Reyner lebt 3.500 Meter über dem Meeresspiegel in den peruanischen Bergen und ist wie jeder andere 7-jährige Junge: etwas schüchtern und liebt es zu spielen – am liebsten mit seiner Murmelsammlung, draußen vor dem Haus. Neben Murmeln zählt Reyner auch Fußball und Zeichnen zu seinen Hobbys. Weil seine Familie sich keine Stifte und Papier leisten kann, finden er und seine 4-jährige Schwester andere Wege, um kreativ zu werden: Sie legen mit Zweigen und kleinen Kieselsteinen Berge, Bäume und Häuser in den Sand.
Das kleine, weiß getünchte Haus, in dem Reyner mit seinen Eltern und den vier Geschwistern lebt, besteht nur aus einem großen Raum, der gleichzeitig als Scheune für das Vieh der Familie dient. Neben dem Anbau von Mais und Kartoffeln ist die Meerschweinchenzucht eine ihrer Einnahmequellen. Zwei Betten dominieren den Raum, eines für seine Mutter und seinen Vater und eines für die fünf Kinder. Die Hühner und Hähne der Familien dürfen frei herum laufen: Mal rennen sie durchs Haus, mal findet man sie draußen.
Seit seinem fünften Lebensjahr besucht Reyner die Schule. Jeden Morgen steht er gemeinsam mit seinen beiden älteren Brüdern auf, die neun und zehn Jahre alt sind. Zum Frühstück gibt es morgens oft nur eine gekochte Kartoffel, die ihre Mutter ihnen zubereitet. Danach steht der zweistündige Fußweg zur Schule an. Zunächst auf einer staubigen Landstraße, dann durch die Berge. Reyner macht sich bei jedem Wetter auf den Weg zur Schule. Das Klima in den Bergen ist gnadenlos. Sonne und Wärme in einem Moment, eisiger Wind und sintflutartiger Regen im nächsten. So ist Reyner oft durchnässt, müde und hungrig, bevor die erste Schulstunde überhaupt begonnen hat. Um zwei Uhr, wenn die Schule vorbei ist, begeben sich die drei Brüder wieder auf den zweistündigen Rückweg in ihr Dorf.
„Ich werde immer so müde, es ist so weit zu laufen“, sagt Reyner. Aber er weiß auch, dass der Schulbesuch für seine Zukunft wichtig ist. Auch seine Eltern machen ihn immer wieder darauf aufmerksam, wenn er sich über den weiten Weg beschwert – denn es gibt keine Alternative in der Umgebung!
„Ich werde immer so müde, es ist so weit zu laufen.“
Sobald Reyner wieder zu Hause angekommen ist, muss er zuhause mitanpacken. Dazu gehören die Fütterung der Hühner mit Mais und die Suche nach frischen Gräsern und Kräutern in den Bergen, die er für die Meerschweinchen sammelt. Seitdem sein Vater nach einem Sturz nicht mehr arbeiten kann, muss Reyner noch mehr Aufgaben im Haus übernehmen. Reyners Situation unterscheidet sich nicht von den der anderen Kinder im Dorf. Die Gegend, in der sie leben, ist sehr arm und das Klima erschwert den Anbau von Lebensmitteln auf den kleinen Ackerflächen. Zudem leben sie sehr abgeschnitten. Der Weg ins Gesundheitszentrum dauert zwei Stunden – zu lang für jemanden, der erkrankt ist.
Obwohl die meisten Kinder in der Region die Schule besuchen, brechen sie die oft nach der Grundschule ab, weil sie auf den Höfen ihrer Familien mitarbeiten müssen. „Ich mache mir Sorgen um meine Kinder. Ich möchte, dass sie ein besseres Leben haben“, sagt Reyners Mutter. „Ich möchte, dass meine Kinder eine Ausbildung machen können und einen richtigen Beruf haben. Ich will nicht, dass sie so leben müssen wie wir.“
Die Schule, die Reyner besucht, befand sich früher in einem sehr schlechten und heruntergekommenen Zustand. Plan International hat dabei geholfen, dass die Schule renoviert wird. Plan hat außerdem Trainingskurse für die Eltern der Schüler eingeführt, denn viele von ihnen haben noch nie eine Schule besucht. In den Workshops lernen sie daher, wie wichtig es für ihre Kinder ist, zum Unterricht zu kommen und wie sie die bestmöglichen Bedingungen für ihre Kinder schaffen können.
„Ich möchte, dass meine Kinder eine Ausbildung machen können und einen richtigen Beruf haben. Ich will nicht, dass sie so leben müssen wie wir.“
Darüber hinaus erfahren sie in den Kursen etwas über richtige Ernährung, warum Gewalt zur Bestrafung ihrer Kinder schädlich ist, wie wichtig Hausaufgaben sind und wie man eine Schwangerschaft im Teenageralter vermeiden kann. Plan International arbeitet auch mit den lokalen Behörden zusammen, um besonders arme und gefährdete Familien zu unterstützen.Es wird zudem an einem Fortbildungsprogramm zum Unternehmertum gearbeitet, für das Reyners Familie fest eingeplant ist. Das soll helfen, ihr Wissen über die Meerschweinchenzucht zu erweitern, damit sie ihr Einkommen steigern können.
Auf die Frage was Reyner einmal werden willl, wenn er groß ist, antwortet er ohne zu zögern: „Polizist, denn dann kann ich meine Eltern und Geschwister immer beschützen.“