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© Plan International / Anika Büssemeier
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Pheline Roggan

Die Schauspielerin Pheline Roggan ist Girls Get Equal-Botschafterin und Plan-Patin. Im Januar 2020 traf sie Mädchen und Jungen im Norden Limas und sprach mit ihnen über das Plan-Projekt „Sichere Städte für Mädchen“. Im Anschluss besuchte sie ihr Patenkind, die achtjährige Edith, in den Hochanden. In einem ausführlichen Interview schildert Pheline Roggan ihre Eindrücke aus Peru.

1. Teil: Interview zu "Safer Cities"

© Plan International / Anika Büssemeier
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Wie hast du San Carabayllo im Norden von Lima erlebt?
Man hatte uns erzählt, dass es vier Stunden braucht, um Lima mit dem Auto zu durchqueren. Als wir uns dann durch die graue staubige Wüstenlandschaft Richtung Norden auf den Weg zum Safer Cities Projekt machten, hatte ich das Gefühl, die Fahrt würde niemals aufhören. Diese Stadt hat einfach kein Ende. Es ist beklemmend, aus dem schicken Miraflores in die Vorstädte zu fahren, weil es so offensichtlich wird, wie ungleich der Wohlstand in Lima verteilt ist. Wie klein die Anzahl derer ist, die sich die sicheren, gut situierten Gegenden leisten können und wie viele Menschen in sehr prekären Wohnverhältnissen leben müssen. Es ist staubig, grau und trostlos. Alles wird von dem dröhnenden und nach Abgasen stinkenden Verkehr beherrscht. Es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten.

Wie hast du die Situation der Mädchen dort empfunden?
Ich stelle es mir besonders schwierig vor, sich als Mädchen durch den Moloch Lima zu bewegen. Der kleine Park in San Pedro de Carabayllo, eigentlich als Ort der Erholung für die Bevölkerung gedacht, ist vermüllt, verstaubt und heruntergekommen. Die Mädchen erzählten, das er meistens von Betrunkenen bevölkert ist, so dass sie sich nicht hindurch trauen und lieber einen großen Umweg gehen. Gerade für sie gibt es hier kaum Möglichkeiten, sich zurückzuziehen - und zuhause haben sie vermutlich auch keinen eigenen Raum. Sie sind dieser Stadt permanent ausgesetzt, und das muss wahnsinnig anstrengend und belastend sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein kleines Mädchen sich durch diese Straßen schlägt. Allein die Distanzen, die zurückgelegt werden müssen, sind immens. Oft durch unbeleuchtete Gassen. Für die Mädchen bedeutet das: Immer auf der Hut sein, die Alarmantennen müssen ständig ausgefahren sein.

Was hat dich an dem Safer Cities-Projekt in Lima besonders beeindruckt?
Ich finde es sehr gut, dass Plan für die Jugendlichen einen Raum geschaffen hat, in dem sie sich angstfrei aufhalten und austauschen können, wo Diskussionen und Gespräche in Gang gesetzt werden. Wie Plan in dieses Umfeld Themen wie Gleichberechtigung oder Kinderrechte trägt und einen Ort schafft, in dem die Rechte und Haltungen der Jugendlichen respektiert werden und sie ihr Selbstwertgefühl aufbauen können. Das bringt sicherlich enorm viel. Das ist ein elementar wichtiger Bestandteil der Jugendarbeit. So etwas fehlt meines Wissens auch bei uns in Deutschland. Dabei ist es so wichtig, dass Mädchen und Jungen sich diese Fragen stellen: Wer seid ihr? Was wollt ihr? Wo wollt ihr hin? Wie könnt ihr das bewerkstelligen?

© Plan International / Anika Büssemeier
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Du hast mit den Mädchen und Jungen gesprochen. Was waren Euren Themen?
Mich hat das Selbstbewusstsein der Mädchen in Lima sehr beeindruckt und ich finde es hervorragend, dass auch Jungen sich für Themen wie Gleichberechtigung interessieren und engagieren. Als wir die Mädchen fragten, wann sie ihr erstes Kind bekommen wollen, sagte eines „erst mit Anfang, Mitte 20“ und fand sich mit dieser Aussage, glaube ich, schon ganz mutig. Die 15-jährige Maria setzte einen drauf und sagte: „Erst mit 30 Jahren“. Ich habe dann erzählt, dass ich meine Tochter erst mit 35 Jahren bekommen habe und dass das für Deutschland auch gar nicht besonders spät ist. Die Mädchen konnten das kaum glauben und schwankten zwischen Belustigung und Unglauben. Mir wurde dadurch noch bewusster, wie unterschiedlich unsere Lebensrealitäten sind. In Peru ist es schon fast subversiv, erst mit 30 ein Kind bekommen zu wollen.

