Am 28.05. ist Weltmenstruationstag, auch Menstrual Hygiene Day genannt. Dieser wichtige Tag wurde bereits 2014 von der gemeinnützigen Organisation WASH United mit Sitz in Berlin ins Leben gerufen, um über die Menstruation aufzuklären und zu informieren – aber vor allem: um Menstruierende weltweit zu unterstützen. Eveline Stoffel, Referentin für Ost- und Südafrika und Expertin für WaSH (Water, Sanitation und Hygiene) mit Fokus MenstruationsHygieneManagement (MHM), spricht über die Herausforderungen von Menstruierenden in unseren Projektländern und wie Plan International diesen begegnet.
Eveline, die Menstruation gilt weltweit immer noch als ein gesellschaftliches Tabu-Thema. Warum ist das so und welche Auswirkungen hat das für Menstruierende, speziell in unseren Projektländern?
Menstruation wird auch heute noch von vielen Menschen als etwas Schmutziges angesehen, etwas Unangenehmes, ein Frauenleiden, worüber man nicht gerne und offen spricht. Dies ist in verschiedenen Länder unterschiedlich stark ausgeprägt. Über das Tabu hinausgehend werden gerade Mädchen und Frauen außerdem mit einer Reihe von Einschränkungen während ihrer Menstruation konfrontiert. Dies können Verbote sein, zum Beispiel bestimmte Dinge zu tun oder Orte zu betreten. Oder auch einfach damit zusammenhängen, dass sie kein geeignetes Material oder Produkte haben, um ihre Blutung aufzufangen und sind dadurch gezwungen zu Hause zu bleiben. Dadurch sind sie vom Schulbesuch und anderem sozialen Leben ausgeschlossen.
Die Menstruation hat dementsprechend auch Konsequenzen auf Gleichberechtigung und vor allem Chancengleichheit. Welche sind das und warum ist das so?
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Schulbesuch. In vielen Schulen in unseren Projektgebieten sind Sanitäranlagen oft in einem sehr schlechten Zustand. Sauberkeit und vor allem Privatsphäre sind hier ein Hauptproblem, aber auch der Zugang zu Wasser, um sich bei Bedarf waschen zu können. Insbesondere in ärmeren Gebieten haben Mädchen und junge Frauen meist einfach nicht die finanziellen Mittel sich Binden kaufen zu können und wenn im Haushalt das Geld knapp ist, werden oft Bedürfnisse von Mädchen insbesondere für Themen, die mit einem Tabu behaftet sind, nicht bedacht. Mädchen sind dann während ihrer Menstruation gezwungen zu Hause zu bleiben und gehen nicht zur Schule und verpassen so automatisch jeden Monat mehrere Tage den Unterricht. Dies gilt natürlich auch für erwachsene Frauen, die auf diese Weise ebenfalls wichtige Termine in der Gemeinde, Fortbildungen usw. verpassen.
Was tut Plan, um das Perioden-Tabu aufzubrechen und die Situation zu verbessern?
Plan versucht sich dem Thema ganzheitlich zu nähern. Das Tabu besteht ja nicht nur in der Welt „da draußen“, wir als Organisation versuchen nun auch erst einmal bei uns selbst und den eigenen Mitarbeitenden anzusetzen und wie bei allen Aktivitäten zur Bewusstseinsänderung ist das ein langer aufwendiger Weg. In unseren Projekten basiert unser Ansatz auf den drei Hauptsäulen – Infrastruktur, also Wasser und Sanitär, Materialien, wie Binden, und Aufklärung. Bei der Konzipierung von geschlechtersensiblen Sanitäranlagen (also getrennte Waschräume für Jungs und Mädchen, Anm. d. Red.) versuchen wir so viel wie möglich bereits die Mädchen und jungen Frauen mit einzubeziehen und auf ihre Belange und Ängste entsprechend einzugehen, statt diese Aufgabe nur dem – meist männlichen Ingenieur – zu überlassen.
Das Thema Materialien ist sehr kontextspezifisch. Dabei ist der Ansatz, eine Versorgung möglichst über den Projektzeitraum zu gewährleisten. Nähkurse, bei denen die Mädchen ihre wiederverwendbaren Binden selber anfertigen können, haben sich hier zum Teil gut bewährt, da durch das erlangte Wissen die Mädchen dann in Zukunft auch in der Lage sind, sich weitere herzustellen. Die Aufklärung setzt hier auch auf ganz verschiedenen Ebenen an. Im Kleinen fängt sie bei den Mädchen und jungen Frauen selber an, geht dann aber auch an die gleichaltrigen Jungs. Wir richten uns an Eltern, Lehrkräfte, Mitarbeitende von Gesundheitseinrichtungen, aber auch generell an andere wichtige meinungsbildende Mitglieder der Gemeinschaft bis hin zu Regierungsbeamt:innen.
Anfang 2020 wurde bei uns in Deutschland die sogenannte „Tamponsteuer“, die sämtliche Hygieneprodukte besteuert, nach einer erfolgreichen Petition gesenkt. In Ländern wie Kenia, Indien und Kanada wurden Steuern auf Periodenprodukte bereits ganz abgeschafft. Mit welchen wirtschaftlichen Herausforderungen sehen sich Menstruierende in unseren Projektländern konfrontiert?
