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7 Gründe für Entwicklungsfinanzierung
12.05.2020 - von Lara W. aus dem Plan-Jugendbeirat

7 Gründe, warum wir jetzt in Entwicklungsfinanzierung investieren müssen

Corona beschäftigt uns im Moment alle. Kein Wunder, bei den Auswirkungen, die das Virus auf unser Leben hat. Doch genauso wie das Corona-Virus nicht an Grenzen halt macht, darf es auch nicht unsere Solidarität. Ausbau von Gesundheitsversorgung weltweit, Stärkung von Gleichberechtigung, Durchsetzung von Menschenrechten, Anpassung an die Konsequenzen des Klimawandels, Förderung von Ernährungssicherheit sind dringend nötig. Um das umzusetzen, muss aber auch das nötige Geld da sein. In den letzten Jahren und Monaten schien Entwicklungsfinanzierung jedoch nicht die Priorität unserer Bundesregierung zu sein: Im Gegenteil in dem Eckwertebeschluss für den Bundeshaushalt, den Finanzminister Olaf Scholz im März vorlegte, sollten die Gelder für das Entwicklungsministerium für das kommende Finanzjahr stabil bleiben, in der mittelfristigen Finanzplanung in den kommenden Jahren aber sogar sinken. Sieben Gründe, warum Deutschland jetzt und in den kommenden Jahren mehr in Entwicklungsfinanzierung investieren muss.

  1. Stark sind wir nur gemeinsam  

Corona, die Klimakrise und Umweltzerstörung, weltweit fehlende Geschlechtergerechtigkeit und weitere Verletzungen von Menschenrechten sind globale Herausforderungen, die uns alle betreffen. Gerade am Beispiel Corona sehen wir eindrücklich, dass nationale Alleingänge nicht hilfreich sind, um einer solchen Krise zu begegnen. Nur wenn wir als Weltgemeinschaft Hand in Hand arbeiten, können wir globale Probleme wirklich effektiv bekämpfen. Internationale Organisationen und Initiativen, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Impfallianz Gavi, die lokale Gesundheitssysteme stärken und die Welternährungsorganisation FAO sind entscheidende Akteure im Umgang mit globalen Krisen. Sie liefern wichtige Informationen, unersetzliche Hilfestellungen, besonders für die am meisten betroffenen Menschen und koordinieren gemeinsame Bemühungen. Aber die Möglichkeiten internationaler Organisationen hängen von der finanziellen Unterstützung der Länder ab. Deshalb muss Deutschland neben der bilateralen Unterstützung auch verstärkt multilaterale Akteure unterstützen.

  1. Niemanden zurücklassen!        

In Krisenzeiten wie diesen leiden ganz besonders die Menschen, die schon vorher marginalisiert, das heißt benachteiligt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden. Mehr als 736 Millionen Menschen leben in extremer Armut weltweit. Das bedeutet, sie haben pro Tag weniger als 1,90 US-$ zur Verfügung. Für sie, ebenso wie für Menschen, die in Konflikt- und Krisengebieten leben ist der Zugang zu Gesundheitssystemen und ausreichender Ernährung sehr viel schwieriger. Menschen, die einer Minderheit angehören und geflüchtete und migrierte Menschen, Frauen und Mädchen erleben weltweit häufig Diskriminierung und Benachteiligung. Wir können als Weltgemeinschaft nicht vorankommen, wenn wir diese Menschen zurücklassen. Das haben auch die Vereinten Nationen erkannt und deshalb ‘Leave No One Behind’ - Niemanden zurücklassen als zentrales Prinzip der Agenda 2030 erklärt. Deutschland hat diese Agenda unterschrieben und damit sich auch dazu bekannt, niemanden zurückzulassen. Entwicklungsfinanzierung ist ein entscheidendes Instrument, um die Menschen zu erreichen, die sonst benachteiligt werden. Deshalb muss Deutschland seine Verpflichtung 0,15 - 0,2% seines Bruttonationalprodukts für die sogenannten am wenigsten entwickelten Länder (‘Least Developed Countries - LCDs) einzusetzen, halten.

