Kind, sowie gynäkologische Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
„Ich kann gar nicht beschreiben, wie viel Unterstützung das Team von Plan International mir gegeben hat. Alles was ich sagen kann ist Danke. Sie kamen genau zum richtigen Zeitpunkt, als ich am ängstlichsten war und nicht wusste, wie ich die Schwangerschaft und die Entbindung bewältigen sollte.“
„Wir fordern die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, die Regierung von Kamerun und alle Beteiligten auf, der Friedenskonsolidierung Priorität einzuräumen.“
Inzwischen hat auch Nancy ihr Selbstvertrauen zurückgewonnen. Auch sie wird die Möglichkeit erhalten, eine Berufsausbildung zu machen, sobald sie dazu bereit ist. „Ich bin froh, wenn ich bald eine Arbeit ausüben kann, damit ich anfangen kann, mein eigenes Geld zu verdienen. Ich will für mich selbst und meine Kinder sorgen.“
Trotz enormer Anstrengungen der Regierung und humanitärer Organisationen gibt es in den beiden Regionen immer noch Hunderttausende von Kindern, vor allem Mädchen, die auf Schutzleistungen angewiesen sind. Dies wurde in einer kürzlich von Plan International durchgeführten Untersuchung hervorgehoben.
Miriam Castenada, Landesdirektorin von Plan International in Kamerun, sagt: „Die Mädchen betonten bei allem, wie wichtig der Frieden ist und dass sie sich ein Ende dieses lang anhaltenden Konflikts wünschen. Wir fordern die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen, die Regierung von Kamerun und alle Beteiligten auf, der Friedenskonsolidierung Priorität einzuräumen, was einen Waffenstillstand sowie Schutz- und konkrete Maßnahmen zur Beendigung von Angriffen auf Schulen einschließt.“
*Der Name wurde zum Schutz der Identität geändert.