Die Sonne steht im Zenit und die Nationalhymne ist eben verklungen. Während die jüngsten Kinder lachend ihre Plätze räumen, haben sich die Klassenzimmer sofort wieder mit älteren gefüllt. Es ist „die zweite Schicht“ am Nachmittag an der Sekundarschule Escola Secundária Geral de Nhancoja in Inhambane, rund eine Autostunde liegt die gleichnamige Provinzhauptstadt entfernt. Hier, im ländlichen Plan-Programmgebiet, leben die Familien in Einzelhäusern, die versteckt in einer üppig grünen Savannenlandschaft stehen. Zwischen Palmen und Buschwerk legen ihre Kinder täglich oft viele Kilometer über sandige Straßen zurück, um am Unterricht teilnehmen zu können.
Was den jungen Menschen am Herzen liegt
Mathematik, Portugiesisch, Geschichte – der Lehrplan ist prall gefüllt, und liefert dennoch bei weitem nicht alles, was den jungen Menschen am Herzen liegt. Die Teenager fragen etwa nach Familienplanung und Verhütung. Die Antworten darauf bekommen sie im Jugendclub, der sich an der Schule etabliert hat. „Champions of Change“ – die „Champions des Wandels“ – nennt sich die Gruppierung, die Plan International 2023 hier initiiert hat. Auf Anhieb sind ihr 160 Jugendliche beigetreten, um im geschützten Raum all jene Themen zu diskutieren, die für ihr zukünftiges Erwachsenenleben wichtig sind.
Die sexuellen und reproduktiven Rechte junger Frauen und Männer sind nur ein Aspekt, der bei den regelmäßigen Treffen besprochen wird. Die Gefahren und Ursachen von früher Schwangerschaft stehen ebenso auf der Agenda, wie Kinderehen und dadurch oftmals vernachlässigte Bildung. „Wer frühzeitig schwanger wird, kann oft die Schule nicht erfolgreich abschließen“, wissen die knapp 80 Teilnehmenden, die sich heute Nachmittag zusammengefunden haben. Dabei geht es ihnen um mehr als ein Bewusstsein für Familienplanung. In Mosambik werden derzeit 53 Prozent der Kinder verheiratet, bevor sie 18 Jahre alt sind.
53 Prozent der Kinder in Mosambik heiraten, bevor sie 18 Jahre alt sind
Häusliche und sexualisierte Gewalt, die Benachteiligung von Mädchen und Frauen, schädliche Normen, die Kinder jeden Geschlechts von einer freien Entfaltung abhalten, mangelnde Hygiene während der Periode oder die Ausgrenzung von Minoritäten wie Menschen mit Albinismus – all das kommt bei den „Champions of Change“ zur Sprache. Die Clubmitglieder haben eigene Kampagnen entwickelt, um auf ihre Rechte und Probleme aufmerksam zu machen. Beispielsweise die Verhütung von HIV/Aids. Von den 32,2 Millionen Menschen in Mosambik sind etwa 2,2 Millionen infizierten, nach UN-Angaben eine der höchste HIV-Raten weltweit. Über all das informieren die Jugendlichen, etwa mit selbst entwickelten Theaterstücken und Sketchen.
In einem Theaterstück wird ein Junge mit Albinismus von seinen Schulkameradinnen gehänselt. „Wer gibt schon einem Aussätzigen die Hand“, spotten die Laiendarstellerinnen bei ihrem Auftritt, der sich auch und gerade an die Dorfbevölkerung richtet. Das Mobbing geht noch weiter – bis ein Gleichaltriger für den Jungen Partei ergreift und sich sein Alltag fortan zum Positiven wandelt. „Wir sind alle von einem Blut“, konstatieren die Jugendlichen einstimmig. Sie gestalten außerdem Wandzeitungen und Plakaten, mit denen sie in den ländlichen Siedlungen auf ihre Alltagsthemen aufmerksam machen.
Und die Digitalisierung? „Alles mitgedacht“, winken vier junge Frauen lässig ab, die engagiert durch das nachmittägliche Clubprogram führen. „Für online haben wir Videoclips vorbereitet.“
Und dann sind da noch die meist tabuisierten Lebensrealitäten, die Fälle von sexualisierter Gewalt hinter verschlossenen Türen und ihre verheerenden Folgen für die Opfer – hier werden sie ausgesprochen. Selbstbewusst prangern die „Champions of Change“ solche Menschenrechtsverletzungen in Wort und Bild an. Mädchen und Jungen – sie verschaffen sich gleichberechtigt Gehör und erlernen dabei gleichzeitig Schlüsselqualifikationen wie Foto- und Videotechnik, Moderations-, Diskussions- oder Illustrationskenntnisse.
„Was wir hier besprechen, betrifft die Kinderrechte.“
Bei all dem kreativen Aktionismus der Jugendlichen behalten irgendwie auch die jüngsten Kinder ihren Platz: „Was wir hier besprechen, betrifft die Kinderrechte – und das erfahren die anderen natürlich auch“, berichtet Tania (17), die souverän die letzte Session unter freiem Himmel moderiert. „Wir informieren unsere jüngeren Geschwister und die wiederum ihre Generation und so weiter.“
Und die Jugendlichen denken schon weiter. Wenn es nach ihnen geht, soll es auch in den benachbarten Ortschaften bald vergleichbare Jugendclubs geben, damit sich die jüngere Generation auf Augenhöhe treffen und austauschen kann. Es sind Schritte für eine gewaltfreiere, bessere Zukunft. Alltägliche Herausforderungen sollen gemeinsam bewältigt werden – darin sind sich an diesem Nachmittag alle einig.
Marc Tornow, Pressereferent und Chefredakteur im Hamburger Plan-Büro, hat die „Champions of Change” in Mosambik besucht und ihre Geschichte für die Plan Post aufgeschrieben.