  1. Wir riskieren Rückschritte

In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben wir wichtige Fortschritte gemacht: So haben sich mehr als eine halbe Milliarden Menschen in den vergangenen 25 Jahren aus der extremen Armut befreit. Der Anteil der Menschen, die Zugang zu sauberem und sicheren Wasser haben, ist von 61% im Jahr 2000 auf 71% 2017 gestiegen. Aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Und wenn wir nicht jetzt entschieden handeln und investieren, könnten wir Rückschritte machen. Die Anzahl der Menschen, die Hunger leiden steigt so gerade wieder an - nach jahrelangem Sinken. Das hat unter anderem mit den Konsequenzen des Klimawandels und bewaffneten Konflikten zu tun. 2,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 4,2 Milliarden Menschen haben keine sicheren Sanitäranlagen. Auch diese Situation könnte sich laut Weltwasserbericht der UN durch den Klimawandel verschärfen.

Auch von dem Erreichen von Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt: Im Durchschnitt waren im Januar 2019 24,3% der Parlamentarier*innen weltweit weiblich, in einigen Parlamenten waren keine Frauen vertreten. Durch die Corona-Krise könnte es zu Rückschritten bei der Umsetzung der Rechte von Mädchen kommen: Pflegearbeit wird weltweit mehrheitlich von Frauen und Mädchen geleistet, die dadurch eine höherer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Gleichzeitig haben Mädchen und Frauen durch die Krise weniger Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und es besteht die Gefahr, dass ihre sexuellen und reproduktiven Rechte eingeschränkt werden.So stieg in der Ebola-Krise die Anzahl der Familien, die ihre Töchter früh verheirateten, weil sie in finanzielle Notlagen gerieten und der Mädchen- und Frauenhandel nahm zu - die Gefahr besteht, dass dies durch Corona ebenfalls geschehen könnte. Wenn wir weiterhin eine positive Entwicklung hin zu einer besseren Zukunft für alle machen wollen als Weltgemeinschaft müssen wir gerade jetzt, angesichts globaler Bedrohungen wie Corona und Klimawandel unsere Anstrengungen verstärken und besser finanzieren und dabei verstärkt Mädchenrechte und Gleichberechtigung in den Blick nehmen . Nur ca. 1% der Finanzmittel der Entwicklungszusammenarbeit (In Englisch: Official Development Assistance - ODA) gingen bisher in Projekte, die als Hauptziel Gleichberechtigung haben. Das ist nicht genug! Kanada zum Beispiel wendet mindestens 15% ihrer ODA für Gleichberechtigung.

  1. Zivilgesellschaft stärken

Neben globalen Krisen wie Corona und Klimawandel kann man ein weiteres Phänomen beobachten, was beängstigt: Menschenrechtsverteidiger*innen, Aktivist*innen und Journalist*innen erfahren weltweit zunehmend Einschränkungen und Verfolgung für ihre Arbeit. Solche ‘shrinking spaces’ - schrumpfende Räume für Zivilgesellschaft bedrohen die Menschenrechte und fördern Konflikte und diktatorische Regime. Die Gefahr besteht, dass durch die Corona-Pandemie weitere Einschränkungen der Freiheitsrechte vorgenommen werden, die anschließend nicht mehr zurückgenommen werden. Deshalb muss Deutschland jetzt zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen.

  1. Es geht um Verantwortung

Wir haben Verantwortung für die Welt in der wir leben. Und unsere Verantwortung kann nicht an Ländergrenzen aufhören. Denn die Folgen unserer Lebenstils und unserer Politik in Gegenwart und Vergangenheit haben für Menschen im globalen Süden negative Folgen. Es ist der Lebenstil in den Industrienationen, der vor allem zu der Erderwärmung beigetragen hat und weiterhin dazu beiträgt- die aber Folgen treffen andere Länder wesentlich stärker. Firmen, die hier billige Textilien, Lebensmittel und ähnliche Produkte verkaufen, sind in anderen Ländern für niedrige Löhne, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung verantwortlich. Und bis heute haben ehemalige kolonialisierte Länder mit den Folgen der Kolonialzeit zu kämpfen, wie politischer Instabilität aufgrund von den Kolonialmächten willkürlicher gezogener Grenzen. Wir müssen diese Verantwortung anerkennen und uns international solidarisch zeigen. Zur Entwicklungsfinanzierung gehört auch entwicklungspolitische Bildung, die hilft solche Zusammenhänge zu verstehen und zu lernen, wie wir in Zukunft besser zusammenleben können 

