Flucht heute und vor 70 Jahren - auch im Westen nichts Neues
Über 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Einer von 122 Menschen auf der Erde ist damit Flüchtling, Asylsuchender oder innerhalb seines Heimatlandes auf der Flucht. Über 20 Millionen von ihnen sind Jungen und Mädchen. Lediglich nach dem Zweiten Weltkrieg musste eine vergleichbare Zahl von Kindern unter Flucht und Vertreibung leiden. Damals haben Organisationen wie Plan International (noch unter der Namen Foster Parent’s Plan) auch viele deutsche und österreichische Kinder bereitwillig unterstützt, obwohl der Weltkrieg noch nicht lange vorüber war.
In der Bildmitte oben sieht man z.B. drei deutsche Mädchen, die in den fünfziger Jahren in eine sogenannte „internationale Kolonie“ von Plan in Belgien aufgenommen wurden und dort mit Kindern aus Italien, dem Kongo und Griechenland lebten. Ein westdeutsches Kind schrieb ungläubig an seine Mutter: „Hier ist es sehr schön. Wir bekommen viermal am Tag Essen“.
Beim Vergleich der Fotos aus der Arbeit damals und heute fällt eines auf: Trotz der vielen großen Veränderungen in den vergangenen 70 Jahren sind die Bedürfnisse, die Wünsche, die Notlagen und die Träume der Flüchtlingskinder mehr oder weniger die gleichen geblieben – über Zeiten, Kulturen und Länder hinweg! Drei der Bilder stammen aus den Archiven von UNICEF. Fotos aus aktuellen Flüchtlingsprojekten in Deutschland konnten wir aus rechtlichen Gründen nicht verwenden und haben stattdessen Beispiele aus anderen Projekten und Weltregionen gewählt. Die Arbeit in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland unterscheidet sich allerdings auch nicht prinzipiell von der Arbeit in Krisenregionen.
Kinder ernst nehmen und stärken
Links sehen Sie den Jugendreporter Dick Kemplin, der während seiner Deutschlandreise 1956 ein Patenkind und seine Mutter interviewt. Dick Kemplin hatte sich mit anderen Teilnehmern bei Plan International für diese Reise nach Europa beworben, um mit eigenen Augen zu sehen, welches Schicksal die Kriegskinder ertragen müssen und wie Plan in Europa arbeitet.
Auf dem rechten Foto lässt sich erkennen, dass beide Aspekte in der heutigen Arbeit von Plan immer noch eine Rolle spielen: Die Meinung und die Vorschläge der Kinder sind der Ausgangspunkt von Plan’s Projekten. Die Jugendreporter spielen heute allerdings eine noch größere Rolle. Sie werden auch in den Projektländern selbst ausgebildet. Hier ein Beispiel aus Nepal: Nach einem zweitägigen Medientraining haben die Projektteilnehmer Reportagen und Interviews angefertigt, die das Erdbeben im Jahr 2015 thematisieren.
Die schwere Last der Verantwortung
Links sehen Sie eine Gruppe geflohener Kinder vor einer Unterkunft in Feldafing, Bayern im Jahr 1952. In diesem Jahr hatte die Bayerische Landesregierung ein Angebot von Plan angenommen, sich um Kinder zu kümmern, die in Lagern von Vertriebenen leben (die Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen in Deutschland funktioniert übrigens auch heute wieder gut). Innerhalb weniger Jahre konnte Plan mit seinen Projekten in Westdeutschland Kinder in über 90 Lagern von Lübeck bis in den Schwarzwald unterstützen. Das Programm wurde eingestellt, als die betroffenen Kinder und ihre Familien entweder emigriert oder in die westdeutsche Wirtschaft eingebunden waren. Flüchtlingskinder müssen häufig verfrüht Verantwortung für jüngere Geschwister, Verwandte oder Freunde übernehmen.
Daran tragen sie meist schwer – auch wenn sie es gerne tun, wie man auch auf dem rechten Bild sieht, das im Jahr 2015 in einem notdürftigen Lager in Serbien aufgenommen wurde und die fünfjährige Darin aus Syrien mit ihren Brüdern (4 Jahre/9 Monate) zeigt.
Flucht im Winter
Der Winter trifft Kinder auf der Flucht besonders hart. Ohne warme Kleidung ist das Risiko schwerer Erkrankungen sehr hoch. Auf der linken Seite ist ein Foto von UNICEF aus dem Jahr 1946 abgebildet, das ein kleines Mädchen in Deutschland auf der Flucht zeigt.
Auf dem rechten Foto sieht man die kleine Aya aus Syrien, die bei Regen und kaltem Wetter auf die Registrierung durch die serbischen Behörden warten muss.