Die Aufhebung der sogenannten Luxussteuer auf Periodenprodukte, ist auf jeden Fall schon ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Leider ist das in vielen unserer Projektländer bei weitem nicht genug. Zum einen sind gute Periodenprodukte für ärmere Familien völlig unerschwinglich und stehen zudem im Konkurrenzkampf mit anderen für die Familie notwendigen Produkten. Das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Periodenprodukten, beispielsweise für Mädchen und junge Frauen, die noch zur Schule gehen und selbst noch über kein eigenes Einkommen verfügen, fehlt oft und wird aufgrund des Tabus auch selten offen angesprochen. Dies kann sogar dazu führen, dass sich Mädchen einen Freund suchen, der ihnen diese dann bezahlt, der aber im Gegenzug andere Gefälligkeiten erwartet.
Inwiefern sind nachhaltige Periodenprodukte, also müllfreie Alternativen für Menstruierende, ein Thema in unseren Projektländern? Wird dies von Plan gefördert?
Nachhaltige Periodenprodukte, wie beispielsweise waschbare Binden und Menstruationscups, sind auf jeden Fall ein Thema in unseren Projektländern – allerdings steht hier meistens der Nutzen der Wiederverwendbarkeit im Vordergrund, als die Idee der Müllvermeidung. Zum einen sind sie dadurch auf lange Sicht kostengünstiger und machen Frauen und junge Mädchen, insbesondere auch in instabilen Lebensverhältnissen, weniger abhängig von regelmäßigen Verteilungen.
Waschbare Binden entsprechen oft auch ähnlichen, bereits angewandten lokalen Methoden der Menstruationshygiene und ersetzt diese beispielsweise durch besser flüssigkeitsabsorbierende Materialien, die gleichzeitig vor durchsickern schützen. Menstruationscups oder -tassen sind ein etwas anderer Fall und werden immer noch stark diskutiert. Grundsätzlich eine sehr gute Alternative, bedarf jedoch einer wesentlich engeren, längerfristigen Begleitung. Eine einfache Verteilung mit kurzer Erklärung reicht in keinem Fall, um eine sichere und hygienische Anwendung zu gewährleisten – und dies ist im großen Stil nur selten möglich. Außerdem kommt noch hinzu, dass in vielen Kulturen aufgrund der Art der Anwendung (Einführen in den Körper, Anm. d. Red.) ein Cup grundsätzlich abgelehnt wird.
„Der Fokus unseres gemeinsamen Projektes mit Viva con Agua liegt in der Verbesserung der Lebensbedingungen durch einen nachhaltigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen und einem gestärkten Bewusstsein für Menstruationshygiene.“
Wir kooperieren mit dem Hamburger Verein Viva con Agua. Gemeinsam haben wir ein Wasser-Projekt in Simbabwe gestartet. Dabei liegt der Fokus bei der Umsetzung des Projektes auf WaSH (Wasser, Sanitär und Hygiene). Welche Rolle spielt das Thema Menstruation in diesem Dreiklang?
Der Fokus unseres gemeinsamen Projektes mit Viva con Agua liegt in der Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen dort in den Gemeinden, insbesondere der Mädchen und jungen Frauen, durch einen nachhaltigen Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen und einem gestärkten Bewusstsein für Menstruationshygiene von Mädchen in Schulen und Gemeinden. Dort werden gemäß unserem oben genannten Ansatz entsprechende inklusive, geschlechtssensible Sanitäranlagen an vier Schulen gebaut, die den Mädchen zum einen Privatsphäre bieten, aber auch durch Wasser und die entsprechende Handwaschvorrichtungen Körperhygiene erleichtern und hygienischen Umgang mit Menstruationsprodukten ermöglichen. Gleichzeitig soll ein Bewusstsein für das Thema Menstruationshygiene in den Gemeinden geschaffen werden. Wir setzen hier vor allem mit Viva con Agua auf deren Ansatz der Universal Languages – Sport, Musik und Kunst – um das Thema Menstruation und damit verbundene Stigmata zu enttabuisieren und damit Mädchen zu empowern.
Die Periode kennt keine Pandemie. Welchen Herausforderungen begegneten Menstruierende während der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung?
Die Situation in unseren Projektländern ist noch sehr unterschiedlich. In einigen stärker betroffenen Ländern mit strengeren Auflagen für die Bevölkerung sind negative Auswirkungen vor allem in Hinsicht auf Zugang zu Periodenartikeln zu erwarten, darüber hinaus ist eine allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sehr wahrscheinlich, was sich dann wiederum negativ auf die Kaufkraft insbesondere von ärmeren Bevölkerungsschichten auswirkt, wodurch Bedürfnisse junger Frauen im Hinblick auf Periodenartikel noch weiter nach hinten rücken.
Und was macht Plan in dieser Hinsicht, gerade jetzt in der Nothilfe?
Plan versucht gezielt besonders hilfsbedürftigen Personen durch Hilfsgüterverteilung mit nötigen Dingen wie Hygieneartikeln zu versorgen, teilweise auch durch direkte Bargeldverteilungen, darüber hinaus versucht Plan auch je nach Kontext Lobbyarbeit zu leisten, dass beispielsweise Zugang zu Gesundheitsstationen auch für andere Belange außer für Corona Patienten bereitstehen.
Mehr zu unserer Corona-Nothilfe finden Sie hier.