„Ich bin entschlossen, zu verhindern, dass das, was meiner Mutter passiert ist, auch anderen passiert“, sagt Anthony. In seiner Freizeit ist er in seinem Wohnviertel unterwegs. Genau in jenen Straßen im Großraum der Hauptstadt Freetown, in denen er irgendwo 1995 – zwei Monate alt – in einem Korb ausgesetzt wurde. 2017 trat er der „Girls Advocacy Alliance“ von Plan International bei, um seine Gemeinde zu einem sichereren Ort für Mädchen zu machen. Einem Ort, an dem alle Kinder und Jugendlichen frei aufwachsen können.
„Ich versuche, etwas Gemeinschaft zurückzugewinnen“
Als ein Vakuum, als ein Gefühl von Verlusten beschreibt Anthony sein früheres Leben. „Ich wollte immer meine leibliche Mutter finden – erfolglos. Vielleicht hat sie nicht überlebt, weil sie erst 16 Jahre alt war, als ich geboren wurde.“ Ein biografisches Detail, das dem engagierten Plan-Botschafter aus einem Brief bekannt ist, welcher mit ihm in dem Korb gelegen hatte. Damals wie heute sind die Straßen von Sierra Leone ein raues Pflaster. Es gibt viele Ecken, in denen Drogen konsumiert werden. „Wenn diese Typen im Rausch sind, wird es für Mädchen sehr gefährlich. Ich habe mich oft gefragt, ob das damals auch meiner Mutter passiert ist. Dass sie vergewaltigt wurde.“
Gemeinsam mit der „Allianz für Mädchen“ verhilft der 24-Jährige jungen Frauen dazu, sich Gehör zu verschaffen. Und er stellt Männer infrage, die sexuelle Gewalt für akzeptabel halten. „Es ist unüblich, dass ein Junge so was macht“, sagt Anthony. „Meine Kumpel runzeln die Stirn. Sie glauben, dass Mädchen schwach sind. Aber ich sage: ,Nein! Mädchen sind nicht nur Ehefrauen, sie sind Partnerinnen.‘ Es geht darum, die Wahrnehmung zu verändern.“
Plans „Girls Advocacy Alliance“ ist ein Vehikel auf diesem Weg. Derzeit machen 25 Mitglieder mit, fünf davon sind Jungen. Jeden zweiten Samstag ist die Gruppe im benachbarten Arbeiterviertel unterwegs, um für die Interessen der Mädchen einzutreten. Sie wollen erreichen, dass bei Belästigung oder Vergewaltigung immer die Polizei informiert wird. „Wir ermutigen die Leute, Täter zu melden“, sagt Anthony, der für sein Tun schon verprügelt wurde. „Die Nachbarn sagen mir: ,Das ist Zeitverschwendung‘. Doch ich versuche, etwas Gemeinschaft zurückzugewinnen.“ So mischt sich die Gruppe auch ein, wenn Eltern ihre minderjährigen Töchter verheiraten wollen. „Wir konnten das schon verhindern, weil wir Beamte geholt haben“, erzählt Anthony. Die Behörden werden von den Jugendlichen auch bei Fällen von Teenager-Schwangerschaften angerufen.
Anthony, der von einer alleinerziehenden Frau aufgenommen und großgezogen wurde, studiert heute Elektrotechnik. Wegen der Gebühren kommt er nur etappenweise voran, spart kleine Summen. „Ich liebe Elektroarbeiten“, sagt der Plan-Botschafter. „Ich studiere, arbeite und versuche, meine Gemeinde für Mädchen sicherer zu machen.“