Bis vor wenigen Jahren ging es friedlich zu in diesem von Tafelbergen und Sandsteinebenen geprägten Binnenland. Doch mit einer Zunahme von Angriffen und Gräueltaten durch rivalisierende, teilweise islamistische Gruppen – sowohl untereinander als auch gegen die Zivilbevölkerung – entwickelt sich das westafrikanische Land zu einem der gefährlichsten Krisenherde der Welt. Einer wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung folgten im Januar dieses Jahres ein Militärputsch sowie eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage.
Die Gewalt hat nach UN-Angaben 1,9 Millionen Menschen – die Hälfte davon Kinder – im eigenen Land in die Flucht getrieben.
Auch Justine war gezwungen, aus ihrem Dorf zu fliehen, um zu überleben. Sechzig Kilometer legte sie mit ihrer Familie zu Fuß zurück, um die noch sichere Stadt Kaya in der Provinz Centre-Nord zu erreichen. Dort haben sich viele Burkiner:innen aus den besonders gefährdeten nördlichen Landesteilen bereits niedergelassen.
„Bewaffnete Männer kamen in unser Dorf, um Menschen zu entführen. Sie töteten einige von uns und brannten unsere Häuser ab. Deshalb sind wir hierhergekommen“, erklärt die 16-Jährige. „Ich kann mich nicht darüber freuen, hier zu sein. Denn ich kann nicht mehr in die Schule gehen, habe nicht genug zu essen und kann unsere Tiere nicht versorgen.“
Justines Eltern waren in ihrem Heimatdorf Bäuer:innen, mussten allerdings fast ihren gesamten Besitz zurücklassen – einschließlich der Tiere und aller Lebensmittelvorräte. Und das wenige, das sie retten konnten, wurde ihnen auf der Reise gestohlen.
Kinder, insbesondere Mädchen, gehören zu den gefährdetsten Gruppen in einer Gesellschaft, die immer häufiger Schauplatz von bewaffneten Konflikten ist. Sie tragen das höchste Risiko, Gewalt, Hunger und Unterernährung zu erfahren und/oder sich mit einer Krankheit anzustecken. Die Benachteiligung von Mädchen wird von den sozialen Unruhen sowie einer politischen Instabilität noch verschärft.
Justine berichtet, seit ihrer Ankunft in Kaya haben sie und ihre Familie oft tagelang nichts gegessen. „Wir haben weder Arbeit noch Einkommen. Auch die Wasserversorgung ist ein echtes Problem für uns. Meine Lieblingsspeisen sind Reis und Spaghetti, aber seit ich hier bin, gibt es nur noch Tô (ein Teig aus Mehl und Wasser).“
„Als wir hier in Kaya ankamen, schliefen wir mehrere Tage lang im Freien auf dem Boden, bis einer der jungen Leute von hier uns eine Unterkunft vermitteln konnte“, sagt Bibata (43), Justines Mutter. „Wir können uns nicht richtig ernähren, so wie früher in unserem Dorf. Meine älteren Kinder und ich verzichten oft aufs Essen, damit die jüngeren genug haben. Wir tun unser Bestes, sie vernünftig zu versorgen. Trotzdem weinen sie oft, weil es nicht reicht."
Seit der Ausweitung der humanitären Hilfe in Burkina Faso unterstützt Plan International auch Bibata, die Mutter von insgesamt sieben Kindern ist, sowie ihre Familie. Durch sogenannte Bargeldtransfers erhält sie die Möglichkeit, Lebensmittel zu kaufen und selbst eine Einkommen schaffende Tätigkeit aufzunehmen.
„Das Projekt hat uns finanziell sehr geholfen: Ich habe 56.000 Westafrikanische Franc (85 Euro) erhalten, davon konnte ich ein Schaf zur Viehzucht kaufen. Allerdings wird es schwierig bleiben, in dieser Umgebung Wasser und Futter für die Tiere zu finden.“
Bibata hofft, durch ihre neuen Schafe ihre Familie besser unterstützen zu können. Aktuell kann keines ihrer Kinder zur Schule gehen, sie hat keine eigene Kochausrüstung oder -geschirr und auch Feuerholz ist knapp. Zur Zubereitung von Mahlzeiten ist sie auf Leihgaben ihrer Nachbar:innen angewiesen.
Die junge Frau möchte, sobald es möglich ist, wieder die Schule besuchen.
„Als ich noch in unserem Dorf lebte, ging ich zur Schule und half meinen Eltern bei der Hausarbeit. Ich war in der 3. Klasse, aber wegen des Konflikts musste ich die Schule abbrechen. Ich möchte noch nicht heiraten! Meine Priorität ist es, bald wieder zur Schule zu gehen.“
Sie fügt hinzu: „Ich bin dankbar für jede Unterstützung, die uns dabei hilft, in unser Dorf zurückkehren zu können. Dann können unsere Eltern wieder arbeiten und wir Kinder wieder in die Schule gehen.“