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Plan-Mitarbeitende verteilen aus einem Lieferwagen heraus Hygiene-Kits.
Von allen Ländern Südostasiens sind die Philippinen am schwersten von der Covid-19 Pandemie betroffen. Plan International hilft vor Ort und verteilt u.a. Hygiene-Kits an die Bevölkerung. © Plan International
10.12.2020 - von Anne Rütten

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf philippinische Mädchen und junge Frauen

Eine Umfrage von Plan International Philippinen zeigt, dass die besonderen Bedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen bei der Bewältigung der Corona-Pandemie nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Von allen Ländern Südostasiens sind die Philippinen am schwersten von der Covid-19 Pandemie betroffen: Unzureichende Informationen über das Coronavirus und seine Verbreitung sorgen seit Monaten trotz strengen Reglementierungen des öffentlichen Lebens für hohe Infektionszahlen. Offiziellen Angaben zufolge wurden bislang rund 453.000 Fälle gemeldet, pro Tag kommen aktuell etwa 1.150 dazu. Das Gesundheitssystem ist längst überlastet, aber schwerer als die Sorge um eine mögliche Ansteckung wiegen bei einem Großteil der Bevölkerung Existenzängste. Denn der strenge Lockdown, den die Regierung seit August erneut verhängt hat, um die Lage in den Griff zu bekommen, sorgt dafür, dass viele Menschen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können und so keinerlei Einkommen haben. Dadurch können sie sich selbst lebensnotwendige Dinge wie Lebensmittel oder Hygieneartikel nicht mehr leisten.


Covid-19 beeinflusst jeden Lebensbereich von Mädchen und Frauen negativ

Die Begleiterscheinungen der Corona-Pandemie betreffen auch auf den Philippinen Mädchen und junge Frauen auf besondere Art und Weise. Das hat die Befragung „Durch ihre Augen: Die Auswirkungen von Covid-19 auf philippinische Mädchen und junge Frauen“ (engl. „Through Her Lens: The Impact of Covid-19 on Filipino Girls and Young Women“) von Plan International Philippinen gezeigt. Dafür wurden rund 1.200 Mädchen und junge Frauen im Alter von 13 bis 24 Jahren auf den drei Inselgruppen Luzon, Visayas und Mindanao danach befragt, inwiefern sich die Pandemie auf ihr Leben auswirkt. Das Ergebnis: Covid-19 und die Folgen beeinflussen jeden Bereich ihres Lebens – von der Vergrößerung bestehender sozialer Ungleichheiten, über die Unterbrechung von Bildung und Arbeit und dem zunehmenden Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, bis hin zur Beeinträchtigung ihrer mentalen Gesundheit und ihres Wohlbefindens.

"Die Pandemie hat bei Mädchen und jungen Frauen große Angst und Stress verursacht. Abgesehen von dem Risiko, infiziert zu werden, machen sie sich Sorgen um ihre Familien, darüber, dass sie kein Geld haben, um Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse zu kaufen, und dass ihre Ausbildung abgebrochen werden muss", sagt Ana Maria Locsin, Länderdirektorin von Plan International Philippinen. "Wenn wir diese Probleme nicht angehen, wird ihre Fähigkeit, mit den Auswirkungen dieser Pandemie fertig zu werden und sich davon zu erholen, nachhaltig beeinträchtigt werden.“

Chance auf Bildung gesunken, Risiko für Gewalt gestiegen

Am meisten sorgen sich die Befragten um ihre Ausbildung: sieben von zehn Mädchen nannten Bildung als den Aspekt ihres Lebens, der am stärksten von der Pandemie betroffen ist. 49 Prozent schätzten die Chance gering ein, nach der Pandemie wieder in den Unterricht zurückkehren können und gaben an, sich darüber zu sorgen. Aufgrund des Lockdowns sind die Schulen geschlossen und viele Mädchen können wegen mangelnder Internetabdeckung die Online-Lernangebote nicht wahrnehmen. Viele müssen auch im Haushalt helfen, anstatt ihre Zeit ins Lernen investieren zu dürfen.

Die Befragten gaben auch einen Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt an – sowohl online als auch offline. Fünf Prozent der Mädchen und jungen Frauen gaben an, dass sie häusliche Gewalt beobachtet hatten, 17 Prozent der Befragten wurden Zeuginnen von Gewalt außerhalb ihrer Wohnung. 56 Prozent gaben an, dass sie Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt in sozialen Medien beobachtet haben.