Erschöpfung
Kinder auf der Flucht sind damals wie heute nur schwer erträglichen Strapazen ausgesetzt und leiden oft unter großer Erschöpfung. Auf einem Foto von UNICEF aus dem Jahr 1945 aus Italien sieht man zwei Jungen in einem Holzbett auf einer Straße in Italien schlafen.
Auf dem rechten Bild schläft ein erschöpfter Junge aus Syrien auf einer Bank im Bristol Park in Belgrad. Das Foto stammt aus dem Jahr 2015.
„Lachen ist die beste Medizin“
Damals wie heute ist Lachen die beste Medizin. Links sehen sie eine Gruppe Kinder, die kurz nach dem Krieg auf die USS Boston eingeladen wurde und für die ein großer Kuchen angeschnitten wird.
Rechts sehen sie eine Momentaufnahme aus einer Vorstellung der Clowns Without Borders, die den Kindern in vielen Notlagern in Afrika und Asien, in denen Plan arbeitet, ein wenig Freude schenken haben. Hier handelt es sich um Kinder auf den Philippinen nach dem schweren Taifun im Jahr 2013. Die Vorstellungen finden in sogenannten Child-friendly spaces (oder: kinderfreundlichen Schutzzonen) statt, die zum Kern von Plans Arbeit gehören und in denen die Kinder Ruhe, Schutz und Ablenkung finden können, um das Erlebte zu verarbeiten.
Spielsachen verloren, basteln gelernt
Mit den meisten anderen Besitztümern müssen bei Flucht oft auch die Spielsachen zurückgelassen werden oder sie gehen bei Naturkatastrophen verloren. Dabei hatte bereits der mittelalterliche Philosoph Thomas von Aquin festgestellt: „Spiel ist notwendig zur Führung eines menschlichen Lebens“. Das Foto links stammt von dem Starfotograf Robert Capa und wurde 1939 nahe Biarritz in einer Kolonie von Plan aufgenommen. Es zeigt Kinder in einer Klasse zur Holzarbeit.
Rechts in der ersten Reihe sieht man ein Mädchen aus Pakistan in einem Child-friendly space, der nach den Überflutungen im Jahr 2011 von Plan aufgebaut wurde. In einem Kurs, in dem die teilnehmenden Kinder und Erwachsenen gelernt haben, Spielzeug aus lokalen Materialien zu basteln, hat dieses Mädchen einen wunderschönen Schwan geschnitzt. Neben dem Spaß, den die Teilnehmenden haben, helfen solche Kurse beim Umgang mit Stress und bieten eine wichtige psychosoziale Hilfestellung.
Stolze Eigentümer
Links ein Kriegswaise 1954 in Deutschland, der ein Auto gebastelt hat. Rechts führt der vierjährige Malik aus Togo stolz sein Holzfahrrad vor (2015). Als er noch jünger war, konnte er aufgrund von Flüssigkeit in seinem Gehirn nicht laufen. Nachdem Plan International der Familie einen Arztbesuch ermöglicht hat, konnte Malik nach einer Operation vollständig genesen.
…eine Schaukel reicht aber auch
Links ein Lager für Vertriebene in Westdeutschland und rechts ein Child-friendly space in einem Flüchtlingslager in Niger.
Malen um Gefühle zu ordnen
Bilder helfen am besten, Erlebtes zu verarbeiten. Und sie sind ein guter Weg, um Menschen für ihre Unterstützung zu danken. Links hat der kriegsverwundete Carmelo vor seiner Operation ein Dankeschön für Präsident Truman gemalt. Carmelo hat das Bild gezeichnet, indem er den Stift mit den Zähnen gehalten hat.
Das Bild rechts ist nach dem Supertaifun Yolanda entstanden, der die Philippinen am 8. November 2015 getroffen hat. Nach der Soforthilfe und der Versorgung mit dem Allernötigsten hat Plan sich auf Projekte konzentriert, die die Kinder eng einbinden und ihren Erholungsprozess erleichtern. Hier hat ein Kind als Dank für die Unterstützung ein Bild gemalt, das die langsame Wiederkehr des Lebens und der Hoffnung in der Gemeinde zeigt. Ganz rechts unten scheint endlich wieder die Sonne auf die Gesichter von Kindern und Erwachsenen.
Abschied, neue Heimat, Rückkehr – ein Auf und Ab der Gefühle
Krieg und Flucht bedeuten Trennung, Abschied, Rückkehr, Ungewissheit, aber am Ende auch neue Chancen und Hoffnung. Züge verkörpern alle diese Momente. Auf der linken Seite sieht man den 15-jährigen Italiener Carmelo (vgl. Bild oben). Ihm musste aufgrund einer Kriegsverletzung beide Arme amputiert werden und er hat in Amerika Prothesen erhalten. Dieses Foto wurde im Jahr 1949 auf dem Bahnhof von Rom aufgenommen. Die Eltern sind für die Ankunft aus Kalabrien angereist. Sie hatten Carmelo seit seiner Abreise viele Monate vorher nicht mehr gesehen.
