Tarig Yagoub hat sich gerade die Genehmigung für einen Urlaub besorgt: Nach Darfur im Westen des Sudan will der Projektmanager reisen, um seine Verlobte zu heiraten und seine Familie wiederzusehen. Es soll eine glückliche Zeit werden, zusammen mit der Liebe seines Lebens. Doch es soll anders kommen.
Der Bräutigam befindet sich bereits auf der Fahrt von seinem Dienstort im Bundesstaat White Nile in Richtung Darfur, als am 15. April 2023 der bewaffnete Konflikt in seiner Heimat Sudan ausbricht. Vor allem rund um Khartum toben seitdem Kämpfe rivalisierender Gruppen. Die Infrastruktur in der Hauptstadt wird in weiten Teilen zerstört – und trotzdem führt bei Reisen von einem in den anderen Landesteil kaum ein Weg an Khartum vorbei.
„Der Krieg hatte sich bereits ausgebreitet, sodass ich es nicht mehr zurück geschafft habe.“
„Als ich merkte, dass ich es nicht bis nach Darfur schaffen würde, beschloss ich, umzukehren“, erzählt Tarig. „Aber der Krieg hatte sich bereits ausgebreitet, sodass ich es nicht mehr zurück in den Bundesstaat White Nile geschafft habe. Seitdem lebe und arbeite ich in Ad-Douiem, in einer Außenstelle von Plan International.“
Ein Jahr ist seitdem vergangen – und für Tarig ist es noch immer unmöglich, seine Verlobte wiederzusehen. Die Reise nach Hause, in die Region Darfur, ist und bleibt für den Plan-Projektmanager zu gefährlich. „Ich dachte nicht an meine Hochzeit, sondern machte mir nur noch Sorgen, ob meine Familie in Sicherheit ist. Darfur war schon früher ein herausforderndes Gebiet, dort gibt es kaum Kommunikation, kein Mobilfunknetz.“ Es dauert bis Juni 2023, ehe Tarig endlich seine Familie erreichen kann. „Nach zwei Monaten sprach ich endlich mit meiner Schwester. Sie war so glücklich, dass ich am Leben bin.“
Für die Kinderrechtsorganisation Plan International organisiert der Projektfachmann Tarig derzeit humanitäre Hilfe. In einem Lager für geflüchtete Menschen und dessen benachbarte Gemeinde wurden unter anderem Anlagen zur Wasserversorgung eingerichtet. Nach UN-Angaben sind landesweit derzeit rund 8,5 Millionen Menschen vor dem Krieg und der eskalierenden Gewalt geflohen, 6,5 Millionen von ihnen innerhalb von Sudan.
„Meine Arbeit ermutigt mich, mein Bestes zu geben.“
„Mein beruflicher Hintergrund ist im Bereich der öffentlichen Gesundheit – und für mich ist es eine echte Berufung, andere Menschen zu unterstützen. Meine Arbeit ermutigt mich, mein Bestes zu geben, um gefährdete Familien – insbesondere Kinder – zu erreichen. Wir helfen mit Projekten in den Bereichen Gesundheit, Wasserversorgung, Hygiene und Ernährung – für all die Geflüchteten aus Sudan und Südsudan. Wir haben auch Küchensets, Schlafmatten und Sets mit Hygieneartikeln verteilt.“
Da sich der Konflikt auf immer neue Gebiete in Sudan ausweitet, sind viele Familien weiterhin auf der Flucht. Auf ihrer Suche nach Sicherheit bleiben sie in Bewegung – und haben dabei oft traumatische Erlebnisse. Millionen von Menschen überleben derzeit in überfüllten Lagern für Vertriebene unter meist schlechten Bedingungen. Über 18 Millionen Menschen können in Sudan derzeit ihren Grundbedarf an Nahrungsmitteln nicht mehr selbst decken.
„Es ist eine harte Zeit. Man arbeitet, um sich von seinen eigenen Problemen abzulenken, denkt immer an seine Familie und macht sich Sorgen, die Liebsten vielleicht nie wieder zu sehen. Viele Menschen haben im Krieg schon ihre ganze Familie verloren“, berichtet Tarig. Das diesjährige Eid-Fest, das Zuckerfest zum Ende des Ramadans am 10. April 2024, hat er abermals ohne seine Familie feiern müssen.
„Viele Menschen haben im Krieg ihre ganze Familie verloren.“
Doch Tarig hat die Hoffnung auf sein eigenes großes Glück noch nicht aufgegeben. Er möchte bei einem Abklingen der Kampfhandlungen endlich nach Hause reisen: „Meine Verlobte ist noch immer in Darfur. Ich habe sie seit Kriegsbeginn nicht mehr gesehen und konnte erst fünf Monate später mit ihr sprechen. Sie hat einige Familienmitglieder verloren, aber sie bleibt stark. Wir haben immer noch vor, zu heiraten. Wir hoffen, dass die Straßen wieder freigegeben werden – und dass ich es dann schaffe, zu ihr zu kommen.“
Der Artikel wurde mit Material aus dem Plan-Büro in Sudan erstellt.