Die Jugendlichen haben eine Tanz- und Trommelsession präsentiert. Wie wirkte das auf dich?
Es war so schön, zu sehen, wie die Jugendlichen bei der Batucada-Session getrommelt und gesungen haben. Wieviel Kraft und Präsenz dabei rüberkam und welche Stärke sie über diese Performance demonstrierten. Als die Jugendlichen zusammenstanden und richtig Lärm für ihre Rechte machten, quasi alles raushauten, hatte ich das Gefühl, dass das wie ein Schutz für sie ist. Wenn sie sich so zeigen, dann traut sich keiner mehr, die Mädchen zu belästigen.

Mich hat sehr beeindruckt, wie viel Gemeinschaft und Solidarität unter den Teenagern durch den Plan-Jugendclub geschaffen wurde. Sie haben dort einen Raum, in dem sie so sein können, wie sie sind und wo sie Unterstützung für ihre Themen und Ermutigung bei Sorgen bekommen. Das ist so wichtig für die Identitätsbestimmung und Selbstfindung.

Gibt es Parallelen zu Deutschland? Sind Frauen in Hamburg sicherer?
Vielleicht sind die Gefahren bei uns auf den ersten Blick geringer und es ist wahrscheinlich auch weniger gefährlich als beispielsweise in Lima. Aber auch bei uns kann und muss noch viel verändert werden. Keine Stadt ist perfekt aufgestellt. Auch bei uns geht es darum, dass wir selbst etwas ­verändern können und uns unangenehmen Situationen nicht einfach ausliefern sollten. Es gibt einige Orte in Hamburg, die ich als unangenehm empfinde und ich froh bin, wenn ich sie umgehen kann. Vor allem abends oder nachts. Dunkle Unterführungen, Plätze die nicht beleuchtet und unbelebt sind oder Orte, wo Betrunkene herumhängen. Ein ähnliches Projekt in Deutschland würde sicher Sinn machen. Was ich gut finde, ist, wenn wir gemeinsam darüber sprechen, und über das Teilen unserer Erfahrungen merken: Ich bin als Frau mit diesem Problem nicht allein. Ich stelle mich auch nicht an, sondern es geht anderen genauso. Weil bei uns erst mal alles sicher scheint, stellen wir schnell unsere eigene Wahrnehmung in Frage: „Ich bin doch eine erwachsene Frau, es ist doch Quatsch, hier Angst zu haben“. Aber ich bin mir sicher, dass fast jede Frau und jedes Mädchen diese Gedanken kennt und sehr viele mindestens eine unangenehme Erfahrung in ihrem Leben gemacht haben.

Du sprichst aus Erfahrung?
Ja, ich wurde zum Beispiel mit ungefähr 19 Jahren im Schanzenviertel überfallen, in meiner Nachbarschaft, als ich allein nach Hause ging. Ich hatte in einer Bar gearbeitet und war auf dem Heimweg. Hinter mir hörte ich plötzlich jemanden gehen, der mir auch auf einer Abkürzung folgte. Das war merkwürdig, ich spürte intuitiv, dass etwas nicht stimmte. Plötzlich wurde ich von hinten angegriffen, jemand hat mich gewürgt und mir in den Rücken getreten. Ich fing an, wahnsinnig laut zu schreien, in einem Ton, den ich noch nie von mir gehört habe. Der Angreifer hat mit der Reaktion offenbar nicht gerechnet und mich vor Schreck losgelassen. Ich bin gerannt so schnell ich konnte! Er hat mir noch wüste Beschimpfungen hinterhergeschrien und mich ein Stück verfolgt. Danach war mein Grundvertrauen kaputt. Fast ein Jahr lang konnte ich nicht mehr allein irgendwo hingehen. Meine ganze Sicherheit war weg. Wenn dir so etwas einmal passiert, dann potenziert sich jede Unsicherheit, dann ist dir die Grundlage genommen. Es hat sehr lange gedauert, bis sich das wieder gelegt hat. Was mir geholfen hat, war, dass ich in der Stresssituation nicht in Schockstarre verfallen bin, sondern schreien konnte. Aber wie man in solch einer Situation reagiert, weiß man halt vorher nicht.