Rechts kann man sehen, dass Kinder meistens zwar am stärksten unter der Flucht leiden, dass sie sich manchmal aber auch auf das Neue und Ungewisse freuen. Hier besteigt eine Gruppe Flüchtlinge aus dem syrischen Bürgerkrieg 2015 für die letzte Etappe einen Zug nach Deutschland. Das Mädchen vorne scheint durchaus fröhlich und hoffnungsvoll – soweit sich das auf einem Foto beurteilen lässt.
Nicht nur Appetit, sondern echter Hunger
Die Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln ist ein großes Problem auf der Flucht. Dauerhafte Mangelernährung kann zu bleibenden Schäden oder sogar zum Tod führen. Links ein kleiner Junge bei der Essenausgabe im Flüchtlingslager Feffernitz in Österreich. 1956, in das vor allem Flüchtlingsfamilien aus Ungarn einquartiert wurden. Tausenden Menschen waren 1956 vor der sowjetischen Invasion geflohen. Plan konnte ihnen in der Unterkunft in der britischen Besatzungszone relativ zügig Unterkünfte und Versorgung anbieten. Die Arbeit in Österreich hat Plan im Jahr 1949 aufgenommen. Die Programme im Lager Feffernitz umfassten Nähklassen, eine Schule für Krankenschwestern, Kindertagesheime und die Bereitstellung von Hilfsgütern.
Rechts ein syrischer Junge, der bei einer Essenausgabe freiwilliger Helfer in Serbien zwei Becher Suppe ergattern konnte. Er ist einer von vielen tausend Menschen, die auf dem Balkan auf die Weiterreise warten.
Über Grenzen hinweg
Grenzen sind das größte Hindernis bei Flucht und Vertreibung. Der eigentlich bereits abgeschaffte innereuropäische Grenzschutz erlebt derzeit eine Renaissance. Rechts wartet ein Mädchen, das 2015 aus Syrien fliehen musste, vor einer Mauer aus Grenzschützern auf die Weiterreise. Die Ungewissheit macht Menschen in diesen Situationen am meisten zu schaffen.
Links ein Bild aus dem Jahr 1956, als viele Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich fliehen mussten. Am ungarisch-österreichischen Grenzübergang Nickelsdorf warteten diese Menschen meist mehrere Tage in einem überfüllten Warteraum auf einen Bus, der sie nach Wien bringt. Hier wartet Familie Krug auf die Weiterreise. An demselben Grenzübergang kommen auch heute wieder Tausende Flüchtlinge an. Viele von ihnen werden in Nickelsdorf mit dem Nötigsten versorgt, bekommen zum Beispiel Essen. Teilweise müssen die Menschen in Nickelsdorf wie damals auf engstem Raum schlafen – wer ein Zelt hat, dem geht es noch vergleichsweise gut. Auch heute werden die Menschen von hier aus mit Bussen nach Wien gebracht.
Freudentänze
Tanzen lässt die Alltagssorgen vergessen, stärkt das Selbstbewusstsein und erinnert an die eigenen Traditionen. Links eine Gruppe Mädchen im Jahr 1939 bei einem traditionellen Tanz in der Plan-Kolonie in Biarritz von Robert Capa festgehalten. Rechts eine Gruppe Mädchen beim Tanz am Weltmädchentag, der auf Initiative von Plan International von der Vereinten Nationen eingerichtet worden ist. In Zusammenarbeit mit UNHCR und dem Ministry of Disaster Management and Refugee Affairs in Rwanda (MIDIMAR) hat Plan die Feiern für den Weltmädchentag 2015 im Flüchtlingslager in Mahama, Ruanda ausgerichtet. Im Hintergrund sieht man ein Meer aus Zelten. Neben den Tänzen gab es Theatervorstellungen, Gedichte, Reden und ein Mädchenfußballspiel.
Medizin + Hygiene retten Leben
Viele Flüchtlinge haben durch Krieg, Infektionen oder Mangelernährung schwere körperliche Beeinträchtigungen erfahren. Sie brauchen dringend medizinische Hilfe. Links eine Gruppe kriegsversehrter Kinder aus ganz Europa nach entsprechenden Operationen. Das Bild wurde Ende der vierziger Jahre aufgenommen.