Fehlende Informationen und Hilfe

Die Ergebnisse der Befragung zeigen aber auch, dass Mädchen und jungen Frauen wichtige Informationen fehlen, wie sie sich und anderen in dieser Situation helfen können. Beispielsweise wurden viele Fälle von Gewalt nicht gemeldet, weil sie nicht wussten, wohin sie sich wenden konnten oder wie sie Anzeige erstatten sollten.

Es mangelt aber nicht nur an Informationen über geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt und dem Zugang zu sicheren Melde-, Beschwerde-, Hilfe- und Rechtsmechanismen für die Opfer. Ebenso fehlt den befragten Mädchen und jungen Frauen der Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten und wichtigen Hygieneartikeln wie Damenbinden und Verhütungsmittel. Dadurch steigt nicht nur das Risiko von ungewollten Schwangerschaften und die Ansteckungsgefahr sexuell übertragbaren Krankheiten, sondern es fällt auch ein Großteil der medizinischen Versorgung von Schwangeren und jungen Müttern weg.

Unbeachtete Bedürfnisse, verschenktes Potential

Am meisten fehlen den philippinischen Mädchen und Frauen aber sichere Plattformen, um an Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit Covid-19 teilzunehmen und zu Lösungen zur Bekämpfung der Pandemie beitragen können. Die Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass Mädchen und Frauen – wenn sie eine Plattform und Möglichkeiten haben – in der Lage sind, die Reaktionsbemühungen während einer Katastrophe zu unterstützen und zu verbessern:

99 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in der Lage sind, Nachrichten oder Informationen über Covid-19 zu erhalten, und 77 Prozent gaben an, dass sie die Informationen oder Nachrichten, die sie erhalten, erst auf ihre Richtigkeit überprüfen, bevor sie diese an andere weitergeben.

"Mädchen können während einer Krise effektive und mächtige Führungspersönlichkeiten und Kommunikatorinnen sein, wenn sie Unterstützung und die richtigen Plattformen erhalten", sagt Ana Maria Locsin.

Was Mädchen wollen

In der Befragung gaben Mädchen und junge Frauen auch Empfehlungen ab, um ihre Einbeziehung und Beteiligung an den Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 sicherzustellen: Sie finden, dass die Regierung, der private Sektor und die Zivilgesellschaft enger zusammenarbeiten sollten, um…

  • eine bessere Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, auch hinsichtlich mentaler und emotionaler Unterstützung.
  • Hilfe und Anleitung für Eltern und Erziehungsberechtigte bereitzustellen, um Mädchen und junge Frauen beim Lernen von zuhause zu unterstützen.
  • den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung durch die Verbesserung der Internetverbindung und der Signale in den Ortschaften und ländlichen Gebieten zu gewährleisten und andere Möglichkeiten des Fernunterrichts zu prüfen.
  • Informationen über geschlechtsspezifische, häusliche und Online-Gewalt und Zugang zu sicheren Melde-, Beschwerde- und Rechtsmechanismen für die Opfer bereitzustellen.
  • Zugang zu Verhütungsmitteln und Hygiene-Kits einschließlich Monatsbinden und anderen Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit zu gewährleisten.
  • in die Informationsverbreitung und Aufklärungsarbeit über das Virus zusätzlich Informationen darüber einbeziehen, wo man Zugang zu Hygieneartikeln und Beratungsstellen findet, wie man sich vor Belästigung und Gewalt schützen kann und wo man während der Pandemie psychosoziale Unterstützungsdienste in Anspruch nehmen kann.
  • Mittel für die spezifischen Bedürfnisse von Mädchen und jungen Frauen zuzuweisen und zu priorisieren.
  • sichere Plattformen zu schaffen, auf denen sich Mädchen und junge Frauen an wichtigen Entscheidungen teilhaben, das Wort ergreifen, sich freiwillig melden und wichtige Beiträge zu Lösungen in Notfall- und Reaktionsplänen, wie z.B. für Covid-19, leisten können.

"Wir müssen die Bedürfnisse, die Stimme und das Potenzial jedes Mädchens im Katastrophenrisikomanagement, in der Widerstandsfähigkeit und in den Reaktionsbemühungen erkennen", sagt die Länderdirektorin von Plan International Philippinen. "Nur durch ihre Augen können wir eine integrative, gerechte und geschlechtertransformierende humanitäre Reaktion gewährleisten".


"Through Her Lens" Bericht (Englisch)
PDF 3,37 MB
"Through Her Lens" Zusammenfassung (Englisch)
PDF 13,4 MB