2. Teil: Interview zum Besuch beim Patenkind

Ein besonderes Highlight für Plan-Patin Pheline Roggan war der Besuch bei ihrem Patenkind. In einem Dorf hoch in den Anden traf sie die achtjährige Edith und deren Familie. Pheline Roggan über die Begegnung mit ihrem Patenkind.

© Plan International / Anika Büssemeier
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Dein Patenkind lebt in den Anden. Wie war der Weg dorthin? 
Die Fahrt von Cusco in die Gemeinde, in der mein Plan-Patenkind lebt, hat Ewigkeiten gedauert. Der Weg schlängelte sich stundenlang Serpentinen bergauf. Der Jeep hatte Mühe, die steinige Piste hochzukommen, es regnete in Strömen, alles war matschig, es war kalt und die Landschaft unglaublich karg. Ich habe mich gefragt, wie man sich hier zu Fuß bewegt. Alles wirkte extrem abgelegen und unzugänglich. Die Fahrt fühlte sich endlos an.

Hattest du schon Kontakt zu Edith, bevor du dich auf die Reise gemacht hast? 
Edith und ich hatten uns bis zu diesem Zeitpunkt drei Mal hin und her geschrieben, es lagen immer etwa 1,5 Monate dazwischen, weil Briefe viel Zeit brauchen, um von Hamburg in ihr abgelegenes Dorf in den Anden zu kommen. Sie hat mich in ihren Briefen gefragt, ob ich eine Familie habe, wie das Wetter bei uns ist und wo ich wohne.  Und sie hat mir Bilder gemalt von ihrem Haus und ihren Schwestern.

Wie war es, dein Patenkind persönlich zu treffen?
Die Vorstellung, Edith wirklich kennenzulernen, war selbst auf dem Weg zu ihrem Dorf noch sehr abstrakt für mich. Ich hatte keine wirkliche Vorstellung von einer realen Person, dem wirklichen Mädchen Edith, wie sie aussieht, wie sie guckt und sich bewegt. Als wir im Regen aus dem Auto stiegen und in den kleinen kalten Gemeindesaal gingen, war ich plötzlich sehr aufgeregt und auch ein wenig hilflos. Denn wir sprechen nicht mal dieselbe Sprache. Wie stellt man da eine gute Verbindung her? Ich habe sofort gemerkt, dass es ihr genauso ging. Sie wusste, jetzt kommt die Frau, die ihr die Briefe geschrieben hat. Aber wer ist das? Sie war genauso aufgeregt wie ich. So süß, wie Edith und ihre vier Schwestern an der Tür standen, wie die Orgelpfeifen. Am schönsten war für mich, dass es ganz schnell persönlich wurde und ein direkter Austausch entstand, denn Edith und ihre Schwestern waren gar nicht schüchtern, trotz der irgendwie formellen Situation, ihre Eltern waren ja dabei und auch die Plan-Mitarbeiter:innen. Die Eltern fand ich auch toll, es war schön, dass sie alle Schwestern in den Besuch mit einbezogen haben. Das hat mir ein besseres Bild davon vermittelt wie die Familie lebt.

Die ganze Familie von Edith war dabei. Wie habt Ihr euch ausgetauscht?
Es hat mich sehr berührt, dass sich Edith und ihre Familie so viel für mich ausgedacht haben. Nicht wir haben das Programm dominiert, sondern sie haben es selbst gestaltet. Zuerst machten Edith und ihr Vater zusammen Musik. Es ist ein unvergessliches Bild, wie der Vater in einem bunten Poncho mit Bommeln, Glitzerfransen und Mütze auf seiner Gitarre gespielt und Edith dazu gesungen hat. Ganz selbstbewusst. Ich habe gespürt, dass sie das auch wirklich wollte. Das war nicht so wie bei mir, wenn ich früher Blockflöte spielen oder Gedichte zu Weihnachten aufsagen musste. Der Vater hat dann erzählt, an welchen Plan-Projekten die Familie teilnimmt. Er hat uns ihre Situation anhand von selbst gemalten Bildern erklärt. Wie sie im Moment leben, was sie verbessern möchten und welche Träume und Visionen sie für die Zukunft haben. Die Familie hatte gemeinsam ein Bild davon gemalt. Es war schön zu sehen, wie da Gemeinsamkeit gedacht wird, dass es Verbesserung für alle in der Familie geben soll, nicht nur mehr Meerschweinchen oder ein Gewächshaus für Gemüse in der kalten Jahreszeit, sondern auch mehr Zimmer für die fünf Mädchen.