Rechts ein kleines Mädchen in einem Flüchtlingslager in Kamerun beim Desinfizieren ihrer Hände. Mangelernährung, Malaria, Atemwegs- und Durchfallinfektionen, fehlende Gesundheitsvorsorge sowie schädliche traditionelle Praktiken gefährden vor allem die Gesundheit von Kindern und Müttern, insbesondere auf der Flucht und in Katastrophensituationen. Plan klärt Familien über Hygiene und gesunde Ernährung ebenso auf wie über die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung. Darüber hinaus statten wir Gesundheitszentren mit Medikamenten aus und führen Projekte zur Prävention von Malaria und HIV durch.
Sport macht stark
Wie der 15-jährige Carmelo haben auch diese Kinder sich nicht durch eine Amputation entmutigen lassen. Links, auf einem Foto von UNICEF, eine Gruppe kriegsversehrter Kinder in Italien im Jahr 1950. Rechts ein ähnliches Bild aus dem Flüchtlingslager in Gambella, Äthiopien, aus dem Jahr 2015. Gemeinsam mit CARA (National Adapted Physical Activity) hat Plan International eine vollkommen neues Programmkonzept entwickelt, das Teilhabe und Inklusion von Kindern mit Behinderung fördert. Dies ist nur eine von über 39.000 Partnerschaften mit Regierungen und lokalen Organisationen im Finanzjahr 2015. In deutschen Flüchtlingsunterkünften arbeiten wir z.B. mit der Johanniter-Unfall-Hilfe zusammen.
Sport hilft Kindern bei dem Genesungsprozess und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Von der positiven Lebenseinstellung, den diese Bilder ausstrahlen, können die meisten Erwachsenen viel lernen. Das ist auch ein Ziel der Projekte von Plan: Die Kinder sollen trotz ihrer Kriegserfahrungen vernünftigere Erwachsene werden als die, die heute Kriege führen.
Diese Arbeit ist nur dank freiwilligem Engagement möglich – ob Schüler…
All diese Arbeit wäre nicht möglich ohne die freiwillige Unterstützung vieler Menschen. Auf dem Foto links sieht man eine sechste Klasse aus Connecticut auf einem Berg aus gesammelten Altpapier. Mit dem Verkaufserlös wurde eine Patenschaft übernommen. Solche Schulpatenschaften gibt es auch heute noch. Rechts hatten Schülerinnen und Schüler der 9e des Gymnasiums Landau an der Isar eine Spendenaktion mit informativen Plakatwänden organisiert, einschließlich selbst gebackenem Kuchen und Muffins.
…Jugendliche und Erwachsene…
Mehr als 1.200 Bürgerinnen und Bürger bundesweit in rund 130 Aktionsgruppen stark für die Arbeit von Plan. Links sehen Sie die Aktionsgruppe Celle, die gemeinsam am Wasalauf teilnimmt und die Fahne von Plan hochhält.
Rechts sieht man, dass Plan nicht nur auf die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an den Projekten in ihren Gemeinden setzt. Denn ein weiteres Ziel von Plan ist die Stärkung der Kinder und Jugendlichen in ihrer Rolle als Meinungsbildner in Politik und Gesellschaft – in Deutschland genauso wie in den Programmländern. Dabei geht es dann weniger um das Sammeln von Papierbergen wie in früheren Zeiten, als um einen Berg an Motivation, Dialogbereitschaft und gutem Willen. Das Foto rechts zeigt die internationalen Teilnehmenden eines Workshops der Jugendgruppe Plan Action. Neben den jährlichen Kampagnen wird sich Plan Action in diesem Jahr vor allem an der Arbeit mit Flüchtlingen beteiligen.
…Prominente, die ihre Schuhe hergeben…
Links drei Fotomodelle der Barbizon School for Models, die ihre Schuhe im Rahmen einer Aktion von Foster Parent’s Plan in einem Laden auf der Fifth Avenue für Europa spenden.
Rechts der WM-Finaltorschütze und Botschafter der Plan-Initiative Kinder brauchen Fans! Mario Götze beim signieren seiner Schuhe, die zugunsten von Plan versteigert werden.
…oder Patinnen und Paten – egal ob Erika Mustermann, First Lady oder „Mutter der Nation“
Hier zwei prominente Beispiele, die stellvertretend für unsere Patinnen und Paten stehen, die sich für die Kinder dieser Welt einsetzen bzw. eingesetzt haben. Links Eleanor Roosevelt in den vierziger Jahren mit drei europäischen Patenkindern. Rechts die Schauspielerin Marie-Luise Marjan bei einem Besuch eines ihrer inzwischen sechs Patenkinder in Paraguay. Allein in Deutschland wird Plan von weit über 300.000 Menschen unterstützt.
Herzlichen Dank für dieses großartige Engagement im Namen der mehr als 100 Millionen Mädchen und Jungen, die wir im vergangenen Jahr mit unserer Arbeit erreichen konnten!