  1. Deutschland hat internationale Verpflichtungen          

Deutschland hat sich schon vor 50 Jahren verpflichtet 0,7% seines Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit (ODA) auszugeben. Bisher hat Deutschland dieses Ziel nur ein einziges Mal erreicht. Dass Deutschland das 0,7% Ziel erreichte lag daran, dass die Kosten für die Versorgung von geflüchteten Menschen im Inland in die Quote mit reingerechnet wurden. Wenn die Kosten für Geflüchtete im Inland nicht miteingerechnet werden, hat Deutschland diese internationale Verpflichtung kein einziges Mal erreicht. Dabei haben sich SPD und CDU/CSU in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich zum 0,7%-Ziel bekannt. Es wird Zeit, dass Deutschland zu seinen Versprechen steht!

  1. Wir investieren in die Welt, in der wir morgen leben werden

Zukunft in einer besseren, friedlicheren und nachhaltigeren Welt leben wollen, müssen wir jetzt daran arbeiten. Entwicklungszusammenarbeit ist ein Instrument, positive Entwicklungen zu bestärken und Potentiale zu entfalten. Zum Beispiel, indem die Resilienz gegenüber den Konsequenzen des Klimawandels erhöht wird, indem Ungleichheiten bekämpft werden und der Zugang zu Bildung verbessert wird: Laut einer über einen großen Zeitraum hinweg durchgeführten Studie in 100 Ländern mit niedrigem und mittleren Einkommen waren Länder mit extremen Bildungsunterschieden zweimal so anfällig dafür in den Folgejahren Konflikte zu erleben. Wenn aber im Durchschnitt 10% mehr junge Männer die Sekundarschule besuchten, sank das Risiko eines Konfliktes um ein Viertel! Und wusstet ihr, dass Friedensabkommen sich eher als dauerhaft erweisen, wenn sie von Frauen unterzeichnet werden? Wenn Frauen in Friedensprozessen beteiligt sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Friedensvertrag länger als 15 Jahre hält um 35%! Dennoch waren nur etwa 13% der Verhandlungsführenden, 3% der Mediator*innen und 4% Prozent der Unterzeichnenden Frauen zwischen 1992 und 2018. Abgesehen davon, dass es eine Frage von Gerechtigkeit ist, ist es also auch eine Investition in eine friedlichere Welt, wenn wir Gleichberechtigung weltweit stärken. Ein starkes Bekenntnis zu Gleichberechtigung und zur Stärkung von Mädchen- und Frauenrechten heißt ungerechte Machtstrukturen durchbrechen und eine friedlichere Welt anzubahnen. Ich wünsche mir von der Bundesregierung, dass sie jetzt in die Welt, in der wir leben, investiert.

 

Quellen:

https://www.plan.de/fileadmin/website/05._Ueber_uns/Positionspapiere/Plan_Position_Entwicklungsfinanzierung_2020_02.pdf#Entwicklungsfinanzierung

https://www.globalcitizen.org/de/issue/finance-innovation/

https://www.tagesschau.de/ausland/weltwasserbericht-un-103.html

https://unstats.un.org/sdgs/report/2019/goal-05/

https://unstats.un.org/sdgs/report/2019/goal-01/

https://unstats.un.org/sdgs/report/2019/goal-02/

https://educateachild.org/sites/default/files/docs/2016//EAC_Education_and_the_SDGs__F_.pdf

http://blog.venro.org/shrinking-spaces-was-steckt-dahinter-und-wie-koennen-nro-darauf-reagieren/

https://www.unwomen.de/informieren/fuehrungspositionen-und-partizipation-von-frauen-in-politik-und-wirtschaft.html

https://www.un.org/press/en/2016/sc12561.doc.htm

https://www.welt-sichten.org/artikel/37177/mehr-geld-fuer-multilaterale-organisationen

https://www.plan.de/fileadmin/website/05._Ueber_uns/Positionspapiere/Plan_Position_Gleichberechtigung.pdf#Gleichberechtigung