Die Vormittagssonne scheint durch zahllose Wellblech- und Lehmhütten; Abwässer fließen aus den Türschwellen der behelfsmäßigen Häuser – willkommen in Kibera, Afrikas größtem urbanen Slum, rund sieben Kilometer vom Zentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi entfernt. Das Gebiet hat in etwa die Größe des Central Park in New York City, wie viele Menschen in Kibera leben, ist schwer zu beziffern. Schätzungen schwanken von mehreren Hunderttausend bis zu über eine Million. „Wir leben in einer beengten Gegend, die meisten Häuser haben Gräben vor ihren Türen und die Menschen werfen dort ihre Abfälle hinein“, erklärt Ali Yusuf, der in Kibera zuhause ist. „Was wir sehen, ist, dass viele Menschen durch die von den Nachbarn weggeworfenen Abfälle krank werden können.“
Armut, Vernachlässigung und Überbevölkerung sind ein tägliches Gesundheitsrisiko für die Menschen in Kibera. Das Fehlen grundlegender staatlicher Dienstleistungen wie Müllabfuhr, Kanalisation und sauberes Wasser führt dazu, dass die Menschen großen Müllgruben sowie menschlichen und tierischen Abfällen ausgesetzt sind. Der 26-jährige Brian Gisora ist in Kibera geboren und aufgewachsen. Als er in der dritten Klasse ist, erfährt er, dass man Metall- und Plastikabfälle verkaufen kann, um ein kleines Einkommen zu erzielen – und entdeckt so seine Leidenschaft für das Recycling. Damals ist das Geld bei seiner Familie knapp und reicht häufig nicht einmal für Lebensmittel. Also nutzt Brian als Junge seine Freizeit, um im Müll nach recyclefähigen Materialien zu suchen, die er weiterverkaufen kann, um so seine Familie zu unterstützen.
Später macht er an der Fachhochschule einen Abschluss als Mechaniker. Als er 2017 nach Hause zurückkehrt, stellt er fest, dass viele seiner Freund:innen, die ähnliche oder höhere Qualifikationen haben, arbeitslos sind. Da erinnert sich Brian an sein Kindheitshobby und gründet gemeinsam mit seinen Freund:innen die Organisation „Slums Going Green and Clean“ („Slums werden grün und sauber“).
„Wir wollen, dass unsere Gemeindemitglieder umweltbewusst leben, und wir versuchen, umweltfreundliche Lösungen auf der lokalen Ebene zu schaffen“, erklärt Brian. „Wir haben das Upcycling-Geschäft, bei dem wir aus dem gesammelten Abfall verschiedene Produkte herstellen. Dann haben wir noch das Recycling-Geschäft, bei dem wir Produkte aus Kunststoff herstellen. Wir haben eine Maschine gebaut, eine sogenannte Wärmepresse, mit der wir verschiedene Arten von Möbeln und Platten aus Polyethylen herstellen.“
Heute hat „Slums Going Green“ mehr als 30 Mitglieder, von denen etwa die Hälfte Vollzeit für die Organisation tätig ist. Gemeinsam mit der Gemeinde arbeiten sie daran, eine verantwortungsvolle Abfallentsorgung zu fördern. „Wir gehen von Haus zu Haus und zeigen den Menschen, wie sie ihren Müll trennen können“, erklärt Ali Yusuf, der das Projekt koordiniert.
In bereits 6.000 Haushalten in Kibera sammelt „Slums Going Green“ regelmäßig Abfälle ein, wobei jeder der Organisation 10 kenianische Schilling (6 Cent) für die Abfuhr des Mülls zahlt. „Auch Lebensmittelabfälle sammeln wir ein, die wir durch die Zucht von Schwarzen Soldatenfliegen zu Geld machen“, erzählt Ali. Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege sind ein effizienter und umweltfreundlicher Zersetzer von Lebensmittelabfällen in Proteine. „Wir haben Nachforschungen über offenen Kompost angestellt und herausgefunden, dass dieser eine Menge Treibhausgase produziert. Die Schwarze Soldatenfliege tut dies nicht“, so Ali. „Wir brauchen keinen großen Raum dafür, nur einen kleinen Bereich, in den wir die Lebensmittelabfälle bringen können. Innerhalb einer Woche sind sie aufgegessen – und wir erzielen damit ein Einkommen, da wir die Schwarze Soldatenfliege als Futter für die Hühner an Bauern verkaufen können.“
Auf einem von der Kirchengemeinde zur Verfügung gestellten Grundstück baut die Gruppe zudem Gemüse an. „Früher war es ein Sumpfgebiet. Aber durch das Verständnis der städtischen Landwirtschaft und des Hydrokultursystems haben wir eine spiralförmige Anbaumethode entwickelt. So können wir in der Trocken- und in der Regenzeit mehr Nahrungsmittel anbauen“, erklärt Ali.
Plan International hat in Zusammenarbeit mit der lokalen gemeinnützigen Organisation „Horn of Africa“ die Initiative „Slums Going Green“ durch die Vermittlung von Finanzwissen unterstützt. „Die Partnerschaft war sehr inspirierend“, sagt Ali. „Uns wurde beigebracht, wie wir selbständig sparen können, und unsere Ersparnisse haben uns geholfen, mehr Geschäftsmöglichkeiten für uns selbst und für die Menschen, die sich der Organisation anschließen, zu schaffen.“
Zudem haben wir „Slums Going Green“ darin unterstützt, weitere Partnerschaften mit anderen Akteur:innen in der Gemeinde zu einzugehen. „Ohne diese Zusammenarbeit hier könnten wir vieles nicht tun“, sagt Ali abschließend.
Die Geschichte wurde mit Material aus dem kenianischen Plan-Büro erstellt.