Welche Rolle spielten Ediths Schwestern bei diesem Besuch?
Die große Schwester von Edith, Adelia, hat mich besonders berührt. Mich hat noch nie jemand so angeschaut wie dieses Mädchen. Ich habe bei diesem Angeschaut werden gespürt, dass Adelia mit einem Mal eine Vorstellung bekam, dass es noch eine andere Welt gibt, wo solche Leute wie ich rumlaufen. Dass sie plötzlich dachte: Was passiert außerhalb meines Dorfes, was ist noch alles möglich auf dieser Welt? Sie ist auch in ein Plan-Projekt involviert und hat dann von ihrer Gruppe erzählt, die sich gegen häusliche Gewalt engagiert.

Edith hat ab und zu meine Hand genommen und mich zu ihr hinübergezogen, nach dem Motto. „Du bist aber mein Besuch“ Das war sehr niedlich, zeigte aber auch:  Es ist wie überall auf der Welt zwischen Geschwistern. Jede möchte auch mal gerne etwas nur für sich haben.

Was habt Ihr du und dein Patenkind voneinander erfahren?
Am Anfang waren wir etwas schüchtern, aber durch Ediths neugierige Art ist sehr schnell eine Verbindung zwischen uns entstanden. Edith hat sich schnell getraut, mir Fragen zu stellen und hat sich, glaube ich, sehr über meine Lebensweise gewundert. Als ich erzählt habe, dass ich in einer Wohnung in einem Haus mit acht anderen Familien wohne und keine Schweine habe, war sie erstaunt. Nein? Keine Schweine? Was baust du an? Nichts, ich kaufe alles im Supermarkt…Aha komisch…und du hast nur ein Kind? Hmmmm... Und irgendwie hat sie ja Recht. Schon komisch, dass ich nichts von dem, das ich konsumiere, auch selbst herstellen kann. Bei dem Besuch gab es aber auch immer wieder Momente, wo alle Unterschiede total egal waren und wir uns einfach gut verstanden haben. Ediths Vater hat auch Humor bewiesen, als er Ediths Schuljahrgang verwechselte und plötzlich merkte, dass er sich vertan hat, denn sie geht ja schon in die 2. Klasse und alle dann über sein Versehen gemeinsam lachen konnten. Er durfte im Rahmen dieses offiziellen Besuches auch mal einen Fehler machen, ohne seine Autorität zu verlieren. Ich glaube, auf beiden Seiten gab es vor dem Besuch eine große Erwartung und die ist erfüllt worden.

Was hat die Begegnung mit Edith bei dir im Nachhinein bewirkt?
Der Besuch war eine sehr besondere, berührende Erfahrung. Edith und ich haben jetzt ein konkretes Gegenüber, wenn wir uns schreiben. Dieses gemeinsame Erlebnis hat eine Verbindung geschaffen, die wir nun über Briefe aufrechterhalten können. Ich freue mich sehr auf unseren weiteren Austausch und finde es schön, an Ediths Entwicklung teilhaben zu können. Es hat mich sehr gerührt, dass sie am Ende, als wir uns verabschiedeten, in der Tür stand und sagte: „Komm wieder!“ Ich musste mich sehr zusammen nehmen, um ihr nicht etwas zu versprechen, was ich vielleicht nicht einhalten kann. Aber ich würde sie natürlich sehr gerne wiedersehen. Ich habe zu Edith gesagt: „Ich werde es versuchen!“ und das werde ich auch tun.

Auf dieser Reise habe ich viel über die Arbeit von Plan gelernt und weiß jetzt, an wie vielen Punkten Plan ansetzt, was die Ziele der Arbeit sind und wie konkret versucht wird, das umzusetzen. Mein Wunsch ist, dass Edith und ihre Schwestern es schaffen, möglichst lange zur Schule zu gehen.

Mit Ihrer Patenschaft Lebenswelten verbessern

Als Kind in einem Entwicklungsland geboren zu werden, bedeutet zumeist lebenslange Armut und Chancenlosigkeit. Wir von Plan International setzen uns in Afrika, Asien und Lateinamerika für die dauerhafte Verbesserung der Lebensbedingungen ein. Unterstützen Sie uns dabei. Die nachhaltigste Art zu helfen ist eine Kinderpatenschaft:

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